30. Oktober 2009

Gesellschafterausschluss nach dem GesAusG ohne Barabfindung

In der Hauptversammlung der S** Bergbahnen AG vom 27.08.2009 waren 92,57% des Grundkapitals vertreten, das zur Gänze dem Hauptaktionär Erich R** zuzurechnen war (ein geringer Teil wurde für ihn treuhändig gehalten, der Treuhänder war ebenfalls anwesend). Die beiden anwesenden Aktionäre fassten folgenden Beschluss:

Die Minderheitsaktionäre der Aktiengesellschaft werden gemäß §§ 1 ff GesAusG aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Nennbetragsaktien der Minderheitsaktionäre werden auf den Hauptaktionär Erich R** übertragen. Eine Barabfindung an die Minderheitsaktionäre für deren Nennbetragsaktien ist keine zu leisten ist, da die Nennbetragsaktien und das Unternehmen der S** Bergbahnen AG laut Unternehmensbewertungsgutachten keinen Verkehrswert haben.

Die Einberufung zu dieser Hauptversammlung erfolgte fristgerecht durch Einschaltung der Tagesordnung im Amtsblatt der Wiener Zeitung; darin wurde die Beschlussfassung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre und die Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär angekündigt und alle Aktionäre darauf hingewiesen, dass die Unterlagen gemäß § 3 Abs 5 GesAusG in den Geschäftsräumen am Sitz der Aktiengesellschaft zur Einsichtnahme durch die Aktionäre aufliegen.

Der Hinweis gemäß § 3 Abs 4 GesAusG wurde mit folgendem Wortlaut veröffentlicht:

Die Aktionäre der S** Bergbahnen AG werden auf Verlangen des Erich R** als Hauptaktionär am 27.08.2009 voraussichtlich einen Hauptversammlungsbeschluss über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre und die Übertragung der Nennbetragsaktien der Minderheitsaktionäre auf Erich R** als deren Hauptaktionär fassen.
Gemäß § 3 Abs 5 GesAusG sind mindestens während eines Monats vor dem Tag der Beschlussfassung der Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre folgende Unterlagen aufzulegen:

  1. Entwurf des Beschlussantrages über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre
  2. gemeinsamer Bericht des Vorstands und des Hauptaktionärs gemäß § 3 Abs 1 GesAusG
  3. Prüfungsbericht des gerichtlich bestellten Prüfers gemäß § 3 Abs 2 GesAusG
  4. Bericht des Aufsichtsrats gemäß § 3 Abs 3 GesAusG
  5. Unternehmensbewertungsgutachten
  6. Jahresabschlüsse und Lageberichte für die letzten drei Geschäftsjahre
  7. Jeder Aktionär hat gemäß § 3 Abs 5 GesAusG ein Recht auf Einsicht in die oben bezeichneten Unterlagen; gemäß § 3 Abs 6 GesAusG wird jedem Aktionär auf Verlangen unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der oben bezeichneten Unterlagen erteilt.

In der Hauptversammlung lagen diese Unterlagen zur Einsicht der Aktionäre auf. Der Vorstand und der Hauptaktionär erläuterten das Unternehmensbewertungsgutachten und den Bericht des Aufsichtsrats, der gerichtlich bestellte Prüfer erläuterte das Ergebnis seiner sachverständigen Prüfung.

Sodann wurde der gemeinsame Bericht des Vorstands und des Hauptaktionärs verlesen, der folgenden wesentlichen Inhalt aufweist:

