21. Mai 2010

Mangelnde Geschäftsfähigkeit einer GmbH-Geschäftsführerin und Wahrnehmung dieses Mangels in einem anhängigen Rechtsstreit

In einem zivilrechtlichen Rechtsstreit macht der Kläger eine Forderung gegenüber einer GmbH geltend. Die GmbH wird durch eine selbstständig vertretungsbefugte Alleingeschäftsführerin vertreten.
Im Laufe des Verfahrens ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass diese Geschäftsführerin aufgrund einer psychischen Erkrankung geschäftsunfähig ist.

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus:

Gemäß § 15 Abs 1 GmbHG können zu Geschäftsführern nur physische, handlungsfähige Personen bestellt werden.

Handlungsfähigkeit bedeutet Eigenberechtigung. Eine nicht eigenberechtigte (geschäftsunfähige) Person kann daher nicht wirksam zum Geschäftsführer bestellt werden. Das ergibt sich daraus, dass eine Person, die für sich selbst keine Willenserklärungen abgeben kann, dies auch nicht für einen Prinzipal (die Gesellschaft) können soll. Mit dem Verlust der Eigenberechtigung geht daher auch automatisch die Beendigung der Geschäftsführerstellung einher (Koppensteiner/Rüffler GmbHG § 15 Rz 15; Reich-Rohrwig Rz 2/31 FN 20 mwN; Straube/Ratka/Völkl in Straube, GmbHG § 15 Rz 11).

So ist es auch anerkannt, dass der dauerhafte Verlust der Geschäftsfähigkeit eines Geschäftsführers das „formelle Fehlen“ des Organs iSd § 15a GmbHG zur Folge hat, insoweit also die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notgeschäftsführers vorliegen können (Ratka in Straube, GmbHG § 15a Rz 13 mwN).

Auch § 15 UGB schützt das Vertrauen auf die Handlungsfähigkeit des Eingetragenen nicht; allerdings kommt unter den Voraussetzungen des § 15 Abs 3 UGB eine Rechtsscheinhaftung der Gesellschaft in Betracht, wofür allerdings folgende Umstände vorliegen müssen:
Die mangelnde Eigenberechtigung muss zur Annahme einer Rechtsscheinhaftung von der Gesellschaft erkannt worden oder als unrichtig erkennbar gewesen und die Eintragung des Geschäftsführers aus Verschulden nicht gelöscht worden sein, es sei denn, der Gesellschaft gelingt der Beweis, dass der Dritte nicht im Vertrauen auf die Eintragung gehandelt hat oder deren Unrichtigkeit kannte oder grob fahrlässig nicht kannte (Straube/Ratka/Völkl aaO mwN).

Wenn demnach im Laufe eines Rechtsstreits Hinweise auf eine mangelnde Geschäftsfähigkeit einer Alleingeschäftsführerin auftreten, ergibt sich zwingend, dass mit § 15 Abs 3 UGB eine aufrechte Handlungsfähigkeit der beklagten GmbH nicht mehr begründet werden kann.

Gemäß § 6 ZPO ist der Mangel der Prozessfähigkeit und der gesetzlichen Vertretung in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu berücksichtigen. Kann dieser Mangel beseitigt werden, hat das Gericht die hierzu erforderlichen Aufträge zu erteilen und zu ihrer Erfüllung von Amts wegen eine angemessene Frist zu bestimmen, bis zu deren fruchtlosem Ablaufe der Ausspruch über die Rechtsfolgen des Mangels aufgeschoben bleibt.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass für den Fall der anwaltlichen Vertretung einer Partei die Prozessfähigkeit nur im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung vorgelegen sein muss und ihr späterer Wegfall nicht schadet (OGH 8 Ob 169/01p). Bei Zweifeln an der Prozessfähigkeit eines einzigen Geschäftsführers (Liquidators) einer GmbH ist vom Prozessgericht die Frage der gesetzlichen Vertretung selbst von Amts wegen zu prüfen, weil ein Fall des § 6a ZPO nicht vorliegt (SZ 69/205).

