20. Juli 2009

Unternehmensbewertung und ihre Plausibilität

Im Firmenbuch des Landesgerichtes Innsbruck ist zu FN *** die „L** Fertighaus Projektmanagement Gesellschaft m.b.H.“ mit dem Sitz in Z** und einem zur Hälfte geleisteten Stammkapital von € 35.000 eingetragen. Alleiniger Gesellschafter und einziger Geschäftsführer ist Robert L**.

Mit Einbringungsvertrag vom 25.06.2009 brachte Robert L** sein im Jahre 2007 (!) gegründetes nicht protokolliertes Einzelunternehmen mit der Geschäftsbezeichnung „Robert L**, Z**“ als Sacheinlage auf Grundlage der Einbringungsbilanz zum 30.09.2008 samt allen Aktiven und Passiven sowie mit allen Nutzungen und Lasten einschließlich der immateriellen Vermögensgegenstände, des Kundenstockes, der technischen Anlagen und Maschinen, der gesamten Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie der Vorräte, Forderungen und sonstigen Vermögensgegenstände in die Gesellschaft ein. Als Einbringungsstichtag im Sinn des § 13 Abs 1 UmgrStG wurde der 30.09.2008 vereinbart. Grundlage der Einbringung ist die Einbringungsbilanz zum 30.09.2008, in der das eingebrachte Vermögen steuerlich zu Buchwerten mit dem Wert angesetzt ist, der sich nach den steuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung ergibt, wobei festgehalten wird, dass die unternehmensrechtlichen Werte von den steuerlichen Werten nicht abweichen. Demgemäß werden in der Einbringungsbilanz den steuerlichen Werten die Verkehrswerte gegenübergestellt.

Die Einbringungsbilanz (zu Verkehrswerten) hat folgendes Aussehen:

Anlagevermögen
Firmenwert ................................................ 1.500.000,00
Sachanlagen ................................................... 1.625,00
Umlaufvermögen
Vorräte (nicht abrechenbare Leistungen) .............. 16.253,78
Sonstige Forderungen .......................................... 6.511,31
Kassenbestand .............................................. 1.028,46
Summe Aktiva .............................................. 1.525.418,55

Einbringungskapital
Kapitalrücklage ............................................. 799.707,10
Verbindlichkeiten
Verbindl. aus Lieferungen und Leistungen ................ 3.529,76
Vermögensveränderungen gem. UmgrStG
Bare Entnahmen gem § 16 Abs 5 Z 1 ....................... 55.481,69
Unbare Entnahmen gem § 16 Abs 5 Z 2 ................666.700,00
Summe Passiva ....................................... 1.525.418,55

In Punkt II. des Einbringungsvertrages wird folgendes geregelt:

Im Hinblick auf die Bargründung der L** Fertighaus Projektmanagement Gesellschaft m.b.H. am 18.11.2008 verpflichtet sich Herr Robert L** gegenüber der L** Fertighaus Projektmanagement Gesellschaft m.b.H. seine Forderung gegen die Gesellschaft aus der vorbehaltenen Entnahme innerhalb von zwei Jahren ab dem Tag der beiderseitigen Unterfertigung dieses Einbringungsvertrages nicht geltend zu machen. Hiezu stellen die Vertragsteile fest, dass die Gesellschaft aufgrund ihrer voraussichtlichen Geschäftsentwicklung in der Lage sein wird, diese Verbindlichkeit gegenüber dem Einbringenden zu tilgen, ohne hiefür das eingezahlte Stammkapital angreifen bzw. verwenden zu müssen.

Die Gewährung von Anteilen an der Gesellschaft unterbleibt gemäß § 19 Abs 2 Z 5 UmgrStG, weil der Einbringende Alleingesellschafter der übernehmenden Körperschaft ist und damit die Beteiligungsverhältnisse am eingebrachten Unternehmen dem der aufnehmenden Gesellschaft entsprechen.

Dem Firmenbuchgericht wurde ein Gutachten einer Steuerberatungsgesellschaft zum Unternehmenswert des eingebrachten Einzelunternehmens vorgelegt. Diese legte der Unternehmensbewertung die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung des Jahres 2007, die Eröffnungsbilanz zum 1.1.2008, den vorläufigen Jahresabschluss zum 31.12.2008 und die laufende Buchhaltung des Jahres 2009 zu Grunde. Zudem wurde eine von Robert L** erstellte wirtschaftliche Einschätzung der Zukunftschancen der Gesellschaft in die Bewertung einbezogen.
Gegenstand des Einzelunternehmens ist die Entwicklung und Konzeption von Fertighäusern, die Vermittlung von Baumeisterleistungen und Leistungen im Baunebengewerbe sowie die Vermittlung und der An- und Verkauf von Fertighäusern.