  1. Der Hauptaktionär hat schriftlich den Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft gemäß §§ 1 ff GesAusG verlangt. Gemäß § 3 Abs 1 erstatten der Vorstand und der Hauptaktionär folgenden gemeinsamen Bericht. Dieser Bericht basiert auf dem vom Vorstand erstellten Entwurf eines Beschlussantrags über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre und auf dem Unternehmensbewertungsgutachten der T** GmbH.
  2. Erich R** hält derzeit 72.242 Nennbetragsaktien und somit 92,57% des Grundkapitals. Ihm wird daher zum Zeitpunkt der Beschlussfassung mehr als 90% des Grundkapitals gehören. Die Minderheitsaktionäre werden zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über ihren Ausschluss zusammen insgesamt 7,43% des Grundkapitals halten. Die Voraussetzungen für den Ausschluss der Minderheitsaktionäre liegen daher vor.
  3. Die Minderheitsaktionäre - und zwar auch jene, die für den Ausschluss der Minderheitsaktionäre stimmen werden - erhalten für die Übertragung ihrer Nennbetragsaktien auf den Hauptaktionär unter Bedachtnahme auf das Unternehmensbewertungsgutachten keine Barabfindung. Der nach dem oberwähnten Gutachten ermittelte Wert des Unternehmens der AG beträgt € 0,--. Anlässlich der Unternehmensbewertung sind keine besonderen Schwierigkeiten im Sinne des § 3 Abs 2 GesAusG aufgetreten.
  4. Mit der Eintragung des Beschlusses auf Ausschluss der Minderheitsaktionäre in das Firmenbuch gehen alle Nennbetragsaktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär, der den Ausschluss verlangt hat, über. Die Minderheitsaktionäre verlieren mit der Eintragung des Beschlusses auf Ausschluss der Minderheitsaktionäre ihre Stellung als Aktionäre der S** Bergbahnen AG. Die von den ausgeschlossenen Minderheitsaktionären gehaltenen Nennbetragsaktien verbriefen ab der Eintragung in das Firmenbuch nur den Anspruch auf Barabfindung. Mangels positivem Unternehmenswert wird jedoch keine Barabfindung an die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre geleistet.
  5. Da im vorliegenden Fall mangels eines positiven Verkehrswertes keine Barabfindung an die Minderheitsaktionäre zu leisten ist, entfällt die Bestellung eines Treuhänders gemäß § 2 GesAusG und sind in diesem Zusammenhang auch keine sonstigen Maßnahmen im Sinne des § 2 Abs 3 GesAusG zu treffen.
  6. Jeder Minderheitsaktionär hat grundsätzlich als Ausgleich für sein Ausscheiden einen Anspruch auf angemessene Barabfindung gemäß § 2 GesAusG, selbst wenn er in jener Hauptversammlung …, die über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließt, für den Ausschluss stimmt.
  7. Jeder Minderheitsaktionär kann …, auch wenn er dem Beschluss auf Ausschluss… zustimmt, bei jenem Gericht, in dessen Sprengel die … AG ihren Sitz hat, innerhalb einer Frist von einem Monat nach dem Tag, an dem die Eintragung des Beschlusses auf Ausschluss der Minderheitsaktionäre gemäß § 10 UGB als bekannt gemacht gilt, gemäß § 6 GesAusG einen Antrag auf Überprüfung des Barabfindungsangebots stellen.

In der Hauptversammlung wurde ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die Richtigkeit dieses gemeinsamen Berichtes und die Plausibilität des Entfalls der Barabfindung von einem sachverständigen Prüfer gemäß § 3 Abs 2 GesAusG geprüft worden seien.

Der Prüfbericht des gemäß § 3 Abs 2 GesAusG gerichtlich bestellten Prüfers fasst das Ergebnis wie folgt zusammen:

  1. Die Richtigkeit des gemeinsamen Berichts von Vorstand und Hauptgesellschafter gemäß § 3 Abs 1 GesAusG wird bestätigt.
  2. Das Unterbleiben einer Barabfindung ist angemessen.
  3. Bei der Bewertung sind keine besonderen Schwierigkeiten aufgetreten.
  4. Die Anwendung der Ertragswertmethode zur Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes ist angemessen und führt zum gleichen Ergebnis wie die Anwendung der Preisvergleichsmethode.

Der Vorstand unterrichtete die Aktionäre sodann weiter darüber, dass eine wesentliche Veränderung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft sowie der Pläne des Hauptgesellschafters, insbesondere eine solche, die eine andere Barabfindung rechtfertigen würden, zwischen der Erstattung des gemeinsamen Berichtes und der heutigen Hauptversammlung nicht eingetreten sei.