Das hat zur Konsequenz, dass sich Fragen der mangelnden Prozessfähigkeit bei einer anwaltlich vertretenen beklagten GmbH nur dann stellen, wenn sich Hinweise dafür ergeben, dass die mangelnde Handlungsfähigkeit der Geschäftsführerin bereits zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung an den Rechtsanwalt gegeben war.
Diesen Hinweisen hat das Prozessgericht nachzugehen. Diesem Verfahren zur Prüfung der Prozessfähigkeit ist zur Wahrung ihrer Parteirechte auch die Gegenpartei beizuziehen, es handelt sich dabei um einen selbstständigen Zwischenstreit mit Kostenfolgen (LGZ Wien 36 R 61/02s).

Ein späterer Wegfall würde nicht schaden, da dieser an der Prozessfähigkeit der GmbH im konkreten Verfahren nichts ändern würde und die Parteifähigkeit der GmbH unabhängig vom allfälligen Vertretungsmangel aufgrund des möglicherweise mittlerweile erfolgten Wegfalls der Geschäftsführerin unberührt bleibt.

Umwandlung einer GmbH in eine AG (§§ 245 ff AktG) trotz Unterbilanz

Im Kollegenkreis wurde das Problem einer Unterbilanz bei der Umwandlung einer GmbH in eine AG (§§ 245 ff AktG) diskutiert. Mir wurde dabei folgende Ausgangssituation geschildert:

Die GmbH hat nach Kapitalerhöhungen im Jahr 2010 ein Stammkapital von € 2.155.000,--. Im Zuge der Umwandlung in eine AG sollen 2.155.000 Stückaktien mit einem anteiligen Wert am Grundkapital von demnach € 1,-- ausgegeben werden.

Die Gesellschaft ist im Forschungsbereich tätig, die letzte Schlussbilanz (zugleich Umwandlungsbilanz) weist einen Bilanzverlust von € 3.617.739,58 aus, das Eigenkapital ist unter Berücksichtigung des Stammkapitals und der Kapitalrücklagen mit gerundet € 300.000,-- positiv, außerdem sind unter dem Eigenkapital Einlagen stiller Gesellschafter in Höhe von € 580.000,-- ausgewiesen.

Der vom Firmenbuchgericht bestellte Umwandlungsprüfer wird laut Darstellung meines Kollegen nicht bestätigen können, dass ein Nettoaktivvermögen von € 2.155.000,-- vorhanden ist.

Gemäß § 246 Abs 3 AktG ist für die umzuwandelnde Gesellschaft eine Schlussbilanz zu erstellen, für die die handelsrechtlichen Regelungen über die Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses sinngemäß gelten.
Durch den Verweis auf § 220 Abs 3 ist klargestellt, dass die Umwandlungsbilanz auf einen höchstens neun Monate vor der Anmeldung der Umwandlung zum Firmenbuch liegenden Stichtag aufzustellen ist.
Die Bilanz ist von den der Umwandlung zustimmenden Gesellschaftern zu erläutern (§ 247 Abs 2), unterliegt auf jeden Fall der Prüfung durch gerichtlich bestellte Prüfer (§ 247 Abs 3), ist der Anmeldung der Umwandlung anzuschließen (§ 248 Abs 2) und nach dem Wirksamwerden der Umwandlung gemäß § 251 zu veröffentlichen (Szep in Jabornegg/Strasser, AktG, Rz 10 f).

Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft von einer GmbH zu einer AG ist, dass die umzuwandelnde GmbH wenigstens ein Stammkapital in der Höhe des für Aktiengesellschaften vorgeschriebenen Mindestgrundkapitals (§ 7) hat. Das ist im konkreten Fall gegeben, zumal das Stammkapital der GmbH € 2,155.000,-- beträgt.
Szep aaO weist darauf hin, dass nicht abschließend geklärt sei, ob eine Unterbilanz umwandlungsschädlich ist. E. Lechner (FS Helbich 111) erachte es für ausreichend, wenn das Grundkapital der künftigen AG im vorhandenen Vermögen einschließlich der stillen Reserven gedeckt ist. Nach Schlegelberger/Quassowski § 271 Rz 1 hindere dagegen die Unterbilanz die Umwandlung grundsätzlich nicht. Dies werde auch von der dhM zu § 378 dAktG aF vertreten (K. Schmidt, AG 1985, 150 ff; Priester, AG 1986, 29 ff; Semler/Grunewald in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff § 376 Rz 36; Zöllner in KölnerKomm1 § 376 Rz 45; dagegen mit beachtenswerten Gründen Noelle, AG 1990, 475 ff; Godin/Wilhelmi, AktG 3 § 369 Anm 13; zum Meinungsstand auf Grund der neuen Regelung des § 245 iVm § 220 Abs 1 dUmwG vgl Happ in Lutter, UmwG 2 § 245 Rz 13).