Nach Darstellung der verschiedenen Bewertungsverfahren wird in diesem Gutachten ausgeführt, dass man sich zur Ermittlung des Unternehmenswertes auf das Ertragswertverfahren stütze.
Dafür wurden die Plandaten des Einzelunternehmers herangezogen, ausgabenseitig die durchschnittlichen Vergangenheitsdaten angesetzt und ein kalkulatorischer Unternehmerlohn von monatlich € 5.000 14mal jährlich berücksichtigt. Die Mehrbelastung für Ertragssteuern gegenüber endbesteuerten Anleiheerträgen fand ebenfalls Eingang in die Planungsrechnung.
Dem Faktor der Planungsunsicherheit wurden in der Erfolgsprognose ab dem dritten Jahr durch Abschläge in Höhe von 30 % und ab dem fünften Jahr in Höhe von 50 % Rechnung getragen.

Daraus errechnete sich ein nachhaltiger, jährlicher zukünftiger Ertrag in Höhe von € 110.790 für die Jahre 2009 - 2011, in Höhe von € 78.000 für die Jahre 2012 - 2013 sowie ab 2014 ein zukünftiger Ertrag in Höhe von € 55.000.

Zur Rechtfertigung der Berechnung auf Basis einer ewigen Rente führte das Gutachten aus, dass es sich beim Bewertungsobjekt um ein in Tirol führendes Unternehmen im Bereich Fertigteil-Projekt-Management handle und die Vorschau für die Jahre 2009 und 2010 deutlich steigende Umsätze erkennen ließen. Neben den ausgezeichneten Fachkenntnissen und dem persönlichen Einsatz des Unternehmers werde der wirtschaftliche Erfolg von einer steigenden Nachfrage im Tiroler Wohnungsmarkt mitgetragen. Die Preise für Eigentumswohnungen würden bereits derzeit deutlich über den Preisen eines schlüsselfertigen Fertigteilhauses liegen, für die Unternehmensnachfolge sei vorgesorgt.

Der Kapitalisierungszinssatz wurde wie folgt abgeleitet:

Als Basiszins werde die „Effektivrendite Staatsanleihe, Laufzeit 10 – 30 Jahre“ von 3,48% herangezogen.
Da das Einzelunternehmen hinsichtlich der Grundstücke, der Baumeisterarbeiten und der Fertigteilhäuser vermittelnd tätig sei, trage dieses nahezu kein Infektionsrisiko. Aus Vorsichtsgründen werde davon ausgegangen, dass das Unternehmen maximal 25% der Geldentwertung selbst tragen müsse, weshalb ausgehend von der Inflationsrate von 3,20% (Jahresinflation 2008) ein Abschlag in Höhe von 2,40% berücksichtigt werde (ergibt 1,08%).
Das allgemeine Unternehmerwagnis sei mit einem Zuschlag zum Kapitalmarktzinssatz zu erfassen, dieser orientiere sich an dem in der Praxis häufig angesetzten Zuschlag von 50%, in concreto führe dies zu einem Zuschlag von 0,54% (also 50% des Ausgangszinses von 1,08%).

Da der überdurchschnittliche wirtschaftliche Erfolg des Einzelunternehmens zu einem sehr großen Teil auf die ausgezeichneten Fachkenntnisse und den persönlichen Einsatz des Unternehmenseigners zurückzuführen sei, werde dem Risiko allfälliger Ertragseinbußen durch einen Wechsel in der Person des Unternehmensinhabers durch einen Zuschlag auf den Zinssatz in Höhe von 75%, das sind 1,22%, Rechnung getragen.
Die geringere Mobilität des Unternehmens werde durch einen Mobilitätszuschlag von 50%, das sind 1,42%, berücksichtigt.