Vor der Beschlussfassung wurde nochmals auf den gemeinsamen Bericht des Vorstands und des Hauptaktionärs, den Bericht des sachverständigen Prüfers und den Bericht des Aufsichtsrats verwiesen und noch einmal festgehalten, dass gemäß dem Unternehmensbewertungsgutachten der Wert des Unternehmens der AG € 0,-- betrage, sodass mangels positivem Unternehmenswertes keine Barabfindung an die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre geleistet werde.

Der eingangs wiedergegebene Beschluss wurde daraufhin einstimmig - mit ausdrücklicher Zustimmung des Hauptaktionärs - gefasst.

Der Vorstand der Aktiengesellschaft meldete nunmehr - unter Vorlage aller erforderlichen und bereits genannten Unterlagen - diesen Ausschluss der Minderheitsaktionäre zur Eintragung in das Firmenbuch an und gleichzeitig die Eintragung des bisherigen Hauptaktionärs als nunmehrigem Alleinaktionär.

In einer gesonderten Erklärung gibt der Vorstand der Aktiengesellschaft bekannt, dass eine Klage auf Anfechtung oder Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung nicht erhoben wurde (§ 5 Abs 2 GesAusG).

Aus dem oben geschilderten Sachverhalt ergibt sich, dass seitens der Gesellschaft bzw. der handelnden Personen alle Vorgaben, die sich aus dem GesAusG ergeben, eingehalten wurden. Fraglich bleibt lediglich, ob ein Gesellschafterausschluss ohne Leistung einer Barabfindung an die ausscheidenden Minderheitsgesellschafter – insbesondere dann, wenn das Unternehmen keinen positiven Verkehrswert hat - zulässig ist.

Gemäß § 2 Abs 1 GesAusG hat der Hauptgesellschafter eine angemessene Barabfindung zu gewähren.

Die Gesetzesmaterialien halten dazu Folgendes fest:
"Abs. 1 legt erstens fest, dass eine Barabfindung zu gewähren ist; Wertpapiere können höchstens alternativ angeboten werden. Weiters muss die Barabfindung angemessen sein … Unter welchen Voraussetzungen die Barabfindung angemessen ist, welche Bewertungsmethoden anzuwenden sind und ob die Transaktions- bzw. Synergiegewinne bei der Festlegung der Abfindung zu berücksichtigen sind, soll wie bisher der Rechtsprechung überlassen werden; das gilt auch für die Frage, ob Börsenkurse zu berücksichtigen sind. Aus § 7 ergibt sich aber, dass am Markt erzielten Preisen eine besondere Bedeutung auch im Rahmen des Gesellschafterausschlusses zukommt. Schließlich stellt Abs. 1 klar, dass die Barabfindung vom Hauptgesellschafter zu zahlen ist."

Ruhm meint, dass die Höhe und Bemessung der Barabfindung weiterhin der Rechtsprechung überlassen sein werde. Es werde jedenfalls der Unternehmenswert (wohl meist der Ertragswert) zu berücksichtigen sein; bei börsennotierten Unternehmen werde der Börsekurs ein Indiz für die angemessene Barabfindung darstellen. Der wesentlichste Kritikpunkt sei aus seiner Sicht, dass die Festsetzung der angemessenen Barabfindung weiterhin der Rsp vorbehalten bleibe und weder Gesetz noch EBRV Anhaltspunkte für die Bemessung der Barabfindung und entsprechender Bewertungsmethoden bieten würden. Es werde daher dem Hauptgesellschafter möglich sein, die Bewertungsmethode "frei" zu wählen; die bloß nachprüfende richterliche Kontrolle könne dem Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre nicht genügen. Eine Beschlussanfechtung sollte daher jedenfalls auch auf die Angemessenheit der Barabfindung gestützt werden können (Ruhm, ecolex 2006, 293).

