10. April 2009

Gewinnverwendung, Gewinnverteilung und alineare Gewinnausschüttung in der GmbH

Folgende zwei Beispiele aus Gesellschaftsverträgen (neu gegründeter) GmbHs stelle ich heute zur Diskussion:

Beispiel 1
"IX. Gewinnverwendung
Über die Gewinnverwendung beschließt - soweit zwingende gesetzliche Bestimmungen dem nicht entgegenstehen - die Generalversammlung. Über Beschluss der Generalversammlung kann der erzielte Gewinn in Entsprechung des § 82 Abs 2 GmbHG auch alinear, somit entgegen dem gemeinen Verhältnis der eingezahlten Stammeinlagen ausbezahlt werden. Der Beschluss bedarf jedoch einer ¾-Mehrheit.“


Beispiel 2
„XIV. Bilanz und Gewinnverwendung
Die Entscheidung über die Verwendung des Reingewinns ist unter Beachtung der vertraglichen Bestimmungen und der gesetzlichen Vorschriften alljährlich der Generalversammlung vorbehalten.
Eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnausschüttung ist zulässig und vorgesehen, welcher die Gesellschafter hiermit zustimmen.“


Gegen die erstgenannte Bestimmung äußerte das Firmenbuchgericht in einer Zwischenerledigung folgende Bedenken:
„Die in Artikel IX. des Gesellschaftsvertrages vorgesehene (von § 82 Abs 2 GmbHG abweichende) alineare Verteilung des Gewinnes wäre nur mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zulässig oder bereits im Gesellschaftsvertrag eindeutig zu regeln (Kalss/Nowotny/Schauer, Öst. Gesellschaftsrecht RZ 4/393).“

Kann dieser Vorhalt zur Ablehnung der Eintragung dieser GmbH führen?

Gemäß § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG unterliegen der Beschlussfassung der Gesellschafter u.a. die Verteilung des Bilanzgewinns, falls dieser im Gesellschaftsvertrag einer besonderen Beschlussfassung von Jahr zu Jahr vorbehalten ist.

Koppensteiner/Rüffler schreiben dazu:
Ein Gewinnverteilungsbeschluss ist nur dann zu fassen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. Bei Fehlen gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen über die Gewinnverteilung ist der gesamte Gewinn an die Gesellschafter auszuschütten. Daneben kann der Gesellschaftsvertrag eigene Gewinnverwendungsregeln aufstellen und dabei die Gewinnbeteiligung der einzelnen Gesellschafter auch anders als § 82 Abs 2 regeln. Dabei ist vorauszusetzen, dass sich der Anspruch anhand des Gesellschaftsvertrages beziffern lässt.
Erst dann, wenn keine dieser Gestaltungen vorliegt, kommen periodische Gewinnverwendungsbeschlüsse der Gesellschafter in Betracht. Der Gesellschaftsvertrag muss also ausdrücklich oder implizit eine Regel enthalten, die einen jährlichen Gewinnverteilungsbeschluss verlangt. Der Gewinnverwendungsbeschluss hat den Gleichheitsgrundsatz zu beachten (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG § 35 Rz 12 - 15 mwN).

Reich-Rohrwig führt aus:
Der Umstand, dass der Gesellschaftsvertrag einen eigenen Beschluss über die Gewinnverteilung von Jahr zu Jahr vorsieht, ändert nichts daran, dass der Gewinn der GmbH zur Gänze auszuschütten ist. Nur wenn der Gesellschaftsvertrag einen Beschluss über die Gewinnverwendung zulässt, können die Gesellschafter im Rahmen der Gewinnverwendung die Bildung von Rücklagen beschließen (Reich-Rohrwig, GmbH I, Rz 3/199). Selbst wenn die Gewinnverwendung gesellschaftsvertraglich ohne Einschränkung einem Gesellschafterbeschluss überlassen ist, bedeutet dies nicht die Zulässigkeit willkürlicher Gewinnverteilung oder -zurückhaltung in der GmbH. Die Gesellschaftermehrheit ist an die Treuepflicht gebunden und darf ihr Entscheidungsermessen nicht überschreiten. Der Beschluss wäre etwa unzulässig und anfechtbar, wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wird (Reich-Rohrwig aaO Rz 3/203).
Satzungsdurchbrechende Gewinnverwendungsbeschlüsse sind zulässig, wenn sie in der Tagesordnung entsprechend angekündigt, mit der ¾-Stimmenmehrheit oder der höheren gesellschaftsvertraglichen Mehrheit beschlossen wurden und den genannten materiellen Voraussetzungen genügen (Reich-Rohrwig aaO Rz 3/205).