Die Ableitung des Zinssatzes schaut daher folgendermaßen aus:

Effektivrendite Staatsanleihe (10 - 30 Jahre) .................3,48%
Inflationsbereinigung (Inflation 2008 3,20%) (75%) .........- 2,40%
ergibt als erstes Zwischenergebnis .............................1,08%
Zuschläge
allgemeines Unternehmerwagnis (50%)......................... 0,54%
Abhängigkeit vom Einzelunternehmer (75%)................... 1,22%
Mobilitätszuschlag (50%) .......................................1,42%

Kapitalisierungszinssatz ........................................4,25%
Kapitalisierungszinssatz gerundet ............................4,27%

Die Planrechnung des Einzelunternehmers für die Jahre 2009 - 2011 hat folgendes Bild:

Betriebsleistung ..............................€ 300.000
Aufwendungen ..............................- € 103.500
unversteuertes Ergebnis ....................€ 196.500
Unternehmerlohn .................................- € 60.000
Mehrbelastung für Ertragssteuern ............- € 25.710
Unternehmensgewinn ...........................€ 110.790

Die Planrechnung 2012 - 2013 geht von denselben Ansätzen aus, für Planungsunsicherheiten wird ein 30%-Abschlag vorgenommen, die Planrechnung ab 2014 berücksichtigt diesbezüglich wiederum ausgehend von denselben Ansätzen einen Abschlag von 50%. Daraus errechnen sich die bereits dargestellten jährlichen Gewinnzahlen von € 78.000 bzw. € 55.000.

Unter Berücksichtigung des Zinssatzes von 4,27 % und dem Ansatz einer ewigen Rente ab 2014 - die sich bei der Wertermittlung mit € 1.044.315,41 (!) niederschlägt - ergibt sich ein Unternehmenswert von gerundet € 1.500.000.

Diese Argumentation veranlasst mich zu folgenden Überlegungen:

Ungeachtet der umgründungssteuerlichen Zulässigkeit ist die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit von Einbringungsvorgängen gesondert zu prüfen und zu beurteilen (OGH 6 Ob 4/01h, 5/01f). Dabei ist entscheidend, dass es zu einer Bewertung der von jedem Beteiligten erbrachten Leistung und zu einer die Relation der Wertverhältnisse wahrenden Festsetzung der Anteilsverhältnisse kommt, um nicht gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr zu verstoßen.
Bei der Beteiligung Fremder bewirkt schon das der Marktwirtschaft inhärente Streben nach Wahrung der eigenen Vermögensinteressen, dass jeder Vertragsteil auf seinen eigenen Vorteil achtet und bei Festsetzung der Anteilsverhältnisse seine Interessen wahrt, damit er kein „schlechtes Geschäft“ macht. Dieser Interessengegensatz bewirkt eine Richtigkeitsgewähr; dieser Gegensatz fehlt, wenn an der Einbringung einander nahe stehende Personen beteiligt sind. Der Einbringungsvorgang kann dann unter dem Aspekt des Verbots der Einlagenrückgewähr bedenklich sein, wenn dadurch nahestehende Personen oder Unternehmen begünstigt werden, indem das Beteiligungsverhältnis unter Verstoß gegen die im Drittvergleich gebotenen üblichen Bedingungen geschlossen wird, insbesondere bei Äquivalenzverletzungen. Die materielle Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichtes bei solchen Einbringungsvorgängen ist vor allem dann gefordert, wenn der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft sein bisheriges Einzelunternehmen unter Ansatz einer Verrechnungsverbindlichkeit nach § 16 Abs 5 UmgrStG in „seine“ Kapitalgesellschaft einbringt.