Winner weist darauf hin, dass andere Staaten die Bewertung des Unternehmens als Basis für die Abfindung ablehnen und in weitaus größerem Maße auf den Markt vertrauen. So sei nach s 979 englischer Companies Act 2006 der Ausschluss der Minderheitsgesellschafter nur zulässig, wenn mehr als 90 Prozent der Adressaten eines Angebots, das auf den Kauf der Anteile gerichtet ist, dieses auch angenommen haben. Der Squeeze-out sei daher überhaupt nur nach einer vorangehenden Markttransaktion möglich. Der Preis dieses Angebots sei nach dem Companies Act 2006 grundsätzlich auch für den Squeeze-out angemessen. Das englische Recht greife somit nicht auf die Bewertung zurück (Winner, Wert und Preis im neuen Recht des Squeeze-out, JBl 2007, 434).

Kalss führt aus, dass Herzstück des Gesellschafterausschlusses die angemessene Barabfindung sei, die der Hauptgesellschafter den Minderheitsgesellschaftern zu gewähren habe. Die Abfindung sei jedenfalls in bar und nicht in sonstigen liquiden Papieren festzulegen. Die Barabfindung sei ziffernmäßig festzulegen. Das Gesetz spreche nur von der Gewährung einer angemessenen Barabfindung, worunter die volle Entschädigung für den Verlust der Mitgliedschaft zu verstehen sei, sodass im Regelfall der Ertragswert zu bestimmen sei. Gehe man davon aus, dass der Zweck des Gesellschafterausschlusses in der Strukturbereinigung und in der Kostenersparnis aufgrund Vereinfachungen der Gesellschafterzusammensetzung liege, zeige sich, dass dieses Einsparungspotenzial nur durch ein Zusammenwirken des Hauptgesellschafters und der Minderheitsgesellschafter möglich sei. Das Ausscheiden bilde eine maßgebliche Komponente dieser Strukturmaßnahme. Erkenne man dieses notwendige Zusammenwirken, so sei es auch plausibel, dass die Gesellschafter, die an der Kostensenkung mitwirken, auch an diesem Vorteil partizipieren. Daher seien mögliche Synergieeffekte aus dieser Maßnahme aufzuteilen, nämlich insofern, als sie zur Hälfte dem Hauptgesellschafter, zur Hälfte der Kapitalgesellschaft zukommen und den einzelnen Gesellschaftern der Kapitalgesellschaft anteilig je nach Höhe der Beteiligung zugeteilt werden (Kalss in RWZ 2006, 168 f).

Es findet sich somit keine explizite Stellungnahme dazu, inwieweit die Höhe der Barabfindung NULL sein kann. Offenkundig geht der Gesetzgeber (siehe dazu die oben wiedergegebenen Materialien) aber davon aus, dass ein Gesellschafterausschluss nur dann möglich sein soll, wenn der Hauptgesellschafter zumindest einen symbolischen Betrag als Barabfindung gewährt, selbst wenn nach allen Methoden der Unternehmensbewertung der Unternehmenswert null bzw. negativ sein sollte. Diese Schlussfolgerung ergibt sich nicht nur aus den Materialien, sondern schon aus dem Gesetzeswortlaut, wonach der Hauptgesellschafter eine angemessene Barabfindung zu gewähren hat (§ 2 Abs 1 S 1 GesAusG). Daraus folgt zwingend, dass eine Barabfindung von € 0,-- keine Barabfindung ist und somit die Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit eines Gesellschafterausschlusses nicht verwirklicht ist.

Dieser Gedanke korrespondiert durchaus auch mit der Tatsache, dass in anderen Ländern der Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern überhaupt davon abhängig gemacht wird, dass eine Markttransaktion stattgefunden hat. Anhaltspunkte dafür, dass auch im konkreten Fall eine Preisuntergrenze zu berücksichtigen gewesen wäre, finden sich im Prüfbericht des gemäß § 3 Abs 2 GesAusG bestellten Prüfers, der festhält, das von Juni bis November 2007 nachweislich 11 Anteilseigner ihre gesamten Anteile mit einem Nominalwert von bis zu € 880.000 und zum Teil unter Verzicht auf die Rückforderung zusätzlich geleisteter Zahlungen um den symbolischen Kaufpreis von € 1,-- abgetreten haben. Auch wenn sich daraus - bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise - tatsächlich ergibt, dass am Markt keine Käufer für diese Gesellschaftsanteile zu finden sein werden, rechtfertigt dies allein nicht, vom Angebot einer Barabfindung zur Gänze abzusehen, zumal der Hauptaktionär selbst schon einmal symbolische Kaufpreise bezahlt hat.

