19. Januar 2011

Das neue Zwangsstrafenverfahren des § 283 UGB und dessen Übergangsbestimmung in § 906 Abs 23 UGB – eine Auslegung

Die Neuregelung des § 283 UGB durch das BBG (BGBl. I Nr. 111/2010) führt zu einer deutlichen Verschärfung der Offenlegungspflichten für einreichungspflichtige Kapitalgesellschaften und deren Organe. Die entsprechenden Neuerungen wurden schon an vielen Stellen präsentiert, sodass ich mich hier auf die Übergangsbestimmung konzentriere, die offenkundig viel Verwirrung stiftet und – aus meiner Sicht – zu zahlreichen Falschdarstellungen geführt hat.
Jedenfalls finden sich im Web und in Newslettern bezüglich der Behandlung von bisherigen Säumnissen Aussagen wie beispielsweise diese:

Das Gesetz trat mit 1. Jänner 2011 in Kraft. Es ist grundsätzlich auch auf in der Vergangenheit eingetretene und noch andauernde Verletzungen der Offenlegungspflicht anzuwenden. Bisher versäumte Offenlegungen können jedoch bis 28. Februar 2011 straffrei nachgeholt werden.

Diese Aussage suggeriert, dass alle in der Vergangenheit liegenden Säumnisse bei der Offenlegung quasi saniert, den diesbezüglichen Organen eine „Galgenfrist“ bis 28.2.2011 eingeräumt und ab 1.3.2011 alle noch offenen Verstöße gemäß der Neuregelung sanktioniert werden.

Dass dem nicht so sein kann, ergibt ein Blick in die relevante Übergangsbestimmung des § 906 Abs 23 UGB. Die durchaus missverständlich formulierte Norm lautet wie folgt:

§ 283 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, tritt mit 1. Jänner 2011 in Kraft. § 283 in der Fassung des genannten Bundesgesetzes ist auf Verstöße gegen die in § 283 Abs. 1 genannten Pflichten anzuwenden, die nach dem 1. Jänner 2011 gesetzt werden oder fortdauern. Hat die Offenlegungsfrist vor dem 1. März 2011 geendet und ist die Offenlegung nicht bis zum 28. Februar 2011 erfolgt, so ist mit einer Zwangsstrafverfügung nach § 283 Abs. 2 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011 gegen das offenlegungspflichtige Organ sowie die Gesellschaft vorzugehen. Erst bei Unterbleiben der Offenlegung für jeweils weitere zwei Monate nach dem 28. Februar 2011 kommen die Bestimmungen des § 283 Abs. 4 und 5 jeweils in der Fassung des genannten Bundesgesetzes zur Anwendung. In Ansehung von Säumnissen der jeweiligen Organe vor dem 1. Jänner 2011 ist § 283 in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden.

Ich widme mich der Beantwortung der Frage, wie die „Altfälle“ auf Basis dieser Übergangsnorm zu beurteilen sind.

Klar ist zunächst, dass § 283 UGB in der neuen Fassung mit 1.1.2011 in Kraft getreten ist und somit auch die gesamte Übergangsbestimmung des § 906 Abs 23 erst per 1.1.2011 Geltung erlangt hat. Diesen Hinweis halte ich deshalb für wesentlich, weil damit klargestellt ist, dass für Verstöße gegen eine Offenlegungsverpflichtung vor dem 1.1.2011 die Neuregelung des § 283 UGB und dessen Übergangsbestimmung gar nicht heranzuziehen ist.
Für alle Stichtage, die vor dem (einschließlich) 31.3.2010 liegen, ist die Einreichverpflichtung also gemäß § 283 UGB alt durchzusetzen.
Der Jahresabschluss ist nämlich spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuch einzureichen, hätte als im konkreten Beispiel am 31.12.2010 vorgelegt sein müssen, der Verstoß gegen diese Verpflichtung trat somit erstmals am 1.1.2011 ein, die Neuregelung ist erst auf Verstöße anzuwenden, die nach dem 1.1.2011 gesetzt werden, weshalb die Verletzung dieser Einreichverpflichtung noch nach altem Recht zu beurteilen ist. Bereits anhängige Zwangstrafenverfahren gegen Organe betroffener Gesellschaften sind demnach auf Basis der alten Bestimmungen und der dort allenfalls bereits laufenden Fristen fortzuführen, sodass insoweit für diese Gesellschaften bzw. deren Organe keine "Schonfrist“ bis 28.2.2011 besteht. Das gilt naturgemäß auch für alle anhängigen Verfahren bezüglich nicht eingereichter Jahresabschlüsse in noch weiter zurückliegender Vergangenheit.

