14. März 2010

Die Aufregung rund um 6 Ob 145/09f

Die jüngsten OGH-Entscheidungen zur Privatstiftung waren natürlich auch Gegenstand von Erörterungen im Rahmen des Firmenbuch-Seminars in Schwechat.

In 6 Ob 145/09f finden sich zunächst Ausführungen zur Rekurslegitimation von Organmitgliedern einer Privatstiftung („In Anbetracht des gesetzlichen Wirkungskreises des Vorstands ist diesem sohin jedenfalls Antrags- und Rekurslegitimation für Anträge nach § 27 Abs 1 und 2 PSG zuzubilligen“), die Entscheidung sorgte aber vor allem mit folgenden Rechtssätzen für „privatstiftungsrechtliche“ Aufregung:

1.
Durch die Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 15 Abs 2 und 3 PSG (ein Begünstigter, dessen Ehegatte sowie Personen, die mit dem Begünstigten in gerader Linie oder bis zum dritten Grad der Seitenlinie verwandt sind, können nicht Mitglieder des Stiftungsvorstands sein; erstreckt auf bestimmte Beteiligte und deren Ehegatten bzw Verwandte an juristischen Personen, die Begünstigte sind) sollen die Objektivität des Stiftungsvorstands bei der Vollziehung der Begünstigtenregelung gewahrt und Interessenskollisionen vermieden werden. Vorgebeugt werden soll vor allem kollidierenden Interessen der Begünstigten am Erhalt eines Geld- oder Sachbezugs einerseits und der Privatstiftung an der Verwirklichung des Stifterwillens andererseits. Die Wahrung der Objektivität des Stiftungsvorstands dient zusätzlich auch dem Schutz allfälliger Gläubiger und des sonstigen Rechtsverkehrs.

2.
Dass diese gesetzliche Regelung möglicherweise bei Familienstiftungen Probleme mit sich bringen kann, weil eine Person sich zwischen der Begünstigtenstellung und dem Stiftungsvorstandsmandat entscheiden muss, ändert am zwingenden Charakter dieser Bestimmungen nichts.

3.
Die angeführte ratio dieser Bestimmung erfordert, die Unvereinbarkeit auch auf Vertreter der Begünstigten zu erstrecken, könnte doch andernfalls die Regelung des § 15 Abs 2 und 3 PSG leicht umgangen werden. Dies gilt jedenfalls für ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis.

4.
Hingegen wäre eine frühere (abgeschlossene) Tätigkeit als Vertreter unschädlich, soweit nicht in besonderen Ausnahmefällen, etwa wegen des außergewöhnlichen Umfangs der Vertretung und des bezogenen Honorars der Anschein entstehen könnte, der betreffende Organwalter sei bei der Ausübung seines Amts als Mitglied des Stiftungsvorstands nicht mehr unvoreingenommen. In diesem Fall könnte das Gericht gemäß § 27 Abs 2 PSG das betreffende Organmitglied auch abberufen. Umgekehrt würden derartige Umstände naturgemäß der Bestellung der betreffenden Person zum Organmitglied durch das Gericht entgegenstehen.

5.
Es wäre auch ein wichtiger Grund, wenn die Rechtsanwaltspartnerschaft, der er als Partner angehört, in einem derartigen Vertretungsverhältnis stand oder steht. Das Ausmaß der Beteiligung spielt hierbei keine Rolle.

6.
Nach herrschender Ansicht sind wichtige Gründe im Sinne des § 27 Abs 2 PSG nämlich alle bedeutsamen Umstände, die die Belange der Gesellschaft bzw Privatstiftung gefährden oder ihr die Beibehaltung der aufrechten Bestellung des Organmitglieds unzumutbar machen.

7.
Dabei können auch Interessenkollisionen, die (noch) nicht den Grad einer Unvereinbarkeit erreichen, einen wichtigen Grund für die Abberufung eines Organmitglieds bilden, wenn dadurch die Verfolgung des Stiftungszwecks, insbesondere bei Vollziehung der vom Stifter vorgesehenen Begünstigtenregelung oder das sonstige ordnungsgemäße Funktionieren der internen Kontrollsysteme nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet ist.