Szep kommt zum Schluss, dass auf Grund des allgemeinen Verbots der unter-pari-Emission eine Umwandlung nur dann zulässig ist, wenn das Grundkapital und die gebundenen Rücklagen durch den Wert des Nettoaktivvermögens gedeckt sind (§ 225j Abs 2 analog).

Im Gegensatz dazu führt Zollner folgende Aspekte ins Treffen:
Die sinngemäße Anwendung der aktienrechtlichen Gründungsvorschriften in § 247 AktG lasse einerseits den Schluss zu, den Rechtsformwechsel als Neugründung zu verstehen, für welche Aktiengründungsrecht gelte. Wolle man dies tun, ergebe sich jedoch ein Widerspruch mit dem die formwandelnde Umwandlung prägenden Identitätsprinzip. Andererseits könne der Verweis auch so verstanden werden, dass die historische Gründung der GmbH anhand aktienrechtlicher Maßstäbe zu prüfen sei. Er kommt zu dem Schluss, dass die Absicht des Gesetzgebers, durch den Verweis auf das Aktiengründungsrecht Umgehungen desselben durch eine Umwandlung zu vermeiden und das Identitätsprinzip des Rechtsformwechsels grundsätzlich dafür sprechen, auf die Gründung der GmbH abzustellen. Dabei sei den Besonderheiten der jeweils bezogenen Vorschrift sowie der zwischen Umwandlung und Gründung der GmbH liegenden Zeitspanne ausreichend Rechnung zu tragen.

Zollner weist denn auch darauf hin, dass das Verständnis der Verweisungsnorm sowohl für den Zeitpunkt, auf welchen sich die Prüfung der Sacheinlagen zu beziehen hat als auch für die Beantwortung der Frage, ob eine Unterbilanz oder negatives Eigenkapital die formwandelnde Umwandlung unzulässig mache, von Bedeutung sei.
Das führt ihn zur Schlussfolgerung, dass eine Unterbilanz den Rechtsformwechsel nicht unzulässig mache, die Gefahr der Umgehung der aktienrechtlichen Gründungsnormen bestehe nämlich nicht, die Unterbilanz als eine „Unerfreulichkeit“ des Kapitalgesellschaftsrechts werde lediglich in einer anderen Rechtsform fortgesetzt (Zollner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 247 Rz 8, 10 und 11 mit den schon bei Szep dargestellten Verweisen auf die hM in Deutschland).

Verstehe man hingegen den Vorgang des Rechtsformwechsel als „Sacheinlage im weitesten Sinn“, würde die Existenz einer Unterbilanz die Umwandlung unzulässig machen, da prüfen wäre, ob der Wert der Sacheinlage den Ausgabebetrag der Aktien erreicht, bei negativem Ausgang dieser Prüfung hätte das Firmenbuchgericht die Eintragung abzulehnen. Dies hätte dann aber auch für den Rechtsformwechsel einer Aktiengesellschaft in eine GmbH zu gelten, sodass auch in dieser Variante bei negativem Eigenkapital der Rechtsformwechsel unzulässig wäre (Zollner aaO, Rz 12).

Meine Überlegungen dazu:

§ 247 AktG verlangt eine Umwandlungsprüfung. In diesem Zusammenhang verweist Szep aaO, § 247 Rz 8, auf Auslegungsprobleme, die der Verweis auf § 26 Abs 1 Z 2 schaffe, wonach sich die Prüfung auch darauf zu erstrecken habe, ob der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen den Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreiche. Da in erster Linie die Verhältnisse im Zeitpunkt der Umwandlung von Relevanz seien, sei der Verweis so zu verstehen, dass zu prüfen sei, ob Grundkapital und gebundene Rücklagen im Nettoaktivvermögen Deckung finden (siehe Rz 2; ähnlich E. Lechner, FS Helbich 110 ff, der auf den Umwandlungszeitpunkt abstellen möchte; vgl auch Fries 205).