Die Notwendigkeit der Gewährung einer Barabfindung zeigt sich auch daran, dass § 6 Abs 2 GesAusG für die Überprüfung der Barabfindung durch die ausgeschlossenen Gesellschafter auf die sinngemäße Anwendung der einschlägigen Bestimmungen in §§ 225c – 225m AktG verweist. Die nachträgliche Überprüfung einer Barabfindung setzt aber voraus, dass eine solche überhaupt gewährt wird. Eine nicht gewährte Barabfindung kann nämlich nicht auf deren Angemessenheit überprüft werden.

Somit bleibt zuletzt noch zu beurteilen, inwieweit nicht die unterbliebene Beschlussanfechtung durch die Minderheitsaktionäre sämtliche Überlegungen überflüssig macht und daher allein aufgrund dieser Tatsache ohne weitere Überprüfung der Gesellschafterausschluss einzutragen wäre. Der Anfechtungsausschluss des § 6 Abs 1 GesAusG käme in dieser Konstellation ja nicht zur Geltung, weil danach als Anfechtungsgrund lediglich die Geltendmachung der nicht angemessenen Festlegung der Barabfindung ausgeschlossen wird, nicht aber die Tatsache, dass die Festlegung einer Barabfindung überhaupt unterlassen wurde.

Dieses Argument greift aber schon deshalb nicht, weil - ungeachtet der nicht erfolgten Anfechtung - die Beschlussfassung im Hinblick auf die unterlassene Festsetzung einer Barabfindung nichtig ist und diese Nichtigkeit den wirksamen Übergang der Anteile hindert (Duursma et al., Gesellschaftsrecht, RZ 4667). Diese Nichtigkeit ist im Rahmen der materiellen Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichtes im Eintragungsverfahren aufzugreifen.

20. Oktober 2009

Firmenbuchgerichtliche Zuständigkeit für die Bestellung eines Zustellkurators

Mit einem am 14.10.2009 eingelangten Antrag begehrt die A** Handels GmbH die Bestellung eines Zustellkurators und bringt dazu Folgendes vor:
Gesellschafter seien DI Frank B** und R** G** mit einer jeweils zur Gänze geleisteten Stammeinlage von € 19.500,--; Frank B** sei (und ist) gleichzeitig allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der Gesellschaft.
In der Generalversammlung vom 8.10.2003 sei der Gesellschafter G** gemäß Punkt XV des Gesellschaftsvertrages als Gesellschafter aus der GmbH ausgeschlossen worden. Zu dieser Generalversammlung sei er trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Der Aufenthaltsort des G** sei trotz ausreichender Nachforschungen seitens der Antragstellerin unbekannt.
Der Geschäftsführer der Antragstellerin beabsichtige, seine Geschäftsführungsbefugnis zurückzulegen, könne dies aber nicht vornehmen, weil eine Zustellung an den Gesellschafter G** hierfür notwendig sei.
Als Zustellkurator werde Mag. Sebastian R** vorgeschlagen, diesem würden dann der Gesellschafterausschluss und die Zurücklegung der Geschäftsführungsbefugnis zugestellt, damit die erforderlichen Durchführungen im Firmenbuch erfolgen könnten.

Vorauszuschicken ist, dass gegenüber dem Gesellschafter G** zwei Rechtshandlungen vorgenommen werden sollen: Zum Ersten soll ihm offenkundig der Generalversammlungsbeschluss über seinen Ausschluss als Gesellschafter durch die Gesellschaft zugestellt werden, zum Zweiten beabsichtigt der Gesellschafter-Geschäftsführer die Zurücklegung seiner Geschäftsführungsbefugnis, wobei er offenkundig davon ausgeht, dass er dies nur durch Übermittlung der Rücktrittserklärung an den Gesellschafter G** vornehmen kann.

