19. März 2009

Aufgriffsrecht der Gesellschafter einer Untergesellschaft bei Anteilsverschiebungen in der Holdinggesellschaft

Folgende Änderung des Gesellschaftsvertrages einer GmbH wird von der Generalversammlung einstimmig beschlossen und zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet:

„Manfred F**, Ursula F**, Lorenz F** und Florian S** werden in der Folge als berechtigte Gesellschafter bezeichnet.

Jene Gesellschaften, auf die Geschäftsanteile an dieser Gesellschaft, in welcher Form auch immer, übertragen werden, werden in der Folge als Beteiligungsgesellschaften bezeichnet.

Die Gesellschafter sind berechtigt, ihre Geschäftsanteile an dieser Gesellschaft ganz oder teilweise auf Beteiligungsgesellschaften, in welcher Form auch immer, zu übertragen oder in Beteiligungsgesellschaften einzubringen, an denen nur berechtigte Gesellschafter beteiligt sind, und zwar unabhängig vom Ausmaß ihrer Beteiligung und unabhängig von ihrer Zusammensetzung. Die berechtigten Gesellschafter müssen ihre Beteiligung an diesen Beteiligungsgesellschaften unmittelbar halten ...

Die Abtretung von Geschäftsanteilen an Beteiligungsgesellschaften, an denen nur berechtigte Gesellschafter .... beteiligt sind, bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Genehmigung durch Gesellschafterbeschluss. Dies gilt analog für die Abtretung von Geschäftsanteilen an dieser Gesellschaft. Sofern an dieser Gesellschaft bzw. an einer dieser Beteiligungsgesellschaften andere Personen als berechtigte Gesellschafter .... beteiligt sind, sind die übrigen Gesellschafter berechtigt, den Geschäftsanteil dieser Beteiligungsgesellschaft bzw. des nicht berechtigten Gesellschafters zu übernehmen. Die Beteiligungsgesellschaft bzw. der nicht berechtigte Gesellschafter ist im Falle der Ausübung dieses Übernahmsrechtes verpflichtet, den gesamten Geschäftsanteil an dieser Gesellschaft an die übrigen Gesellschafter nach den näheren Bestimmungen dieses Vertrages abzutreten.“


Dass Vinkulierungsbestimmungen grundsätzlich zulässig sind, bedarf keiner näheren Erörterung. Thematisieren möchte ich mit diesem Beispiel den Umstand, dass dieses oben geschilderte Aufgriffsrecht auch dann entsteht, wenn es bloß zu einer mittelbaren Anteilsverschiebung kommt: Die Änderung der Gesellschafterstruktur in der Beteiligungsgesellschaft – nämlich durch Hinzutreten eines oder mehrerer nicht berechtigter Gesellschafter iSd Definition des Gesellschaftsvertrages - begründet ein Aufgriffsrecht der übrigen berechtigten Gesellschafter am Anteil dieser Beteiligungsgesellschaft samt der entsprechenden Abtretungsverpflichtung auf Seiten der Beteiligungsgesellschaft.

Karollus/Artmann haben sich in GesRZ 2001, 64 ff, Zur Auslegung einer Vinkulierungsklausel - individuelles Zustimmungsrecht, Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht und mittelbare Anteilsverschiebung, u.a. mit dieser Frage ausführlich auseinandergesetzt.
Sie kommen zum Schluss, dass eine Anteilsübertragung in einer Gesellschaft (Obergesellschaft), die ihrerseits Anteile an der Gesellschaft hält, in deren Gesellschaftsvertrag die Vinkulierung vorgesehen ist (Untergesellschaft), von der Vinkulierungsklausel in der Untergesellschaft erfasst werden kann. Dies sei auch bei Fehlen einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Festlegung („Konzernklausel“) jedenfalls dann anzunehmen, wenn es sich bei der Obergesellschaft um eine reine Holdinggesellschaft handelt, deren Zweck sich letztlich im Halten gerade dieser Beteiligung oder allenfalls noch weiterer vergleichbarer Beteiligungen erschöpft, und daher davon auszugehen sei, dass aus Sicht der Untergesellschaft sowie der übrigen Gesellschafter der Untergesellschaft nicht die Holdinggesellschaft als solche, sondern die dahinter stehenden Personen von ausschlaggebender Bedeutung sind. Aus der Vinkulierungsbestimmung im Gesellschaftsvertrag der Untergesellschaft sei für einen derartigen Fall abzuleiten, dass die anderen Gesellschafter dieser Gesellschaft von der Obergesellschaft verlangen können, ihre Anteile abzutreten und damit aus der Untergesellschaft auszuscheiden (Karollus/Artmann aaO, 68).