Nowotny lehrt, dass bei der GmbH ein dispositiv-rechtliches Vollausschüttungsgebot besteht, wonach der festgestellte Bilanzgewinn in voller Höhe auszuschütten ist. Der Gewinn könne also weder durch die Geschäftsführer noch durch die Gesellschafter willkürlich ganz oder teilweise einer Rücklage zugeführt werden. Demnach sei für eine gewillkürte Rücklagenbildung eine gesellschaftsvertragliche Regelung erforderlich, womit nur bei Vorliegen einer solchen Bestimmung ein Gewinnverteilungsbeschluss gefasst werden müsse. Der Gewinnanspruch der einzelnen Gesellschafter richte sich mangels anderer Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag nach den eingezahlten Stammeinlagen, doch könne der Gesellschaftsvertrag jede andere Regelung treffen, soweit sie nicht sittenwidrig ist. Ebenso könne mit Zustimmung der Betroffenen auch ohne Regelung im Gesellschaftsvertrag eine alineare Ausschüttung beschlossen werden (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, Rz 4/392 und 4/393).

Der angesprochene Themenkreis verlangt also zunächst nach einem exakten Umgang mit Begriffen. So ist v.a. zu differenzieren zwischen Gewinnverwendung und Gewinnverteilung/ Gewinnausschüttung.
Eine gesellschaftsvertragliche Gewinnverwendungsregel kann im Wesentlichen nur zum Inhalt haben, den festgestellten Bilanzgewinn zur Gänze oder teilweise einer Rücklage zuzuführen. Denkbar ist auch eine Regelung über die Zuwendung eines bestimmten Teiles des Bilanzgewinnes an mildtätige oder gemeinnützige Institutionen. Solche Gewinnverwendungsvorschriften müssen im Gesellschaftsvertrag aber immer deutlich formuliert sein. Allgemeine Klauseln, die lediglich die gesetzliche Regel des § 35 Abs 1 Z 1 wiederholen, sind keine Gewinnverwendungsvorschriften, weshalb in diesen Fällen die Vollausschüttung geboten ist (Reich-Rohrwig aaO Rz 3/202).

In beiden eingangs geschilderten Fällen handelt es sich bezüglich der Gewinnverwendung um solche Allgemeinklauseln, womit klarzustellen ist, dass gar keine Gewinnverwendungsregel vorliegt.
Beide Bestimmungen regeln also „bloß“ die Gewinnverteilung bzw. Gewinnausschüttung.
Hier sieht die erste Variante vor, dass mit ¾-Mehrheit eine vom Verhältnis des § 82 Abs 2 abweichende alineare Gewinnausschüttung beschlossen werden kann. Die referierte Zwischenerledigung hält dieser Vertragsbestimmung entgegen, dass eine solche nur für den Fall der Zustimmung aller Gesellschafter zulässig wäre oder aber im Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt werden müsse.
Mit der für diese Ansicht zitierten Belegstelle bei Nowotny lässt sich dieses Argument aber nicht begründen, weil dieser ausdrücklich davon spricht, dass der Gesellschaftsvertrag - unter Beachtung des Sittenwidrigkeitsverbotes - jede andere Regelung treffen könne und abseits von einer gesellschaftsvertraglichen Regelung mit Zustimmung der Betroffenen alineare Ausschüttungen beschlossen werden können. Die Zustimmung aller Betroffenen ist also demnach nur dann notwendig, wenn es an einer einschlägigen gesellschaftsvertraglichen Regelung fehlt. Im konkreten Fall ist aber gerade eine solche Regelung zu beurteilen: diese Beurteilung hat sich an einer möglichen Sittenwidrigkeit zu orientieren. Eine solche wird wohl nicht vorliegen, wenn für einen derartigen Beschluss eine ¾-Mehrheit vorgesehen ist. Abgesehen davon bleibt jeder einzelne dieser Beschlüsse im Rahmen der Klagsführung nach § 41 GmbHG überprüfbar, was bei Prüfung der Sittenwidrigkeit nicht außer Betracht gelassen werden kann.
Ich komme daher zum Schluss, dass die inkrimierte Bestimmung im Beispiel 1 zulässig ist und daher kein Eintragungshindernis darstellt.

Die Beurteilung der zweiten Variante erfordert keine weitläufigen Ausführungen, weil diese Vertragsbestimmung völlig inhaltsleer ist. Im ersten Teil wiederholt sie nämlich die gesetzliche Gewinnverwendungsregel, im zweiten Teil hält sie fest, dass alineare Ausschüttungen zulässig sind (was ja unbestritten ist), ohne allerdings eine nähere Determinierung vorzunehmen, womit im Ergebnis jede einzelne alineare Ausschüttung die Zustimmung aller Gesellschafter erfordern wird. Wenn diese nicht erzielt werden kann, erfolgt die Verteilung nach dem Verhältnis des § 82 Abs 2 GmbHG.

1. April 2009

Vereinfachte Verschmelzung unter Verzicht auf die Beschlussfassung der übernehmenden Gesellschaft (§§ 231, 232 AktG, §§ 96, 97 GmbHG)

Im Firmenbuch ist die F** Vermittlungs- und Beratungs GmbH eingetragen. Deren Alleingesellschafterin ist die F** Holding GmbH. Gesellschafter der F** Holding GmbH sind Helmuth G**, Johanna T**, die Z** Holding GmbH und die H** Holding GmbH.

Beide Gesellschaften verfügen über ein voll einbezahltes Stammkapital von € 35.000.