Für beide „Zustellungen“ scheidet aber schon per definitionem die Bestellung eines Zustellkurators aus.

Gemäß § 116 ZPO hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen für Personen, an welche die Zustellung wegen Unbekanntheit des Aufenthaltes nur durch öffentliche Bekanntmachung geschehen könnte, einen Kurator zu bestellen, wenn diese Personen infolge der an sie zu bewirkenden Zustellung zur Wahrung ihrer Rechte eine Prozesshandlung vorzunehmen hätten und insbesondere, wenn das zuzustellende Schriftstück eine Ladung derselben enthält. Schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass die Bestellung eines Zustellkurators nur im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens in Betracht kommt. Sie ist nur möglich, wenn der Empfänger eine Prozesshandlung vorzunehmen hat oder vor Gericht geladen werden soll (EFSlg 90.884 und 90.885).

Weder das eine noch das andere ist im konkreten Fall verwirklicht. Die Gesellschaft bzw. der Geschäftsführer stehen vor der Situation, durch Zustellung von Erklärungen an den Gesellschafter unbekannten Aufenthalts zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche Wirkungen herbeizuführen, die – teilweise - die Rechtssphäre des genannten Gesellschafters betreffen. Ohne jetzt näher auszuführen, welche Varianten dem Geschäftsführer zur Erklärung des Rücktritts gemäß § 16a GmbHG noch offen stehen würden, handelt es sich weder bei der (beabsichtigten) Rücktrittserklärung noch bei der Übermittlung des Beschlusses der Generalversammlung über den Ausschluss als Gesellschafter um eine Prozesshandlung im Sinne des § 116 ZPO.

Ganz offenkundig liegt ein Abwesenheitsfall im Sinne des §§ 276 ABGB vor, für die Bestellung eines solchen Kurators ist das Firmenbuchgericht aber nicht zuständig, was zur Zurückweisung des Antrags führen musste.

19. Oktober 2009

Restvermögens- und Gründungsprüfung bei einer Abspaltung zur Neugründung (§ 3 Abs 4 SpaltG)

Im Firmenbuch ist die S** Immobilien GmbH eingetragen, deren Gesellschafter Peter M** (mit einer 75%-Beteiligung) und Otto R** (mit einer 25%-Beteiligung) sind.
Mit Generalversammlungsbeschluss vom 15.9.2009 haben die Gesellschafter einstimmig die Abspaltung von Kapitalanteilen und die Übertragung dieser Kapitalanteile auf die im Zuge der Spaltung neu gegründete L** Beteiligungs GmbH gemäß Spaltungsplan vom 6.8.2009 beschlossen.

Der Spaltungsplan wurde in Vorbereitung der Generalversammlung rechtzeitig beim Firmenbuchgericht eingereicht und ebenso rechtzeitig wurde die Veröffentlichung des Hinweises auf die Einreichung des Spaltungsplans im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veranlasst.

Über Antrag der abspaltenden Gesellschaft wurde im Vorfeld ein Wirtschaftsprüfer sowohl zum Gründungs- als auch zum Restvermögensprüfer gemäß § 3 Abs 4 SpaltG gerichtlich bestellt.

Nunmehr erfolgte die Anmeldung dieses Spaltungsvorganges, also der Antrag auf Eintragung der Abspaltung zur Neugründung durch Übertragung der Kapitalanteile bei der S** Immobilien GmbH verbunden mit dem Antrag auf Neueintragung der im Zuge der Spaltung gegründeten L** Beteiligungs GmbH.

Vorgelegt wurden das Generalversammlungsprotokoll samt Spaltungsplan, ein Prüfbericht des gerichtlich bestellten Prüfers, ein Prüfbericht des Geschäftsführers der neu gegründeten GmbH, der Gesellschaftsvertrag der neu gegründeten GmbH sowie der Beschluss über die Bestellung des Geschäftsführers samt der Musterzeichnungserklärung des Geschäftsführers.

