26. Januar 2009

Beschränkungen des Abberufungsrechts von Vorstandsmitgliedern einer Privatstiftung

Der Stifter einer im Firmenbuch eingetragenen Privatstiftung hat in Wahrnehmung seines Änderungsvorbehalts mit „Notariatsakt über die Änderung der Stiftungsurkunde“ den Punkt 9.5. der Stiftungsurkunde wie folgt neu gefasst:

"Der Stiftungsvorstand ist berechtigt, Mitglieder des Stiftungsvorstandes durch Beschluss mit einfacher Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen abzuberufen."

Gegen die Eintragung dieser Neufassung wurden dem Stiftungsvorstand, der diese Änderung zur Eintragung in das Firmenbuch anmeldete, folgende Bedenken mitgeteilt:

Gemäß § 9 Abs 2 Z 1 PSG kann die Zuständigkeit zur Abberufung der Mitglieder des Stiftungsvorstandes einem Stiftungsorgan übertragen werden (GesRZ 1997, 150), wobei eine solche Ermächtigung bei sonstiger Unwirksamkeit in die Stiftungsurkunde aufzunehmen ist (§ 10 Abs 2 erster Satz PSG). Zu § 15 Abs 2 PSG wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass die jederzeitige Abberufung des Stiftungsvorstandes nur aus wichtigen Gründen zulässig ist (zB 6 Ob 60/01v, RdW 2001/502, 406; Hochedlinger in RdW 2004/46, 67, 70 f). Andernfalls könnte ein erheblicher Einfluss auf die dem Vorstand obliegende Stiftungsverwaltung genommen werden. Insbesondere könnte bei Vorliegen der Möglichkeit einer jederzeitigen Abberufung der Mitglieder des Stiftungsvorstandes die Erfüllung des Stiftungszwecks nicht mehr gewährleistet werden (vgl. Arnold, PSG, § 15 Rn 120).
Daraus folgt, dass die in Punkt 9.5. vorgesehene Abberufung einzelner Vorstandsmitglieder durch den übrigen Stiftungsvorstand grundsätzlich möglich ist (vgl. etwa Arnold, PSG, § 15 Rn 118; Keller, Die Möglichkeit der Einflussnahme des Stifters im Privatstiftungsrecht, 110). Eine entsprechende Änderung der Bestimmung muss allerdings den Zusatz enthalten, dass eine Abberufung durch den Stiftungsvorstand mit einfacher Mehrheit nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig ist.


In ihrer Stellungnahme zu diesen Bedenken argumentierten die Antragsteller damit, dass diese Grundsätze dann nicht zum Tragen kämen, wenn der Stiftungsvorstand selbst abberufungsberechtigte Stelle sei. So gehe es in den vom Firmenbuchgericht zitierten Belegstellen immer um ein den Stiftern eingeräumtes Abberufungsrecht, womit klar gestellt sei, dass nur eine jederzeitige Abberufung von Vorstandsmitgliedern durch dritte Personen unter der Voraussetzung des Vorliegens sachlicher Abberufungsgründe möglich sei. Im konkreten Fall werde aber dem Stiftungsvorstand als Organ das Recht eingeräumt, seine eigene Zusammensetzung zu bestimmen und zu beeinflussen. Das PSG gehe von einer Selbstkontrolle des Stiftungsvorstandes aus, weshalb der Stiftungsvorstand nicht nur Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan, sondern auch ein sich selbst überwachendes Kontrollorgan sei. Seine Möglichkeit, Vorstandsmitglieder mit Mehrheitsbeschluss abzuberufen, stärke somit seine Stellung als sich selbst überwachendes Kontrollorgan zusätzlich.

Dieser Argumentation ist entgegen zu halten:

Schmidt in Doralt/Kalss, Aktuelle Fragen des Privatstiftungsrechts, führt zur Abberufungskompetenz aus, dass sich diese der Stifter selbst vorbehalten oder einem Organ oder einer bestimmten Person übertragen könne. Wenn der Stifter keine Regelung über die Abberufung von Vorstandsmitgliedern treffe, greife die gerichtliche Abberufungskompetenz. Voraussetzung (zu ergänzen wohl: in allen Fällen) dafür sei das Vorliegen eines wichtigen Grundes.

Fischer, Die Organisationsstruktur der Privatstiftung, 28, hält fest, dass sich der Stifter selbst oder anderen Organen bzw. Personen in der Stiftungserklärung die Kompetenz zur Abberufung des Vorstands übertragen könne. Lege er in diesem Zusammenhang auch die Bestellungsdauer fest, so sei zu beachten, dass der Vorstand vor Ablauf dieser Frist nur wegen des Vorliegens eines zumindest sachlichen Grundes abberufen werden könne (so auch Torggler, Zur Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstandes einer Privatstiftung, GesRZ 1997, 150).