Stellt man auf die Überlegungen von Zollner ab, kommt es wiederum auf diese Verhältnisse zum Zeitpunkt der Umwandlung nicht an, da eine solche Prüfung nur dann stattzufinden habe, wenn diese Vorgänge zum Umwandlungszeitpunkt noch von Bedeutung sind, weil nur in diesem Fall die Gefahr der Umgehung aktienrechtlichen Gründungsvorschriften bestehe. Wenn das Wertverhältnis zu prüfen sei, sei nicht der Zeitpunkt der Umwandlung, sondern jener der Gründung der GmbH maßgeblich.
Der Prüfungsumfang für den gerichtlich bestellten Umwandlungsprüfer entspreche jenem von Vorstand und Aufsichtsrat, darüber hinaus habe dieser noch zu prüfen, ob die Umwandlungsbilanz den gesetzlichen Voraussetzungen entspreche.
Schließlich finde aufgrund des Verweises auf § 31 AktG auch eine Prüfung durch das Firmenbuchgericht statt, welches auch die Bewertungen von Sacheinlagen und Sachübernahmen zu prüfen hat, wobei maßgeblich wiederum das Wertverhältnis zum Zeitpunkt der Gründung der GmbH und nicht des Rechtsformwechsel ist (Zollner aaO Rz 18, 20, 21 und 22).

Aus diesem unterschiedlichen Meinungsstand lässt sich ableiten, dass jedenfalls dann kein Problem besteht, wenn zum Zeitpunkt der Umwandlung so viel Vermögen (zu Verkehrs-werten) vorhanden ist, dass das Grundkapital zzgl. gebundener Rücklagen der durch form-wechselnde Umwandlung entstehenden AG gedeckt ist. Eine Unterbilanz ist also jedenfalls unschädlich, falls die Umwandlungsprüfung (der „Gründer“ iSd § 247 Abs 1, des Vorstands/ARs der künftigen AG, des gerichtlich bestellten Umwandlungsprüfers und des Firmenbuchgerichts) ergibt, dass das gesamte Nennkapital samt gebundenen Rücklagen gedeckt ist, womit insoweit stille Reserven im Rahmen der Umwandlungsprüfung „aufgedeckt“ werden können.

Sollte das nicht der Fall sein, verbleibt es bei der Beurteilung des zuständigen Firmenbuchgerichts, inwieweit ein solcher Fall zum Anlass genommen wird, eine Befassung des OGH mit dieser Frage herbeizuführen, was denknotwendigerweise die Ablehnung des diesbezüglichen Eintragungsbegehrens voraussetzt.

20. Mai 2010

Stiftungsprüfung im Liquidationsstadium einer Privatstiftung

Folgende Anfrage des Mitglieds eines Stiftungsvorstandes liegt mir vor:

Die W** K** Privatstiftung wird aufgrund des Umstandes, dass der Stiftungszweck nicht mehr erfüllt werden kann, liquidiert.
Gemäß § 37 PSG hat der Stiftungsvorstand nach Beendigung der Abwicklung und darüber zu legender Schlussrechnung den Schluss der Abwicklung zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden.
Im Zusammenhang mit der zu legenden Schlussrechnung über die beendete Abwicklung ergibt sich nunmehr die Frage, ob diese Schlussrechnung noch durch den Stiftungsprüfer einer Prüfung zu unterziehen ist oder nicht. Ich vertrete die Auffassung, dass diese Schlussrechnung keiner Prüfung durch den Stiftungsprüfer mehr zu unterziehen ist, da gemäß § 21 PSG der Stiftungsprüfer den Jahresabschluss einschließlich Buchführung und Lagebericht zu prüfen hat, bei der Schlussrechnung gemäß § 37 PSG handelt es sich hingegen um keinen Jahresabschluss.

Meine Überlegungen dazu nehme ich zum Anlass, einen kurzen Beitrag zu gestalten:

Im Zuge der Abwicklung sind die Verbindlichkeiten der Privatstiftung zu begleichen. Zu diesem Zweck ist ein Gläubigeraufruf durchzuführen. Der Stiftungsvorstand hat die Gläubiger der Privatstiftung gemäß § 36 Abs 1 PSG unter Hinweis auf die Auflösung aufzufordern, ihre Ansprüche spätestens innerhalb eines Monats nach Veröffentlichung der Gläubigeraufforderung anzumelden. Die Gläubigeraufforderung ist unverzüglich im Amtsblatt der Wiener Zeitung zu veröffentlichen. Anders als bei der Auflösung einer AG, wo die dreimalige Veröffentlichung des Gläubigeraufrufs erforderlich ist, genügt bei der Privatstiftung die einmalige Veröffentlichung des Gläubigeraufrufs.