8.
Im Rahmen der Entscheidung nach § 27 Abs 1 und 2 PSG ist letztlich immer auch eine Prognoseentscheidung vorzunehmen. Entscheidend ist, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in Zukunft gewährleistet ist. Dabei ist im Hinblick auf die bei der Privatstiftung fehlenden externen Kontrollmechanismen bei der Beurteilung, ob ein Abberufungsgrund vorliegt, kein all zu strenger Maßstab zugrunde zu legen. Vielmehr erfordert die „Verselbständigung" des Vermögens, die fehlende Kontrolle durch Eigentümer und das Nichtvorhandensein von Gesellschaftern - sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse der Privatstiftung selbst - eine funktionsfähige Organisation und deren effiziente Kontrolle, um die Gefahr von Missbrauch oder Schädigung hintanzuhalten und um die Erfüllung des Stifterwillens zu gewährleisten.


Susanne Kalss betonte in ihrem Vortrag („Aktuelle Judikatur zum Privatstiftungsrecht“) bei der Besprechung dieser Entscheidung, dass das PSG unterschiedliche Instrumente für unterschiedliche Situationen bereit stelle. Danach gebe es einerseits die Regelungen über die Inkompatibilität in § 15 Abs 2 und 3 PSG und andererseits die Bestimmungen zur Abberufung von Organmitgliedern aus wichtigem Grund in § 27 Abs 2 PSG.

Wenn daher § 15 Abs 2 PSG auch auf die Vollmachtsträger des in § 15 Abs 2 PSG genannten Personenkreises erstreckt werde, sei dies aus ihrer Sicht auf solche Mandate einzuschränken, die einen stiftungsbezogenen Kontext aufweisen (unschädlich müsste demnach etwa ein Mandat zur Vertretung eines Begünstigten in einer Verkehrsunfall-Causa sein).

Georg Kodek wies allerdings darauf hin, dass eine Schlussfolgerung in dieser Allgemeinheit nicht zulässig sei; er bezog sich auf jenen Teil der Entscheidungsbegründung, der sich mit möglichen Unvereinbarkeiten aufgrund erheblicher Honorarzahlungen in der Vergangenheit beschäftigt.

Kalss verwies auf den Regelungsrahmen des § 27 Abs 2 PSG, womit derartige Sachverhalte in erster Linie mit Blick auf „bloße“ Interessenkollisionen zu beurteilen wären. Eine Interessenkollision führe aber „nur“ zur möglichen Abberufung gemäß § 27 Abs 2 PSG, und zwar mit „ex nunc-Wirkung“, wogegen Fälle einer Inkompatibilität iSd § 15 Abs 2 PSG die Probleme der „ex tunc-Unwirksamkeit“ mit all ihren nicht abzusehenden Auswirkungen mit sich bringe.

Für den Großteil der Fälle könne wohl davon ausgegangen werden, dass eine Interessenkollision lediglich das Damoklesschwert der Abberufung durch das Gericht heraufbeschwöre, aber keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit von in der Vergangenheit gefassten Vorstandsbeschlüssen habe.

Ich nehme aus diesem Seminar und den zahlreichen Diskussionen im Kreis der Firmenbuchrichter und -rechtspfleger mit:

Ich unterstelle und gehe daher davon aus, dass der einschlägige Personenkreis, der als Vertreter eines Begünstigten tangiert ist, schon aufgrund standesrechtlicher Rahmenbedingungen verpflichtet ist, sein Amt als Stiftungsorgan niederzulegen, falls Unvereinbarkeiten im oben dargelegten Umfang vorliegen. Es ist ja regelmäßig so, dass das betroffene Organ der Privatstiftung selbst am besten weiß, wie es um seine Beeinflussung und Beeinflussbarkeit durch den von ihm vertretenen Begünstigten steht, sodass er/sie anhand des in der Entscheidung deutlich herausgearbeiteten Katalogs der potentiellen Inkompatibilitäten schon aus Eigeninteresse und zur Vermeidung von Haftungsfällen tätig werden muss.

Es ist und kann nicht Aufgabe des Firmenbuchgerichtes sein, von Amts wegen Erhebungen zum Vorliegen von Inkompatibilitäten oder Unvereinbarkeiten zu pflegen. Ich werde für meinen Zuständigkeitsbereich jedenfalls bei „bedenklichen Sachverhalten“ eine Erklärung der beteiligten Personen abverlangen, inwieweit sie im Hinblick auf bestehende Mandats- (oder auch sonstige Nahe- oder Vertrauensverhältnisse) vor dem Hintergrund der jüngsten Judikatur eine Handlungspflicht im Sinne des Zurücklegens oder der Nichtannahme einer Vorstandsfunktion sehen.

