21. Mai 2010

Umwandlung einer GmbH in eine AG (§§ 245 ff AktG) trotz Unterbilanz

Im Kollegenkreis wurde das Problem einer Unterbilanz bei der Umwandlung einer GmbH in eine AG (§§ 245 ff AktG) diskutiert. Mir wurde dabei folgende Ausgangssituation geschildert:

Die GmbH hat nach Kapitalerhöhungen im Jahr 2010 ein Stammkapital von € 2.155.000,--. Im Zuge der Umwandlung in eine AG sollen 2.155.000 Stückaktien mit einem anteiligen Wert am Grundkapital von demnach € 1,-- ausgegeben werden.

Die Gesellschaft ist im Forschungsbereich tätig, die letzte Schlussbilanz (zugleich Umwandlungsbilanz) weist einen Bilanzverlust von € 3.617.739,58 aus, das Eigenkapital ist unter Berücksichtigung des Stammkapitals und der Kapitalrücklagen mit gerundet € 300.000,-- positiv, außerdem sind unter dem Eigenkapital Einlagen stiller Gesellschafter in Höhe von € 580.000,-- ausgewiesen.

Der vom Firmenbuchgericht bestellte Umwandlungsprüfer wird laut Darstellung meines Kollegen nicht bestätigen können, dass ein Nettoaktivvermögen von € 2.155.000,-- vorhanden ist.

Gemäß § 246 Abs 3 AktG ist für die umzuwandelnde Gesellschaft eine Schlussbilanz zu erstellen, für die die handelsrechtlichen Regelungen über die Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses sinngemäß gelten.
Durch den Verweis auf § 220 Abs 3 ist klargestellt, dass die Umwandlungsbilanz auf einen höchstens neun Monate vor der Anmeldung der Umwandlung zum Firmenbuch liegenden Stichtag aufzustellen ist.
Die Bilanz ist von den der Umwandlung zustimmenden Gesellschaftern zu erläutern (§ 247 Abs 2), unterliegt auf jeden Fall der Prüfung durch gerichtlich bestellte Prüfer (§ 247 Abs 3), ist der Anmeldung der Umwandlung anzuschließen (§ 248 Abs 2) und nach dem Wirksamwerden der Umwandlung gemäß § 251 zu veröffentlichen (Szep in Jabornegg/Strasser, AktG, Rz 10 f).

Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Umwandlung einer Kapitalgesellschaft von einer GmbH zu einer AG ist, dass die umzuwandelnde GmbH wenigstens ein Stammkapital in der Höhe des für Aktiengesellschaften vorgeschriebenen Mindestgrundkapitals (§ 7) hat. Das ist im konkreten Fall gegeben, zumal das Stammkapital der GmbH € 2,155.000,-- beträgt.
Szep aaO weist darauf hin, dass nicht abschließend geklärt sei, ob eine Unterbilanz umwandlungsschädlich ist. E. Lechner (FS Helbich 111) erachte es für ausreichend, wenn das Grundkapital der künftigen AG im vorhandenen Vermögen einschließlich der stillen Reserven gedeckt ist. Nach Schlegelberger/Quassowski § 271 Rz 1 hindere dagegen die Unterbilanz die Umwandlung grundsätzlich nicht. Dies werde auch von der dhM zu § 378 dAktG aF vertreten (K. Schmidt, AG 1985, 150 ff; Priester, AG 1986, 29 ff; Semler/Grunewald in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff § 376 Rz 36; Zöllner in KölnerKomm1 § 376 Rz 45; dagegen mit beachtenswerten Gründen Noelle, AG 1990, 475 ff; Godin/Wilhelmi, AktG 3 § 369 Anm 13; zum Meinungsstand auf Grund der neuen Regelung des § 245 iVm § 220 Abs 1 dUmwG vgl Happ in Lutter, UmwG 2 § 245 Rz 13).

Szep kommt zum Schluss, dass auf Grund des allgemeinen Verbots der unter-pari-Emission eine Umwandlung nur dann zulässig ist, wenn das Grundkapital und die gebundenen Rücklagen durch den Wert des Nettoaktivvermögens gedeckt sind (§ 225j Abs 2 analog).

Im Gegensatz dazu führt Zollner folgende Aspekte ins Treffen:
Die sinngemäße Anwendung der aktienrechtlichen Gründungsvorschriften in § 247 AktG lasse einerseits den Schluss zu, den Rechtsformwechsel als Neugründung zu verstehen, für welche Aktiengründungsrecht gelte. Wolle man dies tun, ergebe sich jedoch ein Widerspruch mit dem die formwandelnde Umwandlung prägenden Identitätsprinzip. Andererseits könne der Verweis auch so verstanden werden, dass die historische Gründung der GmbH anhand aktienrechtlicher Maßstäbe zu prüfen sei. Er kommt zu dem Schluss, dass die Absicht des Gesetzgebers, durch den Verweis auf das Aktiengründungsrecht Umgehungen desselben durch eine Umwandlung zu vermeiden und das Identitätsprinzip des Rechtsformwechsels grundsätzlich dafür sprechen, auf die Gründung der GmbH abzustellen. Dabei sei den Besonderheiten der jeweils bezogenen Vorschrift sowie der zwischen Umwandlung und Gründung der GmbH liegenden Zeitspanne ausreichend Rechnung zu tragen.