Eine Versilberung des gesamten Vermögens der Privatstiftung ist im Rahmen der Abwicklung nicht zwingend vorgesehen. Die Letztbegünstigten können sowohl Bar- als auch Sachwerte übernehmen.

Die Abwicklung der Privatstiftung ist mit der Liquidation einer Aktiengesellschaft nach § 205 AktG und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach §§ 89 ff GmbHG vergleichbar. Die Abwicklung ist vom Stiftungsvorstand durchzuführen, die Bestellung anderer Personen als Liquidatoren ist - anders als bei der AG oder GmbH – unzulässig (Novak, Steuerliche Folgen eines Widerrufs der Privatstiftung, ecolex 2008, 952 f).

Die Liquidatoren müssen gemäß § 37 Abs 1 PSG eine Schlussrechnung gegenüber dem Gericht und nach Ansicht des Gesetzgebers auch gegenüber den Letztbegünstigten legen; da eine solche Schlussbilanz jedoch nur dann werthaltige Informationen liefert, wenn auch eine Eröffnungsbilanz erstellt wurde, sind die Liquidatoren auch zur Erstellung der Eröffnungsbilanz verpflichtet. Ohne eine solche wäre nämlich die Schlussrechnung wenig sinnvoll, da ein Vergleich zum letzten Jahresabschluss keine Auskunft über die Durchführung und den Erfolg der Abwicklung gibt (Riel in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG, § 36 Rz 10; Kalss/Zollner, Die gesetzlichen Rechte der Begünstigten, GesRZ 2008, 125 f).

Unabhängig von dieser Verpflichtung zur Legung der Schlussrechnung wird vertreten, dass bis zur endgültigen Löschung der Privatstiftung im Firmenbuch jährlich Jahresabschlüsse zu erstellen sind, die auch zu prüfen seien. Dies ergebe sich aus § 18 PSG, der die Aufstellung des Jahresabschlusses ausdrücklich anordne sowie aus §§ 35 ff PSG, die für den Zeitraum der Abwicklung nichts Gegenteiliges anordnen würden.
Das letzte Geschäftsjahr der Privatstiftung werde idR ein Rumpfgeschäftsjahr sein. Die Organstellung des Stiftungsprüfers bestehe bis zur Löschung der Privatstiftung aufrecht fort.

Die Verpflichtung des Stiftungsvorstandes gemäß § 37 Abs 1 PSG zur Legung einer Schlussrechnung gegenüber dem Letztbegünstigten könne dem Erfordernis der Erstellung des Jahresabschlusses samt Lagebericht nicht derogieren. Die Schlussrechnung diene vielmehr aus Gründen des Gläubigerschutzes sowie des Schutzes des Letztbegünstigten dazu, eine genaue Rechenschaft über die Vermögensverwendung abzugeben (Marschner, Auflösung einer Privatstiftung, ZfS 2006, 101 f).

Riel meint dazu lediglich, dass das Gesetz nicht vorsehe, dass die Schlussrechnung geprüft oder genehmigt werden müsste (Riel aaO, § 37 Rz 2).

Für die Liquidation einer GmbH gilt, dass die Liquidatoren gemäß § 91 Abs 1 GmbHG für den Beginn der Liquidation eine Eröffnungsbilanz und weiterhin für den Schluss jedes Geschäftsjahres ein Jahresabschluss und einen Lagebericht aufzustellen haben. Eine obligatorische Prüfung der Eröffnungsbilanz ist dabei für den Normalfall nicht vorgesehen. Gemäß § 91 Abs 1 GmbHG iVm § 211 Abs 3 AktG wird zwar nur die Anwendbarkeit der §§ 269 - 276 UGB, nicht auch die des § 268 UGB ausgeschlossen. Es hätte aber keinen Sinn, auf einer obligatorischen Prüfung zu insistieren, wenn die dafür maßgeblichen Regeln nicht anwendbar sind. Aus denselben Überlegungen entfällt auch eine Prüfung der Jahresabschlüsse im Liquidationsstadium der GmbH (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG, § 91 Rz 5 und 6).