Die Übergangsbestimmung führt lediglich dazu, dass für den Fall, dass die Offenlegungsfrist im Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten der Neuregelung und 28.2.2011 endet, eine Zwangsstrafverfügung nach dem neuen § 283 Abs 2 UGB erst nach dem 1.3.2011 verhängt werden darf. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die kolportierte Schonfrist also praktisch nur für Jahresabschlüsse gilt, die zum 30.4. bzw. 31.5.2010 aufgestellt und somit am 31.1. bzw. 28.2.2011 einzureichen wären. Diese Auslegung findet auch ihre Stütze in den Erläuterungen, die ausführen, dass entsprechend der Übergangsregelung ein Zwangsstrafverfahren in Ansehung einer Säumnisperiode zwischen 1. Jänner 2011 und einschließlich 28. Februar 2011 frühestens am 1. März 2011 (unter Berücksichtigung einer für den Postlauf anzunehmenden Frist von zwei Wochen erst in der zweiten Märzhälfte 2011) und nur mit Zwangsstrafverfügung eingeleitet werden kann. Die Erläuterungen halten weiter fest, dass für vor dem Inkrafttretenszeitpunkt liegende Säumnisperioden weiterhin nur die alte Rechtslage maßgeblich bleiben kann und über die Zwangsstrafe für dieses Fehlverhalten im ordentlichen Verfahren nach alter Rechtslage zu entscheiden ist, falls für diese Vorperiode bereits ein Zwangsstrafenverfahren anhängig ist.
Es folgt dann folgende Feststellung:
Für die an das Inkrafttreten anschließenden Säumnisperioden ist hingegen jeweils mit Zwangsstrafverfügung nach der neuen Rechtslage im Zweimonatsrhythmus vorzugehen.
Diese Formulierung verleitet zu Missverständnissen, wenn man die Bedeutung des Begriffs „Säumnisperiode“ im Unklaren lässt. Meines Erachtens kann es sich dabei nur um die hinsichtlich eines konkreten Jahresabschlusses (erstmals) eingetretene Säumnis handeln, die dann eben – als Säumnisperiode - bis zur Erfüllung der Offenlegungsverpflichtung fortdauert.

Beispiel:
Ein zum Stichtag 31.1.2010 zu erstellender Jahresabschluss wäre spätestens am 31.10.2010 einzureichen gewesen, der Verstoß dagegen wurde also erstmals am 1.11.2010 gesetzt, diese Säumnisperiode währt also seit diesem Zeitpunkt, sodass auf dieses Fehlverhalten im ordentlichen Verfahren nach alter Rechtslage reagiert werden muss, weshalb eine Zwangsstrafverfügung nach § 283 Abs 2 UGB neu auch nicht in Zukunft zu irgendeinem Zeitpunkt verhängt werden kann. Es kann nämlich nach dem Inkrafttreten des BBG gar keine Säumnisperiode „anschließen“, weil eine einmal eingetretene Säumnis quasi als „Dauerdelikt“ fortdauert und nicht immer wieder neu zu laufen beginnt.
Nur vor diesem Hintergrund ergibt der letzte Satz der Übergangsbestimmung Sinn, wonach in Ansehung von Säumnissen der jeweiligen Organe vor dem 1.1.2011 § 283 in der bis dahin geltenden Fassung anzuwenden ist.

Zu weiteren Missverständnissen kann der zweite Satz des § 906 Abs 23 führen, der von „fortdauern“ spricht. Auch dieses „Fortdauern“ kann sich nach meinem Verständnis ausschließlich auf die im Geltungsbereich von § 283 neu gesetzten Verstöße beziehen, nicht jedoch auf eine fortdauernde Nichtentsprechung einer Einreichverpflichtung, der schon unter dem Regime des alten Rechts hätte nachgekommen werden müssen.

Dieses Verständnis wird augenscheinlich, wenn man sich folgende Konstellation vor Augen hält:
Über ein mit der Einreichung des Jahresabschlusses über beispielsweise zwei Jahre säumiges Organ wurden bereits mehrfach Zwangsstrafen im Ausmaß des Höchstbetrages von € 3.600 verhängt. Es würde einen völligen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn gegen dieses Organ bei weiterer Säumnis ab 1.3.2011 nur mehr mit Zwangsstrafverfügung in Höhe von € 700 vorgegangen und für den Fall eines nicht erhobenen Einspruchs auch die fortdauernde Säumnis nur mit jeweils € 700 sanktioniert werden könnte.
Außerdem würde es eine unsachliche Ungleichbehandlung bedeuten, wenn – aus welchem Grund auch immer - in der Vergangenheit unterlassene Aufforderungen des Firmenbuchgerichtes, der Offenlegungsverpflichtung nachzukommen, nicht nach dem zum Zeitpunkt des Verstoßes gegen die Offenlegungsverpflichtung geltenden Bestimmungen sanktioniert würden, sondern in das neue Recht fallen, währenddem gleich gelagerte Fälle, in denen ein entsprechendes Zwangsstrafenverfahren eingeleitet worden ist, nach Altrecht sanktioniert wurden. Es kann nicht von der Zufälligkeit der Usancen verschiedener Firmenbuchgerichte und Entscheidungsorgane abhängen, ob völlig gleich gelagerte Fälle nach altem oder neuem Recht beurteilt werden.

Außerdem:
Wäre dies gewollt gewesen, hätte sich die gesamte Übergangsbestimmung insoweit erübrigt, als sie sich darin erschöpfen könnte, dass § 283 idF BBG mit 1. Jänner 2011 in Kraft tritt und idF des neuen Gesetzes auch auf Säumnisse der jeweiligen Organe vor dem 1.1.2011 anzuwenden ist. Gerade Letzteres regelt aber der letzte Satz des § 906 Abs 23 exakt gegenteilig, indem die Anwendung des § 283 in der alten Fassung in Ansehung der alten Säumnisse angeordnet wird.

Sollte demnach eine entsprechende Aufforderung an ein Organ zur Offenlegung eines „alten“ Jahresabschlusses in diesen Tagen zugehen, wird einer derartigen Aufforderung fristgerecht zu entsprechen sein, ansonsten mit der Verhängung einer Zwangsstrafe im Rahmen des ordentlichen Verfahrens nach § 283 UGB alt gerechnet werden muss. Auf die „Schonfrist“ bis 1.3.2011 wird man sich in diesen Fällen jedenfalls nicht berufen können.