Torggler vertritt weiter, dass eine willkürliche Abberufung vom Gesetzgeber verpönt sei und dies umso mehr auch dann zu gelten habe, wenn die Abberufungskompetenz nicht einer unabhängigen Instanz, wie dem Gericht, zukomme, sondern durch Personen oder Institutionen wahrgenommen werde, deren Interessen potentiell in einen Gegensatz zum Stiftungszweck geraten könnten (Torggler aaO, 150; Fischer aaO, 29).

Arnold schreibt, infolge Eigentümer- und Gesellschafterlosigkeit der Privatstiftung bestehe bei ihr ein Kontrolldefizit. Deshalb sei gesetzlich die Kontrolle über die privatrechtliche Organisation der Privatstiftung abgesichert. Einziges Kontrollorgan der Privatstiftung wäre bei Fehlen eines Aufsichtsrats nur der Stiftungsprüfer. Hauptzielsetzung der Mindestmitgliederzahl des Vorstandes sei daher die interne wechselseitige Kontrolle der Mitglieder des Stiftungsvorstandes. Insoweit sei der Stiftungsvorstand nicht nur Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan, sondern auch ein sich selbst überwachendes Kontrollorgan („Sechs-Augen-Prinzip“; Arnold, PSG, § 15 Rz 9).

Das Problem der Mindestbestelldauer sei untrennbar mit dem einer Abberufung des Stiftungsvorstandes ohne Vorliegen wichtiger Gründe verknüpft. Die Einräumung eines Abberufungsrechts ohne Beschränkung auf wichtige Gründe sei stets - unabhängig davon, wem ein solches eingeräumt wird – unzulässig (Arnold aaO, Rz 107, 120 f).

So könne die Abberufungskompetenz einem oder mehreren Stiftern übertragen werden; daneben würden auch hier der Stiftungsorgane, wie insbesondere Aufsichtsrat oder Beirat, ebenso aber stiftungsexterne Personen oder sonstige Rechtsträger in Betracht kommen. Soweit eine Kooptierung bzw. Selbstergänzung des Stiftungsvorstandes vorgesehen sei, könne eine Amtsniederlegung durch das jeweilige Mitglied oder - je nach Regelung in der Stiftungsurkunde - auch die Abberufung durch die übrigen Vorstandsmitglieder vorgesehen werden (Arnold aaO, Rz 118).

Es müsse jedenfalls verhindert werden, dass bei jeder einzelnen Entscheidung, die der zur Abberufung befugten Stelle nicht genehm ist, die Vorstandsmitglieder mit der unmittelbaren Konsequenz einer Abberufung rechnen müssten. Diese Bedenken gelten aber nicht nur bei einer Abberufung durch Begünstigte oder einem mit Begünstigten besetzten Beirat, sondern generell. Auch die den Mitgliedern des Stiftungsvorstandes obliegende wechselseitige Kontrolle und Überwachung zwecks Erfüllung des Stiftungszwecks könnte bei Vorliegen der Möglichkeit einer jederzeitigen Abberufung der Mitglieder nicht mehr gewährleistet werden (Arnold aaO, Rz 120).

Damit kann kein Zweifel bestehen, dass auch eine Abberufungskompetenz des Stiftungsvorstandes selbst an das Vorliegen wichtiger Gründe gebunden sein muss. Wenn sich ein Vorstandsmitglied in Wahrnehmung der wechselseitigen Kontroll- und Überwachungsaufgabe gegen die Ansicht der Mehrheit der Vorstandsmitglieder stellt, würde nämlich exakt der von Arnold aufgezeigte Aspekt verwirklicht, dass dieses „nicht genehme Vorstandsmitglied“ mit der unmittelbaren Konsequenz der Abberufung rechnen muss. In Wahrheit wird damit die Stellung des Stiftungsvorstandes als sich selbst überwachendes Kontrollorgan nicht zusätzlich gestärkt; eine solche Regelung lässt vielmehr befürchten, dass nur mehr solche Entscheidungen zustande kommen, die die Zustimmung aller Vorstandsmitglieder finden. Wirksame Kontrollsysteme zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass das Aufzeigen von kritischen oder gegenteiligen Positionen nicht dazu führt, dass der Kontrollierende mit der Möglichkeit seines begründungslosen Entfernens aus seiner Funktion rechnen muss.

Die Eintragung dieser Änderung der Stiftungsurkunde war daher abzuweisen.

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