Gemäß § 18 PSG hat der Stiftungsvorstand die Bücher der Privatstiftung zu führen; § 18 verweist diesbezüglich auf weite Teile des Dritten Buches des HGB (UGB), dabei aber nicht auf die Regelungen über die Abschlussprüfung in den §§ 268 ff UGB. Letzteres ist auch konsequent, da § 21 PSG als lex specialis die Prüfung der Jahresabschlüsse einer Privatstiftung durch den Stiftungsprüfer regelt. Demgemäß hat der Stiftungsprüfer den Jahresabschluss einschließlich der Buchführung und den Lagebericht innerhalb von drei Monaten ab Vorlage zu prüfen (§ 21 Abs 1 PSG).
Wenn demnach – wovon auszugehen ist - auch in der Abwicklungsphase einer Privatstiftung die Verpflichtung zur Erstellung von Jahresabschlüssen besteht, sind diese Jahresabschlüsse durch den Stiftungsprüfer gemäß § 21 Abs 1 PSG zu prüfen. Die Verpflichtung einer Prüfung der unabhängig davon gemäß § 37 PSG zu erstellenden Schlussrechnung besteht allerdings nicht.

12. Mai 2010

Bestellung von Vorstandsmitgliedern einer Privatstiftung durch den begünstigtendominierten Beirat

Im Firmenbuch ist zu FN **** die H** Privatstiftung mit dem Sitz in Innsbruck eingetragen. Deren Vorstandsmitglieder sind Dr. Gerhard S**, Dr. Rolf K** und Dr. Michael L**.
Der Vorstand besteht aus drei Mitgliedern, die genannten Vorstandsmitglieder wurden in der Stiftungsurkunde von den vier Stiftern zu Mitgliedern des ersten Stiftungsvorstands bestellt.
Die erste Funktionsperiode des Vorstandes, die gemäß Stiftungsurkunde jeweils fünf Geschäftsjahre beträgt, endete am 31.12.2004, seinerzeit wurden die Mitglieder des ersten Stiftungsvorstands mit Bestellungsbeschluss der Stifter auf eine weitere Funktionsperiode von fünf Jahren bestellt. Diese weitere Funktionsperiode endete daher am 31.12.2009.

Die Stiftungsurkunde regelt die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder in Punkt Elftens lit c) wie folgt:

Die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands in der Zukunft sowie die Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands aus wichtigen Gründen erfolgen, soweit dem nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, durch die Stifter, wenn ein Stifter verstorben ist oder die Geschäftsfähigkeit verloren hat, durch den Stiftungsbeirat.
Kommt ein Beschluss des Stiftungsbeirates über die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands nicht zu Stande, erfolgt deren Bestellung durch das Gericht. Diesfalls ist der Stiftungsbeirat berechtigt, dem Gericht Personen zur Bestellung als Mitglieder des Stiftungsvorstands vorzuschlagen.


Begünstigte der Privatstiftung sind die Stifter und deren Kinder.

Der Stiftungsbeirat besteht mehrheitlich aus Begünstigten der Privatstiftung. Gemäß Punkt Vierzehntens der Stiftungsurkunde ist der Stiftungsbeirat Beratungs- und Kontrollorgan des Stiftungsvorstands, nähere Regelungen dazu sind in der Stiftungszusatzurkunde festgelegt.

Mit dem am 16.04.2010 überreichten Antrag beantragen die bisherigen Vorstandsmitglieder, sie für eine weitere Funktionsperiode von fünf Jahren als Stiftungsvorstandsmitglieder zu bestellen, wobei sie im wesentlichen vorbrachten, dass im Lichte der jüngsten OGH-Judikatur eine direkte Bestellung des Stiftungsvorstands durch den derzeit besetzten Beirat der Privatstiftung nicht möglich sei, da er mehrheitlich aus Begünstigten zusammengesetzt sei.
Der Stiftungsbeirat habe von seinem Vorschlagsrecht gemäß den Regelungen in der Stiftungsurkunde Gebrauch gemacht und die bisherigen Vorstandsmitglieder mit Beschluss vom 29.10.2009 für eine weitere Funktionsperiode als Stiftungsvorstände vorgeschlagen.
Dieser Vorschlag des Stiftungsbeirats ist dem Antrag beigelegt.