In der außerordentlichen Generalversammlung der F** Vermittlungs- und Beratungs GmbH vom 16.03.2009 wurde die Verschmelzung dieser Gesellschaft als übertragende Gesellschaft (up-stream) auf die F** Holding GmbH als übernehmende Gesellschaft auf Grundlage des Verschmelzungsvertrages vom 16.03.2009 beschlossen.

Unter Vorlage des Verschmelzungsvertrages und des Generalversammlungsprotokolls der übertragenden Gesellschaft meldeten die Geschäftsführungen der beiden beteiligten Gesellschaften die Eintragung dieser Verschmelzung in das Firmenbuch an. In beiden Anmeldungen wurde erklärt, dass eine ausdrückliche Zustimmung bzw. Genehmigung der Verschmelzung durch die Generalversammlung der übernehmenden Gesellschaft nicht erforderlich sei, da die übernehmende Gesellschaft zu 100 % Gesellschafterin der übertragenden GmbH sei (§ 231 Abs 1 Z 1 AktG).

Die Geschäftsführer erklärten weiters, dass sämtliche Gesellschafter jeweils gemäß § 225 Abs 2 AktG auf eine Klage auf Anfechtung oder Feststellung der Nichtigkeit der gegenständlichen Verschmelzung verzichtet haben. Die diesbezügliche schriftliche Verzichtserklärung der Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft wurde ebenfalls vorgelegt.

Weitere Unterlagen oder Erklärungen liegen dem Firmenbuchgericht nicht vor.

Gemäß § 231 Abs 1 Z 1 AktG ist die Zustimmung der Hauptversammlung der übernehmenden Gesellschaft zur Aufnahme der übertragenden Gesellschaft nicht erforderlich, wenn sich wenigstens neun Zehntel des Grundkapitals der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befinden.
Die §§ 220a, 220b und 221a Abs 1 - 3 AktG sind nicht anzuwenden, wenn sämtliche Aktionäre aller beteiligten Gesellschaften schriftlich oder in der Niederschrift zu Hauptversammlung auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verzichten (§ 232 Abs 2 AktG).
Gemäß § 96 Abs 3 GmbHG sind diese Bestimmungen sinngemäß bei der Verschmelzung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung anzuwenden.

Gemäß § 97 Abs 1 GmbHG sind unbeschadet von § 100 die gemäß § 221a Abs 2 AktG erforderlichen Unterlagen den Gesellschaftern zu übersenden. Zwischen den Tag der Aufgabe der Sendung zur Post und der Beschlussfassung muss mindestens ein Zeitraum von 14 Tagen liegen. Die Einreichung der Unterlagen bei dem Gericht und die Veröffentlichung eines Hinweises darauf sowie die Auflegung zur Einsicht sind nicht erforderlich. Wenn die Geschäftsführung der übernehmenden Gesellschaft gemäß § 231 Abs 1 auf die Einholung der Zustimmung der Generalversammlung verzichtet, ist für die gemäß § 221a Abs 1 und 2 bei der übernehmenden Gesellschaft erforderliche Offenlegungen der Tag maßgebend, für den die Generalversammlung der übertragenden Gesellschaft einberufen wird (§ 232 Abs 2 AktG iVm § 96 Abs 3 GmbHG).

Im konkreten Fall bedeutet dies:

Die bloße Tatsache, dass die übernehmende Gesellschaft Alleingesellschafterin der übertragenden Gesellschaft ist, rechtfertigt die unterlassene Einholung einer Genehmigung der Verschmelzung durch die Generalversammlung der übernehmenden Gesellschaft nicht. Auch wenn die Gesellschafter in der übernehmenden Gesellschaft nicht über die Verschmelzung beschließen, sind sie darüber zu informieren. Die Geschäftsführer haben ihnen unter Einhaltung der nach Maßgabe der Beschlussfassung der übertragenden Gesellschaft ausgelösten 14-tägigen Frist die Unterlagen zu übersenden (Kalss, Verschmelzung/Spaltung/Umwandlung, § 97 GmbHG Rz 5).

Zwar normiert das GmbH-Recht eine ausdrückliche Verzichtsmöglichkeit auf die Zusendung der Unterlagen nicht, allerdings ist diese Zusendungspflicht nicht absolut zwingend, sondern verzichtbar, wobei in solchen Fällen der Verzicht jedes einzelnen Gesellschafters auf Zusendung der Unterlagen erforderlich ist (Kalss aaO, § 97 GmbHG Rz 6). Letzteres erübrigt sich, wenn eine Verzichtserklärung gemäß § 232 Abs 2 AktG vorliegt, zumal dann § 221a AktG nicht anzuwenden ist. Damit ist es für das Unterbleiben der Zustimmung der Generalversammlung der übernehmenden Gesellschaft jedenfalls erforderlich, dass die Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft vorweg einen Verzicht gemäß § 232 Abs 2 AktG erklären, weil nur dann die Informationsverpflichtung gemäß § 221a und die entsprechenden Offenlegungen (§ 231 Abs 2 AktG) entbehrlich sind. Zwecks Prüfung dieser Voraussetzung ist dem Firmenbuchgericht diese Verzichtserklärung mit der Anmeldung der Verschmelzung vorzulegen.