Ich werde mich aber auch mit deren Erklärung über das Nichtvorliegen von derartigen Inkompatibilitäten und Unvereinbarkeiten begnügen, ohne dass diese Aussage bzw. Feststellung näher bescheinigt oder begründet werden müsste. Es darf in der Diskussion ja nicht vergessen werden, dass in vielen Fallkonstellationen schon aus Datenschutz- und Geheimnispflichtgründen eine weitergehende Rede- und Erklärungspflicht nicht abverlangt werden darf. Die Eigenverantwortlichkeit der Organmitglieder wird also der entscheidende Maßstab und gleichzeitig die Grenze der diesbezüglichen Prüfpflicht des Firmenbuchgerichtes sein.

Ich spreche mit diesen Überlegungen natürlich nur für mich und nicht verallgemeinernd für die Firmenbuchpraxis; naturgemäß stehen die Schlussfolgerungen auch unter dem Vorbehalt der Entwicklung der weiteren Judikaturlinie, deren Richtung nicht mit Sicherheit abschätzbar ist.

12. März 2010

Seminar der FirmenbuchrichterInnen und -rechtspflegerInnen

Zwischen 10. und 12.03.2010 fand wieder das vom Präsidenten des OLG Wien veranstaltete Seminar der FirmenbuchrichterInnen und -rechtspflegerInnen Österreichs im Justizbildungszentrum Schwechat statt. Die Besetzung war hochkarätig, die für die Vorträge gewonnenen Referenten sprechen für sich:

Die GmbH-Reform
em. o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Krejci

Aktuelle Rechtsprechung des OGH zur Privatstiftung
Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss, LL.M. (Florenz)
Wirtschaftsuniversität Wien

Aktuelle Entwicklungen in der Judikatur zum Kapitalgesellschaftsrecht
Univ.-Prof. Dr. Friedrich Rüffler, LL.M.
Universität Klagenfurt

Aktuelle Umgründungsfragen
ao. Univ.-Prof. MMag. Dr. Klaus Hirschler
Wirtschaftsuniversität Wien

Aktuelle Rechtsprechung des OGH zum Firmenbuchverfahren
HR des OGH Univ.-Prof. Dr. Georg E. Kodek, LL.M. (NWUSL)
Wirtschaftsuniversität Wien

Sitzverlegung von Gesellschaften nach der Cartesio-Entscheidung
Dr. Georg Eckert
Wirtschaftsuniversität Wien

Das Aktienrechtsänderungsgesetz 2009
Ass.-Prof. MMag. Dr. Thomas Bachner, LL.M., Ph.D. (Cambridge)
Dr. Rupert Brix, Notar in Wien
Dr. Dietmar Dokalik, Richter

Ein Nachmittag widmete sich der Diskussion über aktuelle Probleme in der Praxis, die von HR des OGH Dr. Georg Nowotny moderiert wurde.

Die Erstellung des Vortragsprogramms und das Engagement der Referenten lag in den Händen von Dr. Richard Simsalik, (Firmenbuch)Richter in Krems.

Meine KollegInnen und ich konnten sich über ein sensationell gelungenes Seminar mit sehr vielen wertvollen Schlussfolgerungen für die Praxis freuen. Ich werde in den nächsten Tagen und Wochen (nach Maßgabe meiner zeitlichen Ressourcen) über einige Ergebnisse und Erörterungen aus diesem Seminar berichten.

9. März 2010

Prokuraerteilung bei Kreditgenossenschaften

Im Kollegenkreis wurde kürzlich die Frage diskutiert, ob Bestimmungen im BWG die Eintragung von Prokuristen bei Kreditgenossenschaften verbieten und derartige Anträge vom Firmenbuchgericht abzuweisen wären.

Bezug genommen wurde auf folgende Normen im BWG:

Unter „Begriffsbestimmungen“ definiert § 2 Z 1 BWG die Geschäftsleiter, wobei in lit b festgehalten wird, dass zur Vertretung der Kreditgenossenschaft – unbeschadet einer Prokura oder Handlungsvollmacht – ausschließlich die Geschäftsleiter befugt sind.

Mit der Zulässigkeit einer Prokuraerteilung bei Banken/Kreditinstituten befasst sich § 5 BWG. Demnach ist die Konzession u.a. zu erteilen, wenn das Kreditinstitut mindestens zwei Geschäftsleiter hat und in der Satzung die Einzelvertretungsmacht, eine Einzelprokura oder eine Einzelhandlungsvollmacht für den gesamten Geschäftsbetrieb ausgeschlossen und bei Kreditgenossenschaften die Führung der Geschäfte auf die Geschäftsleiter eingeschränkt ist (§ 5 Abs 1 Z 12 BWG).