Nach § 16 Abs 5 Z 2 UmgrStG kann die in Z 1 genannte Passivpost den Gesamtbetrag der getätigten Entnahmen übersteigen; für den die tatsächlichen Entnahmen übersteigenden Betrag enthält das Gesetz eine Entnahmefiktion, wobei diese Passivpost insgesamt 50% des Verkehrswertes des Vermögens am Einbringungsstichtag nicht übersteigen darf. Es liegt keine „unbare Entnahme“ im eigentlichen Sinn vor, vielmehr wird nur die Einstellung einer Verbindlichkeit gegen den Einbringenden in der Einbringungsbilanz gestattet, wodurch naturgemäß das Einbringungskapital vermindert wird. Die Einstellung einer derartigen Verbindlichkeit bewirkt also eine zusätzliche Verschuldung des auf die übernehmende Körperschaft übertragenen Vermögens und führt zu einer Veränderung der Kapitalstruktur zugunsten eines höheren Fremdkapitalanteils. Die übernehmende Körperschaft übernimmt also nicht nur den Betrieb, sondern muss auch eine Verbindlichkeit an den Einbringenden bedienen. Entscheidend ist daher, dass der Kapitalgesellschaft tatsächlich werthaltiges Vermögen zugeführt wird und die Kapitalgesellschaft nicht etwa einen Schuldenüberhang, der sich also insbesondere auch durch Ansatz einer Entnahmeverbindlichkeit zugunsten des einbringenden Alleingesellschafters ergeben kann, übertragen bekommt. Der Verkehrswert des Unternehmens ist unter Anwendung der in der modernen Unternehmensbewertungslehre entwickelten Methoden und Grundsätze zu bestimmen. Der Buchwert des eingebrachten Vermögens ist daher ohne Belang. Für den Verkehrswert sind nicht nur die bilanzmäßig darstellbaren Aktiva maßgebend, sondern auch nicht bilanzierungsfähige immaterielle Werte. Der Verkehrswert umfasst daher sowohl die stillen Reserven als auch einen Firmenwert bzw. einen Geschäftswert.

Zur Ermittlung dieser Werte kommen grundsätzlich nur Gesamtbewertungsverfahren in Frage; diese gehen davon aus, dass sich der Unternehmenswert aus der künftigen Ertragskraft ableitet. Ein solcher Wert ist nach einhelliger Auffassung durch Diskontierung der zukünftigen, aus dem Unternehmen zu erwartenden Vorteilsströme (Unternehmenserträge) zu bestimmen. Dieser konzeptionellen Anforderung werden die Ertragswertverfahren und die DCF-Verfahren gerecht.

Die Bewertung von Unternehmen stößt in der Praxis auf vielfache Schwierigkeiten, die vor allem darin begründet sind, dass es bei der Unternehmensbewertung vor allem auf Prognosen über künftige Ereignisse, Entwicklungen und Risiken ankommt. Die Schwierigkeit der Bestimmung des bei der Ertragsbewertung zugrundeliegenden Zukunftserfolges eines Unternehmens erkennt auch der OGH (SZ 53/172), wobei die diesbezügliche Festsetzung dieser Zukunftserfolge als das Höchstgericht bindende Tatsachenfeststellung beurteilt wird. Die Wahl der Bewertungsmethode wird dem Tatsachenbereich zugeordnet, die nur dann überprüfbar ist, wenn sie auf Schlussfolgerungen beruht, die mit den Gesetzen der Logik oder der Erfahrung unvereinbar sind.
Da die Sachverständigen aufgrund unzureichendem spezifischen Expertenwissen der Judikatur zur Lösung maßgebender, strittiger Tatfragen herangezogen werden, und die Auswahl der anzuwendenden Methode zum Kern der Sachverständigentätigkeit zu zählen ist, würde eine Vorschreibung der Bewertungsmethode die Fruchtbarmachung spezifischen Expertenwissens verhindern (OGH 1 Ob 123/05b; OGH 1 Ob 141/04y).

An der grundsätzlichen Zulässigkeit des Ertragswertverfahrens besteht also kein Zweifel, zumal in der Betriebswirtschaftslehre Einigkeit darüber besteht, dass der Ertragswert bei der Bewertung lebender Unternehmen eine mehr oder weniger wichtige, wenn nicht überhaupt die entscheidende Rolle spielt, weil sich Käufer und Verkäufer mit ihren Preisvorstellungen wesentlich an dem zu erwartenden Nutzen zu orientieren pflegen (OGH 5 Ob 649/80).

Deshalb ist unbestritten, dass der Unternehmenswert grundsätzlich anhand der Kapitalisierung der zukünftigen Nettozuflüsse unter Anwendung eines dem Bewertungsverfahren adäquaten Kapitalisierungszinssatzes zu ermitteln ist (KFS BW1 2006, Rz 59; VwGH 6.7.2006, 2006/15/0186).
Der Wert eines Unternehmens entspricht demnach dem Barwert der finanziellen Überschüsse, da meistens von einer unbegrenzten Lebensdauer auszugehen ist. Bei begrenzter Lebensdauer berechnet sich der Wert des Unternehmens aus der Summe der Barwerte der künftigen Nettozuflüsse bis zur Beendigung des Unternehmens plus dem Barwert der Nettozuflüsse aus der Unternehmensaufgabe (KFS BW1 2006, Rz 10). Der VwGH hat allerdings - bezogen auf eine Teilwertabschreibung - festgehalten, „die Ermittlung eines Unternehmenswertes als Barwert einer ewigen Rente sei unbrauchbar, weil es kein Unternehmen gebe, bei dem man von einem derart hohen Unternehmenswert ausgehen könne, der sich allein aufgrund der Existenz einer ewigen Dividendenzahlung an den Gesellschafter ergebe“ (VwGH 13.9.2006, 2002/13/0129).