Zollner weist denn auch darauf hin, dass das Verständnis der Verweisungsnorm sowohl für den Zeitpunkt, auf welchen sich die Prüfung der Sacheinlagen zu beziehen hat als auch für die Beantwortung der Frage, ob eine Unterbilanz oder negatives Eigenkapital die formwandelnde Umwandlung unzulässig mache, von Bedeutung sei.
Das führt ihn zur Schlussfolgerung, dass eine Unterbilanz den Rechtsformwechsel nicht unzulässig mache, die Gefahr der Umgehung der aktienrechtlichen Gründungsnormen bestehe nämlich nicht, die Unterbilanz als eine „Unerfreulichkeit“ des Kapitalgesellschaftsrechts werde lediglich in einer anderen Rechtsform fortgesetzt (Zollner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 247 Rz 8, 10 und 11 mit den schon bei Szep dargestellten Verweisen auf die hM in Deutschland).

Verstehe man hingegen den Vorgang des Rechtsformwechsel als „Sacheinlage im weitesten Sinn“, würde die Existenz einer Unterbilanz die Umwandlung unzulässig machen, da prüfen wäre, ob der Wert der Sacheinlage den Ausgabebetrag der Aktien erreicht, bei negativem Ausgang dieser Prüfung hätte das Firmenbuchgericht die Eintragung abzulehnen. Dies hätte dann aber auch für den Rechtsformwechsel einer Aktiengesellschaft in eine GmbH zu gelten, sodass auch in dieser Variante bei negativem Eigenkapital der Rechtsformwechsel unzulässig wäre (Zollner aaO, Rz 12).

Meine Überlegungen dazu:

§ 247 AktG verlangt eine Umwandlungsprüfung. In diesem Zusammenhang verweist Szep aaO, § 247 Rz 8, auf Auslegungsprobleme, die der Verweis auf § 26 Abs 1 Z 2 schaffe, wonach sich die Prüfung auch darauf zu erstrecken habe, ob der Wert der Sacheinlagen oder Sachübernahmen den Ausgabebetrag der dafür zu gewährenden Aktien oder den Wert der dafür zu gewährenden Leistungen erreiche. Da in erster Linie die Verhältnisse im Zeitpunkt der Umwandlung von Relevanz seien, sei der Verweis so zu verstehen, dass zu prüfen sei, ob Grundkapital und gebundene Rücklagen im Nettoaktivvermögen Deckung finden (siehe Rz 2; ähnlich E. Lechner, FS Helbich 110 ff, der auf den Umwandlungszeitpunkt abstellen möchte; vgl auch Fries 205).

Stellt man auf die Überlegungen von Zollner ab, kommt es wiederum auf diese Verhältnisse zum Zeitpunkt der Umwandlung nicht an, da eine solche Prüfung nur dann stattzufinden habe, wenn diese Vorgänge zum Umwandlungszeitpunkt noch von Bedeutung sind, weil nur in diesem Fall die Gefahr der Umgehung aktienrechtlichen Gründungsvorschriften bestehe. Wenn das Wertverhältnis zu prüfen sei, sei nicht der Zeitpunkt der Umwandlung, sondern jener der Gründung der GmbH maßgeblich.
Der Prüfungsumfang für den gerichtlich bestellten Umwandlungsprüfer entspreche jenem von Vorstand und Aufsichtsrat, darüber hinaus habe dieser noch zu prüfen, ob die Umwandlungsbilanz den gesetzlichen Voraussetzungen entspreche.
Schließlich finde aufgrund des Verweises auf § 31 AktG auch eine Prüfung durch das Firmenbuchgericht statt, welches auch die Bewertungen von Sacheinlagen und Sachübernahmen zu prüfen hat, wobei maßgeblich wiederum das Wertverhältnis zum Zeitpunkt der Gründung der GmbH und nicht des Rechtsformwechsel ist (Zollner aaO Rz 18, 20, 21 und 22).

Aus diesem unterschiedlichen Meinungsstand lässt sich ableiten, dass jedenfalls dann kein Problem besteht, wenn zum Zeitpunkt der Umwandlung so viel Vermögen (zu Verkehrs-werten) vorhanden ist, dass das Grundkapital zzgl. gebundener Rücklagen der durch form-wechselnde Umwandlung entstehenden AG gedeckt ist. Eine Unterbilanz ist also jedenfalls unschädlich, falls die Umwandlungsprüfung (der „Gründer“ iSd § 247 Abs 1, des Vorstands/ARs der künftigen AG, des gerichtlich bestellten Umwandlungsprüfers und des Firmenbuchgerichts) ergibt, dass das gesamte Nennkapital samt gebundenen Rücklagen gedeckt ist, womit insoweit stille Reserven im Rahmen der Umwandlungsprüfung „aufgedeckt“ werden können.

Sollte das nicht der Fall sein, verbleibt es bei der Beurteilung des zuständigen Firmenbuchgerichts, inwieweit ein solcher Fall zum Anlass genommen wird, eine Befassung des OGH mit dieser Frage herbeizuführen, was denknotwendigerweise die Ablehnung des diesbezüglichen Eintragungsbegehrens voraussetzt.

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