Zu den im Zuge dieser Anmeldung vorgelegten Prüfberichten war im Rahmen einer Zwischenerledigung auf folgende Umstände aufmerksam zu machen:

Der eingereichte Prüfbericht des Geschäftsführers erschöpft sich im folgenden Aussagen:

Peter M** hat in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der S** Immobilien GmbH die Gründung der L** Beteiligungs GmbH im Wege der Abspaltung zur Neugründung geprüft und bestätigt hiemit, dass
  • die im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Angaben, insbesondere über Sacheinlagen und den von der Gesellschaft zu tragenden Gesamtgründungsaufwand vollständig und richtig sind;
  • der Wert der Sacheinlage den Nominalbetrag der dafür gewährten Geschäftsanteile erreicht;
  • die Feststellungen und Angaben im Bericht des Gründungsprüfers, insbesondere auch über die in den §§ 19 und 20 AktG vorgesehenen Festsetzungen, richtig und vollständig sind;
  • keinem Gesellschafter oder Dritten im Gründungsvorgang ein Sondervorteil gewährt wurde;
  • der tatsächliche Wert des verbleibenden Nettoaktivvermögens der S** Immobilien GmbH wenigstens der Höhe des Stammkapitals nach Durchführung der Spaltung entspricht;
  • bei der S** Immobilien GmbH keine gebundenen Rücklagen zu bilden sind.

Abgesehen davon, dass ein solcher Prüfbericht – gelinde gesagt - nur ansatzweise den Inhaltserfordernissen des § 26 AktG (mit den sich im Spaltungsrecht zu berücksichtigenden Besonderheiten) entspricht, war darüber hinaus Folgendes zu beanstanden:

1)

Der „Prüfbericht“ stammt vom Geschäftsführer der abspaltenden Gesellschaft, es handelt sich demnach um den gemäß § 3 Abs 4 SpaltG erforderlichen Restvermögensprüfbericht des Vertretungsorgans der übertragenden GmbH.
Neben der Restvermögensprüfung ist aber auch der Hergang der Gründung der neuen Gesellschaft einer Prüfung zu unterziehen, wobei § 3 Abs 4 auch bei der GmbH zur Gründungsprüfung verpflichtet, weil insofern die Ausnahmebestimmungen von § 6a GmbHG - die im konkreten Fall ohnehin nicht vorliegen würden - zurückgedrängt werden (Kalss, § 3 SpaltG Rz 11 u.a.). Dies bedeutet, dass jedenfalls im Anlassfall auch der Geschäftsführer der neu gegründeten Gesellschaft einen Gründungsprüfbericht zu erstatten hätte, dessen Inhalt sich wiederum nach § 26 AktG zu richten hat.

2)
Der gerichtlich bestellte Gründungs- und Restvermögensprüfer hat überhaupt nur eine - zudem unvollständige - Restvermögensprüfung der abspaltenden Gesellschaft vorgenommen und die Gründungsprüfung der neu errichteten Gesellschaft zur Gänze unterlassen (jedenfalls wurde ein solcher Prüfungsbericht nicht vorgelegt).
Demnach wurden die Antragsteller in der Zwischenerledigung auch zu einer Stellungnahme aufgefordert, wie der Geschäftsführer in seinem - oben wiedergegebenen - Prüfbericht bestätigen könne, dass die Feststellungen und Angaben im Bericht des Gründungsprüfers, insbesondere über die in § 19 und 20 AktG vorgesehenen Festsetzungen, richtig und vollständig seien, wenn ein solcher Bericht gar nicht vorliege.

3)
Unabhängig von diesen Aspekten wären die Prüfberichte aber schon deshalb mangelhaft, weil der Bericht des gerichtlich bestellten Prüfers zwingend auf den Prüfbericht des Geschäftsführers eingehen müsste, da sich der Prüfauftrag an den gerichtlich bestellten Prüfer auch auf den Inhalt des Prüfberichts des Geschäftsführers erstreckt. Wenn demnach der Geschäftsführer in seinem Bericht auf den Prüfbericht des (gerichtlich bestellten) Gründungsprüfers Bezug nimmt, ist die Prüfung dieses Prüfers ganz offenkundig zeitlich vorher erfolgt.