Der Ermittlung des Kapitalisierungszinses kommt im Rahmen der zukunftserfolgsorientierten Unternehmensbewertung eine zentrale Bedeutung zu. Der Unternehmenswert wird durch Diskontierung der künftig entziehbaren finanziellen Überschüsse auf den Bewertungsstichtag ermittelt. Die Höhe des Kapitalisierungszinses wirkt sich somit direkt auf die Höhe des Unternehmenswertes aus. Der Zinssatz ist für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände originär zu ermitteln. Aufgrund der drastischen Auswirkungen auch nur geringer prozentualer Abweichungen ist auf eine besonders genau begründete Behandlung der Zu- und Abschläge zum Kapitalisierungszinssatz großer Wert zu legen (OGH 1 Ob 4/93).

Grundlage für die Ermittlung des Zinssatzes ist ein laufzeitäquivalenter Basiszinssatz einer Alternativanlage, der in Form von festverzinslichen Wertpapieren angenommen werden kann. Gegen die Heranziehung der Rendite österreichischer Staatsanleihen mit langer Laufzeit bestehen daher grundsätzlich keine Bedenken. Dies entspricht auch der Praxis in Deutschland, wo in der Regel die Renditen lang laufender Bundeswertpapiere (Bundesanleihen) bei der Ermittlung des Basiszinssatzes herangezogen werden. In Deutschland wird aber darauf aufmerksam gemacht, dass es vor dem Hintergrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus im Rahmen der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte sachgerecht wäre, einen einheitlichen Basiszinssatz für den gesamten Planungszeitraum von 5,5 % p.a. zugrunde zu legen, sofern nicht Besonderheiten im Einzelfall entgegenstehen (Protokoll zur 75. Sitzung des AKU, FN-IDW 2003, S. 26; Goehr/Kupke, Der Kapitalisierungszins im Rahmen der Unternehmensbewertung in Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung 10/2003).

Allgemein anerkannt ist die Zulässigkeit eines Inflationsabschlages, weil davon ausgegangen werden kann, dass ein Unternehmen der Geldentwertung durch Überwälzung gestiegener Kosten auf die Abnehmer mittels Preiserhöhungen entgegenwirken kann. Zu berücksichtigen ist auch ein Steuerabschlag, da die Zukunftserträge des Unternehmens und der Alternativanlage hinsichtlich der Ertragsteuerwirkungen äquivalent sein müssen.

Risikozuschläge sollen das Unternehmerrisiko, das aufgrund der Investition in ein Unternehmen im Gegensatz zu einer Geldanlage in öffentlichen Anleihen begründet ist, abdecken. Aus der für die Marktteilnehmer unterstellten Risikoaversion folgt, dass diese zur Übernahme von unternehmerischen Unsicherheiten durchaus bereit sind, wenn sie im Gegenzug eine über der sicheren Anlage liegende Rendite erwarten können. Die Anleger lassen sich die Übernahme von Risiken in Form einer Risikoprämie auf den Basiszins abgelten (Goehr/Kupke, aaO).
Risiko wird als die Abweichung (Varianz) der tatsächlichen Erträge von den erwarteten Erträgen verstanden; d.h. eine Investition ist risikolos, wenn die tatsächlichen Erträge den erwarteten Erträgen entsprechen. Abweichungen können unternehmensspezifische Ursachen haben und/oder auf Entwicklungen des Gesamtmarktes beruhen. Das zuletzt genannte „systematische Risiko“ kann durch Diversifikation nicht ausgeschaltet werden. Investoren verlangen daher eine Prämie, wenn sie anstatt risikoloser Alternativen das Marktportfolio kaufen (Marktrisikoprämie). Diese Marktrisikoprämie kann basierend auf historischen Daten berechnet oder für die Zukunft prognostiziert werden. Das Investmenthaus Barclays hat etwa für Europa eine Marktrisikoprämie von 5% ermittelt (Lang, Ist Eigenkapital gratis?, SWK 2004, W 147).

