13. Januar 2012

Veräußerung des Klientenstocks eines Steuerberatungsunternehmens bewirkt Unternehmensübergang gemäß § 38 UGB

Die Komplementärin und beide Kommanditisten einer Steuerberatungs GmbH & Co. KG melden die Übernahme des nicht protokollierten Einzelunternehmens der Mag. U** U**, Steuerberaterin in I**, sowie deren Eintragung als weitere Kommanditistin zum Firmenbuch an. Die Übertragung dieses nicht protokollierten Steuerberatungsunternehmens erfolgte auf Grundlage eines Kaufvertrages, wobei der Kaufgegenstand in Punkt II dieses Vertrages wie folgt umschrieben wird:

Gegenstand dieses Kaufvertrages sind der gesamte Klientenstock des von der Verkäuferin geführten Betriebes einer Kanzlei für Steuerberatung sowie die in einer Anlage näher beschriebenen Wertpapiere. Sonstige Aktiva und die gesamten Passiva des von der Verkäuferin geführten Betriebes bilden keinen Gegenstand dieses Kaufvertrages.

Im Kaufvertrag wird darüber hinaus ein Haftungsausschluss gemäß § 38 Abs 4 UGB vereinbart, der ebenfalls zur Eintragung angemeldet wird.

In einer Zwischenerledigung formulierte ich bezüglich dieser angemeldeten Tatsachen folgende Bedenken:

Beide Eintragungen setzen einen Unternehmensübergang voraus. Gemäß Punkt II ist Gegenstand des Vertrages allerdings (nur) der gesamte Klientenstock des von der Verkäuferin geführten Betriebes einer Kanzlei für Steuerberatung sowie ein einzelnes Wertpapier mit einem Kurswert von € …..
"Unternehmen" gemäß § 1 Abs 2 UGB ist jede auf Dauer angelegte Organisation selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. In gewisser Weise muss demnach die übertragene Einheit eine Organisationsstruktur aufweisen, die den bisherigen Umfang der unternehmerischen Tätigkeit widerspiegelt. Schon aus der Vertragsgestaltung ergibt sich, dass dies im vorliegenden Fall nicht gegeben sein dürfte, zumal der Klientenstock als Teil des von der Verkäuferin geführten Betriebes beschrieben und ausdrücklich vereinbart wird, dass sonstige Aktiva und die gesamten Passiva des Betriebes der Verkäuferin keinen Gegenstand des Kaufvertrages bilden.
Es ist somit davon auszugehen, dass wesentliche Teile des nicht protokollierten Unternehmens nach wie vor vorhanden sind, und es insoweit also zu keiner Unternehmensübertragung gekommen ist, womit die beantragten Tatsachen auch nicht eingetragen werden können.

In Reaktion auf diesen Vorhalt verwies nun der Vertreter der Antragsteller auf die Entscheidung des OGH zu 6 Ob 2110/96d und hielt den Antrag aufrecht.
Die im Verbesserungsauftrag angeführten Bedenken sind aufgrund folgender Überlegungen hinfällig, sodass der Eintragung der beantragten Tatsachen keine Hindernisse entgegenstehen:

Die Rechtsfolgen des § 38 treten auch ein, wenn nicht sämtliche Teile des vom Veräußerer betriebenen Unternehmens übertragen werden, sehr wohl aber der wesentliche Unternehmenskern vom Erwerber übernommen und fortgeführt wird (Schuhmacher in Straube³, HGB § 25 Rz 7). Entscheidend ist, dass die Unternehmensidentität erhalten bleibt, weil diese nämlich wichtige Voraussetzung dafür ist, dass das Unternehmen fortgeführt wird und nicht aus erworbenen Elementen des Unternehmens des Veräußerers ein im Wesentlichen anderes entsteht. Dabei ist regelmäßig die Auffassung der jeweiligen Verkehrskreise entscheidend, ob eine Unternehmenskontinuität anzunehmen ist. Das setzt voraus, dass ein Unternehmen im Sinne einer selbstständigen organisatorischen Einheit Gegenstand der Übertragung sein muss. Die Übernahme und Weiterführung bisher unselbständiger Unternehmensteile stellen keinen Anwendungsfall des § 38 dar (Bydlinski in Krejci, RK UGB § 38 Rz 6).

Bei freien Berufen – wie Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder - ist in Rechnung zu stellen, dass dort der Geschäftserfolg in aller Regel entscheidend vom Vertrauen des Kunden (Klienten) zum Angehörigen des freien Berufes abhängt; zu den wesentlichen Grundlagen eines Steuerberatungsunternehmens gehört der Klientenstock. Wird ein solcher Klientenstock entgeltlich übertragen, liegt ein Unternehmerwechsel vor. Schon in der Entscheidung 91/13/0152 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass der Erwerb eines Klientenstockes durch einen Wirtschaftstreuhänder von einem Berufskollegen die Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen des Wirtschaftstreuhänderunternehmens darstellt. Es mag zwar zutreffen, dass für die Fortführung einer erworbenen Wirtschaftstreuhänderkanzlei auch eine entsprechende personelle und materielle Ausstattung erforderlich ist, allerdings kommt bei rechtsberatenden Berufen auch eine Berufsausübung ohne Hilfspersonal und ohne ins Gewicht fallende sachliche Hilfsmittel in Betracht. Der Verwaltungsgerichtshof ist in allen seinen die Veräußerung eines Klientenstockes eines Wirtschaftstreuhänders betreffenden Entscheidungen aufgrund seiner wirtschaftlichen Betrachtungsweise (maßgebliche Grundlage des Betriebes) davon ausgegangen, dass eine solche Veräußerung die Veräußerung des Gesamtbetriebes darstellt und ist von seiner Judikatur zum Erfordernis eines aus der Sicht des Veräußerers organisatorisch in sich geschlossenen, nach außen erkennbaren, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteten Teiles eines Gesamtbetriebes für das Vorliegen eines Teilbetriebes auch nicht bei Veräußerung des gesamten Klientenstockes eines Wirtschaftstreuhänders abgegangen. Er hat vielmehr erkennen lassen, dass in einem solchen Fall kein "Restbetrieb" mehr anzunehmen ist (OGH 6 Ob 2110/96d).