Die (bisherigen) Vorstandsmitglieder erklärten im Antrag, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und nicht zum Personenkreis gemäß § 15 Abs 2 und 3 PSG gehören. Außerdem erklärten sie, in keinerlei Abhängigkeitsverhältnis zu den Begünstigten der Privatstiftung zu stehen, es bestehe diesbezüglich auch keinerlei Weisungsgebundenheit.

Ich habe diesen Antrag auf gerichtliche Bestellung der Vorstandsmitglieder mit folgender Begründung abgewiesen:

Vorauszuschicken ist, dass das Recht des Beirats, den Vorstand zu bestellen oder abzuberufen, für sich allein keine Aufsichtsratsähnlichkeit begründet. Der Aufsichtsrat hat dieses Recht nach dem PSG nämlich nicht. Damit stellen sich Fragen der Aufsichtsratsähnlichkeit in diesem Kontext nicht, weshalb zu klären sein wird, ob eine gerichtliche Bestellung von Vorstandsmitgliedern überhaupt möglich ist, wenn die Stiftungsurkunde diesbezüglich zulässigerweise eine Bestellungskompetenz des Stiftungsbeirates vorsieht (auch wenn dieser mehrheitlich mit Begünstigten besetzt ist).

In Kenntnis der jüngsten Entscheidung des OGH zu 6 Ob 42/09h hat sich das OLG Innsbruck zu 3 R 13/10a ausführlich mit der Literatur und der bisherigen OGH-Judikatur zu dieser Frage auseinandergesetzt und dabei festgehalten:

Ein genereller Grundsatz, wonach eine Person, die einem bestimmten Organ nicht angehören darf, auch nicht die Mitglieder dieses Organs bestellen oder abberufen dürfte, sei der österreichischen Rechtsordnung fremd (N. Arnold, GesRZ 2009, 349R, 350L; P. Doralt, GesrRZ 1997, 136f). Das Recht zur Bestellung von Organmitgliedern begründe daher generell keine Abhängigkeit des bestellten Organs gegenüber dem Bestellungsberechtigten, die mit dem Verbot einer Doppelzugehörigkeit unvereinbar wäre (Kalss, PSR 2009, 108R).

Dies müsse für den Stifter einer Privatstiftung umso mehr gelten, selbst wenn er nicht mehr die Stifterrolle einnimmt, sondern sich selbst auch als Begünstigter einsetzt. Ein solcher begünstigter Stifter dürfe zwar nicht selbst Stiftungsvorstandsmitglied sein (§ 15 Abs 1 PSG), er dürfe aber die Stiftungsvorstandsmitglieder bestellen und abberufen (Kalss, PSR 2009, 109L).

Auch mehrere Entscheidungen des OGH würden nicht gegen diesen Standpunkt sprechen (6 Ob 178/05b, 6 Ob 291/02s, 6 Ob 305/01y, 6 Ob 116/01d).

Es entspreche herrschender Auffassung, dass die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands sowie die Abberufung derselben, soweit die Abberufung auf wichtige Gründe beschränkt ist, durch Begünstigte und/oder den begünstigtendominierten Beirat zulässig sei (N. Arnold, GesRZ 2009 349L).
Das Recht zur Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands und das auf sachliche Gründe eingeschränkte Recht zur Abberufung der Vorstandsmitglieder stelle noch keinen unzulässigen Einfluss auf das Stiftungsgeschehen durch die Begünstigten oder den Stifter selbst dar. Auch ein ausschließlich oder mehrheitlich mit Begünstigten besetzter Beirat könne diese Befugnisse haben (Briem, GesRZ 2009, 19 f).