Wenn also selbst eine allgemeine Vinkulierungsklausel in der Untergesellschaft Auswirkungen auf die Holdinggesellschaft bezüglich der Abtretung von Geschäftsanteilen bzw. des Entstehens von Aufgriffsrechten zugunsten der Mitgesellschafter der Untergesellschaft haben kann, besteht naturgemäß kein Zweifel daran, dass eine ausdrückliche gesellschaftsvertragliche Regelung dieser Fälle – so wie im geschilderten Anlassfall (Konzernklausel) - jedenfalls zulässig ist.

Befangenheit des Abschlussprüfers (§ 271 UGB)

Die Frage von Befangenheiten von Abschlussprüfern bzw. ihnen gleich gestellten Prüfern wird in der firmenbuchgerichtlichen Praxis zwar immer wieder an-, aber kaum ausdiskutiert. Im Vorfeld einer beabsichtigten Bestellung eines Prüfers nach § 3 GesAusG erreichte mich folgende Anfrage eines „in Aussicht genommenen“ Wirtschaftsprüfers:

Die S*** AG plant einen Gesellschafterausschluss und will mich zur Prüfung des Gesellschafterausschlusses bestellen (gemeint wohl: zur Bestellung durch das Gericht vorschlagen). Bei Überprüfung der Ausschlussgründe bin ich auf folgende Fragen gestoßen:

Erich R*** hält 90% der Aktien an dieser S*** AG. Gleichzeitig ist er über die R*** Holding GmbH, an der er 100% hält, an der R*** Stahlbau GmbH indirekt beteiligt (Holding GmbH an Stahlbau GmbH 99%). Die R*** Stahlbau GmbH wird von mir als Abschlussprüfer geprüft. Nun gilt nach meinen Recherchen via Verweis von § 3 Abs 2 GesAusG über § 220b AktG auch § 271 UGB, woraus ich vordergründig keine Befangenheit bzw. Ausschlussgründe ableiten konnte.
Dennoch lehnen Firmenbuchgerichte offenbar den Abschlussprüfer der Gesellschaft zur Prüfung eines Gesellschafterausschlusses ab, wohl mit der Begründung, dass die hL davon ausgeht, dass der Prüfer unbefangen sein muss bzw. dass schon der Eindruck der Befangenheit zu vermeiden ist (was sich aus dem allgemeinen Berufsrecht ergibt).
Nun bin ich unsicher: Wenn schon der Prüfer der Gesellschaft selbst befangen ist, dann wohl noch mehr der Prüfer einer – völlig unjuristisch formuliert - „Gesellschaft des übrig bleibenden Gesellschafters“?


Meine Antwort dazu:

Gemäß § 3 Abs 2 GesAusG sind die Richtigkeit des Berichts nach § 3 Abs 1 und die Angemessenheit der Barabfindung von einem sachverständigen Prüfer zu prüfen, der auf gemeinsamen Antrag des Aufsichtsrats der Kapitalgesellschaft und des Hauptgesellschafters vom Gericht ausgewählt und bestellt wird. § 220b Abs 3 - 5 AktG ist sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 220b Abs 3 AktG gelten für die Auswahl, das Auskunftsrecht und die Verantwortlichkeit des Verschmelzungsprüfers die §§ 271 , 272 und 275 UGB sinngemäß.

Demnach darf gemäß § 271 Abs 1 UGB ein Wirtschaftsprüfer die Abschlussprüfung nicht durchführen, wenn Gründe, insbesondere Beziehungen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Art, vorliegen, nach denen die Besorgnis der Befangenheit besteht. Diese Bestimmung wird in § 271 Abs 4 UGB ergänzt, wonach eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei der Abschlussprüfung als befangen gilt, wenn der den Bestätigungsvermerk unterzeichnende Wirtschaftsprüfer oder eine für ihn tätige Person, die eine maßgeblich leitende Funktion bei der Prüfung ausübt, nach Abs 1 befangen ist.