Demnach ist die Erteilung von Gesamtprokura bei Kreditinstituten grundsätzlich zulässig; sondergesetzlich ausgeschlossen ist nur die Erteilung einer Einzelprokura.

Die Diskussion drehte sich um die Frage, ob aufgrund der Wortfolgen in § 2 Z 1 lit b und § 5 Abs 1 Z 12 bei Kreditgenossenschaften die Führung der Geschäfte „auf die Geschäftsleiter eingeschränkt“ sein muss und trotz der „unbeschadet-Bestimmung“ in § 2 Z 1 lit b keine (Gesamt)Prokura eingetragen werden darf.

In der Literatur hat Weigand in NZ 2003/23 zur firmenbuchrechtlichen Prüfungspflicht bei Anmeldungen von Bestellung und Abberufung von vertretungsberechtigten Personen in diesem Zusammenhang auf Folgendes hingewiesen:

"Im Übrigen wird durch diese Verkehrsschutzregelungen auch sonst die Wirksamkeit der Erteilung von selbständiger Art-, Einzelhandlungsvollmacht, Einzelprokura oder gar Generalvollmacht nicht berührt. Ist die Erteilung einer Einzelprokura sogar sondergesetzlich ausgeschlossen, wie zB durch § 5 Abs 1 Z 12 BWG und § 19 Abs 1 SpG, so ist darin lediglich eine Anforderung für eine gesetzeskonforme Satzungsgestaltung als Voraussetzung für die Konzessionserteilung zu sehen; die Wirksamkeit einer dennoch erteilten Einzelprokura bei einem Kreditinstitut oder bei einer Sparkasse wird dadurch nicht verhindert. Dafür fehlt es an einer ausdrücklichen Ausnahmebestimmung zum allgemeinen Verkehrsschutz des § 35 Abs 1 Z 5 GmbHG und § 74 Abs 2 AktG."

Zum Geltungsbereich des KWG ist eine Entscheidung des OLG Innsbruck im Jahr 1982 ergangen (5 R 396/81). Im seinerzeitigen § 4 Abs 3 KWG war geregelt, dass „zur Vertretung der Kreditgenossenschaft nur die Geschäftsleiter befugt“ sind (auch § 5 Abs 1 Z 4 KWG). Diese Regelung stimmt also mit § 2 Z 1 lit b und § 5 Abs 1 Z 12 BWG überein.

Dazu hält das OLG Innsbruck fest:

„Bei Kreditgenossenschaften ist auch seit dem Inkrafttreten des KWG weiterhin die Bestellung von Prokuristen möglich. Mit der gesetzlichen Regelung soll nämlich nur eine andere Vertretung auf der Ebene der Genossenschaftsorgane, aber keineswegs die vertragliche Bevollmächtigung, wozu auch die Prokura zählt, ausgeschlossen werden. Die Möglichkeit der Bestellung von Prokuristen wird im übrigen auch in § 5 KWG und in der Literatur vorausgesetzt (Eiselsberg, Kreditwesengesetz, Sparkassengesetz, Wertpapier-Emissionsgesetz 1979, 23; Kastner, Kreditwesengesetz und Gesellschaftsrecht, JBl 1980, 65 f).

Damit ist die Zulässigkeit der Gesamtprokura-Erteilung wohl unmissverständlich klargestellt, insbesondere macht damit auch die Wortfolge "unbeschadet einer Prokura oder Handlungsvollmacht“ Sinn. Die Möglichkeit der Erteilung von Vollmacht und damit auch von Prokura soll nämlich durch die genannten Gesetzesbestimmungen nicht eingeschränkt werden, also „unbeschadet“ bleiben.

Im Übrigen beschäftigte sich die genannte Entscheidung in erster Linie mit der Frage, wer Prokura bei Kreditgenossenschaften erteilen kann. Diesbezüglich wird ausgeführt, dass aufgrund des Grundsatzes der Unbeschränkbarkeit des gesetzlichen Umfangs der Prokura nur "Vollprokura“ erteilt werden könne, weshalb in den Satzungen von Kreditgenossenschaften die gemeinsame Bestellung des Prokuristen durch Vorstand und Geschäftsleiter vorgesehen werden müsse, da die Geschäftsleiter einer Kreditgenossenschaft nur in bankgeschäftlichen Angelegenheiten vertretungsberechtigt seien, daneben aber eine Vertretungsmacht für die Genossenschaft bestehe, die ausschließlich beim Vorstand verblieben sei und die also nur vom Vorstand dem Prokuristen übertragen werden könne.

Dies wird also nach wie vor bei entsprechenden Satzungsgestaltungen zu beachten sein.