In 6 Ob 145/09f beschäftigte sich der OGH mit den Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 15 Abs 2 und 3 PSG. Mit diesen Normen sollten demnach die Objektivität des Stiftungsvorstands bei der Vollziehung der Begünstigtenregelung gewahrt und Interessenskollisionen vermieden werden. Die Ratio dieser zwingenden Bestimmung erfordere, die Unvereinbarkeit auch auf Vertreter der Begünstigten zu erstrecken, könnte doch andernfalls die Regelung des § 15 Abs 2 und 3 PSG leicht umgangen werden.
Hingegen wäre eine frühere (abgeschlossene) Tätigkeit als Vertreter unschädlich, soweit nicht in besonderen Ausnahmefällen, etwa wegen des außergewöhnlichen Umfangs der Vertretung und des bezogenen Honorars der Anschein entstehen könnte, der betreffende Organwalter sei bei der Ausübung seines Amts als Mitglied des Stiftungsvorstands nicht mehr unvoreingenommen. In diesem Fall könnte das Gericht gemäß § 27 Abs 2 PSG das betreffende Organmitglied auch abberufen. Umgekehrt würden derartige Umstände naturgemäß der Bestellung der betreffenden Person zum Organmitglied durch das Gericht entgegenstehen.
Nach herrschender Ansicht seien wichtige Gründe im Sinne des § 27 Abs 2 PSG nämlich alle bedeutsamen Umstände, die die Belange der Gesellschaft bzw Privatstiftung gefährden oder ihr die Beibehaltung der aufrechten Bestellung des Organmitglieds unzumutbar machen. Dabei könnten auch Interessenkollisionen, die (noch) nicht den Grad einer Unvereinbarkeit erreichen, einen wichtigen Grund für die Abberufung eines Organmitglieds bilden, wenn dadurch die Verfolgung des Stiftungszwecks, insbesondere bei Vollziehung der vom Stifter vorgesehenen Begünstigtenregelung oder das sonstige ordnungsgemäße Funktionieren der internen Kontrollsysteme nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet ist.
Im Rahmen der Entscheidung nach § 27 Abs 1 und 2 PSG sei letztlich immer auch eine Prognoseentscheidung vorzunehmen. Entscheidend sei, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in Zukunft gewährleistet ist. Dabei sei im Hinblick auf die bei der Privatstiftung fehlenden externen Kontrollmechanismen bei der Beurteilung, ob ein Abberufungsgrund vorliegt, kein all zu strenger Maßstab zugrunde zu legen. Vielmehr erfordere die „Verselbständigung" des Vermögens, die fehlende Kontrolle durch Eigentümer und das Nichtvorhandensein von Gesellschaftern - sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse der Privatstiftung selbst - eine funktionsfähige Organisation und deren effiziente Kontrolle, um die Gefahr von Missbrauch oder Schädigung hintanzuhalten und die Erfüllung des Stifterwillens zu gewährleisten.

Im hier zu beurteilenden Fall haben die seit Entstehen der Privatstiftung tätigen Vorstandsmitglieder - unter ausdrücklichem Bezug darauf, dass sie in Kenntnis der neuen Judikatur sind - erklärt, dass sie weder dem Personenkreis des § 15 Abs 2 und 3 PSG angehören noch in einem weisungsgebundenen Abhängigkeitsverhältnis zu den Begünstigten der Privatstiftung stehen. Wie ich schon in meinem Beitrag vom 14.03.2010 geschrieben habe, reicht diese Erklärung über das Nichtvorliegen von Unvereinbarkeiten aus, ohne dass sie näher bescheinigt oder begründet werden müsste. Es gibt also vor diesem Hintergrund keinen Anlass, den Vorstandsmitgliedern eine Inkompatibilität zu unterstellen. Insoweit liegt also auch kein Bestellungshindernis vor.

Unter Zugrundelegung der oben dargestellten Entscheidung des OLG Innsbruck besteht aber auch keine Grundlage für eine gerichtliche Bestellung der Vorstandsmitglieder. Die Regelung in Punkt Elftens lit c der Stiftungsurkunde ist nämlich zulässig, es stehen also einer Bestellung der Vorstandsmitglieder durch den Stiftungsbeirat (die Stifter) keine zwingenden gesetzlichen Bestimmungen entgegen, sodass es den in der Stiftungsurkunde vorgesehenen Organen obliegt, für die neuerliche Bestellung der Vorstandsmitglieder zu sorgen, zumal im Hinblick auf die fünfjährige Funktionsdauer auch keine Bedenken dahingehend gegeben sind, dass über die Bestelldauer unzulässiger Einfluss auf die Gebarung des Stiftungsvorstands ausgeübt werden könnte.