Die Erläuterungen zum URÄG 2008 halten diesbezüglich fest, dass diese Generalklausel den Tatbestand der Befangenheit normiert. Faktoren bei der Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit seien insbesondere ein wirtschaftliches oder sonstiges Eigeninteresse des Prüfers am Ergebnis der Prüfung, die Selbstprüfung, die Vertretung der Interessen für oder gegen die zu prüfende Gesellschaft durch den Prüfer, ein übermäßiges Vertrauen bzw. eine übermäßige Vertrautheit des Prüfers durch Nahebeziehung zur Unternehmensleitung sowie besondere Einflussnahme durch die zu prüfende Gesellschaft. Ob die Besorgnis der Befangenheit im Einzelfall bestehe, bestimme sich aus der Sicht eines objektiven, sachverständigen und informierten Dritten, und zwar nach Art und Umfang objektiver Gründe, die bei dem Dritten Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Wirtschaftsprüfers wecken können. Dabei könne es sich nur um Sachverhalte handeln, die nicht einen Ausschlussgrund nach § 271 Abs 2 oder 271a Abs 1 UGB darstellen.
Wenn die Voraussetzungen des § 271 Abs 1 vorliegen, dürfe der Abschlussprüfer die Prüfung nicht durchführen, sofern er nicht durch Schutzmaßnahmen die Besorgnis der Befangenheit beseitige. Solche Schutzmaßnahmen könnten insbesondere durch Einrichtung eines internen Sicherheitssystems getroffen werden (über dessen Ausgestaltung und Anforderungen im hier interessierenden Kontext aber nicht weiter gesprochen werden muss).

Ob der Abschlussprüfer der Gesellschaft, die einen Gesellschafterausschluss vorbereitet, als Prüfer gemäß § 3 Abs 2 GesAusG ausgeschlossen oder jedenfalls befangen ist, stellt sich bei der eingangs geschilderten Frage nicht, sodass ich darauf auch nicht weiter eingehe. Relevant ist hier vielmehr die Tatsache, dass der Abschlussprüfer einer GmbH, an der der Hauptgesellschafter der den Gesellschafterausschluss betreibenden S*** AG mittelbar zu 100% beteiligt ist, als sachverständiger Prüfer zur Prüfung der Richtigkeit des Berichts nach § 3 Abs 1 GesAusG vorgeschlagen werden soll. Damit sind Zweck und Inhalt dieses Berichts gemäß § 3 Abs 1 GesAusG maßgeblich. Bei diesem Bericht handelt es sich um den Bericht des Vorstands der Kapitalgesellschaft und des Hauptgesellschafters über den geplanten Ausschluss. Dieser muss zumindest die Voraussetzungen des Ausschlusses darlegen und die Angemessenheit der Barabfindung erläutern und begründen. Auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung des Unternehmens ist hinzuweisen.
Damit ist evident, dass darin Interessensgegensätze des Hauptgesellschafters und der auszuschließenden Minderheitsgesellschafter behandelt werden und aufeinander prallen. Sowohl am Vorhandensein der Ausschlussvoraussetzungen als auch an der Höhe des Barabfindungsangebots hat der Hauptgesellschafter ein natürliches Eigeninteresse, das zwangsläufig im Gegensatz zu den Interessen der Minderheitsgesellschafter steht. Es ist Aufgabe des Prüfers, diese Umstände darzustellen und auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Damit verwirklichen Nahebeziehungen jeglicher Art zum Hauptgesellschafter eine potentielle Gefährdung der Unbefangenheit.

Ob die Beziehungen im konkreten Fall im Sinne der Generalklausel des § 271 Abs 1 UGB tatsächlich jenen Grad erreichen, der im Sinne der obigen Ausführungen (insbesondere aus Sicht eines außenstehenden Dritten) ausreicht, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, bleibt immer eine Frage des Einzelfalles und ist in erster Linie vom betroffenen Abschlussprüfer selbst zu beurteilen. Wenn sich diese Beziehungen in der Tatsache der Durchführung der Abschlussprüfung einer mit dem Gesellschafterausschluss nicht in unmittelbaren Zusammenhang stehenden Kapitalgesellschaft erschöpfen, scheint zumindest vordergründig meines Erachtens diese Besorgnis nicht unbedingt verwirklicht. Dass die interessierte Öffentlichkeit vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in der Weltwirtschaft und der diesbezüglichen Rolle von Rating-Agenturen und global tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in höherem Maße als früher sensibilisiert ist, könnte bei dieser vom konkreten Prüfer vorzunehmenden Einschätzung aber durchaus eine Rolle spielen.

Abschließend zu erwähnen bleibt noch die Sanktion des § 271 Abs 6 UGB, wonach dem Abschlussprüfer für erbrachte Leistungen kein Entgelt gebührt, wenn er weiß, dass er ausgeschlossen oder befangen ist bzw. wenn er seine Ausgeschlossenheit erkennen hätte müssen oder wenn er grobfahrlässig seine Befangenheit nicht erkannt hat.