Die sorgfältige Ermittlung des Kapitalisierungszinses ist eine notwendige Voraussetzung für die Berechnung plausibler Unternehmenswerte. Grundvoraussetzung bei der Bestimmung von objektivierten Unternehmenswerten ist daher die nachvollziehbare und plausible Ableitung des Kapitalisierungszinses bzw. dessen einzelner Komponenten (Goehr/Kupke, aaO).

Wegen der Zukunftsorientierung und des Prognosecharakters der Unternehmensbewertung ergeben sich zwar erhebliche Bewertungsspielräume, sodass ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr erst dann vorliegt, wenn die Bewertung außerhalb der durch vernünftiges kaufmännisches Ermessen und Beurteilung gezogenen Bandbreite zulässiger und möglicher Unternehmenswerte liegt (vgl. ausführlich Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 227). Der hier ermittelte Unternehmenswert liegt aber außerhalb der durch vernünftiges unternehmerisches Ermessen und Beurteilung gezogenen Bandbreite der zulässigen und möglichen Unternehmenswerte.

Die vorliegende Unternehmensbewertung hat nämlich bei der Ableitung des Kalkulationszinssatzes von 4,27% die Risikozuschläge völlig inadäquat angesetzt. Der ermittelte Zinssatz wird dem Gesamtrisiko dieses Unternehmens in keiner Weise gerecht. Dies zeigen –aufbauend auf die oben dargestellten Rahmenbedingungen - allein schon folgende Überlegungen:

1)
Das Bewertungsgutachten legt im vorliegenden Fall dem Inflationsabschlag die Inflationsrate des Jahres 2008 in Höhe von 3,2% zu Grunde; allein durch die Heranziehung der durchschnittlichen Inflationsrate der letzten Jahre von 2% würde sich unter Aufrechterhaltung der sonstigen Prämissen des Gutachtens ein Kapitalisierungszinssatz von 7,80% ergeben.
2)
Die Heranziehung des in Deutschland diskutierten Basiszinses von 5,5% würde – ebenfalls wieder unter Aufrechterhaltung der sonstigen Prämissen des Gutachtens - einen Kapitalisierungszinssatz von 21,66% ergeben.
3)
Ich wage die These aufzustellen, dass es allen Standards der einschlägigen Bewertungsmethoden widerspricht, die Risikozuschläge in Form eines Prozentsatzes zum festgelegten Ausgangszinssatz (Basiszins) zu berechnen und nicht absolut als nominelle Zuschläge mit dem anzusetzenden Zuschlagsfaktor. Dies hätte bei Zugrundelegung des Ausgangszinssatzes von 1,08% und eines (ohnehin vorsichtigen) Ansatzes von 5% für das Unternehmerwagnis, 3% für die Personenabhängigkeit des Unternehmens und 2% für die (Im)Mobilität einen Kapitalisierungszins von 11,08% zur Folge.
4)
Ein Unternehmenswert von € 1.500.000 für ein Einzelunternehmen, dessen Assets praktisch nur aus dem Fachwissen, dem Netzwerk und dem persönlichen Einsatz des Unternehmers bestehen, hält einem Drittvergleich nicht stand. Kein außen stehender Dritter wäre nämlich bereit, für ein solches Unternehmen zuzüglich zur Übernahme der Entnahmeverbindlichkeit einen Kaufpreis von knapp € 800.000 (dieser Betrag entspricht dem ausgewiesenen Einbringungskapital und damit dem Buchwert) zu bezahlen. Dieser Ansatz ist trotz der engen Verzahnung des Unternehmens mit der Person und dem Fachwissen des konkreten Gesellschafters zulässig.

Ich gestehe zu, dass ich mich mit diesen Überlegungen sehr weit in „fremdes Territorium“ (vgl. OGH 1 Ob 123/05b; OGH 1 Ob 141/04y: „unzureichendes spezifisches Expertenwissen der Judikatur“) vorwage. Umso mehr bin ich an allfälligen fachkundigen Reaktionen auf diesen Beitrag interessiert.

Teilnahmeberechtigung an der Hauptversammlung (§§ 111 und 112 AktG idF AktRÄG 2009)

§ 111 AktG regelt die Teilnahmeberechtigung bei einer börsenotierten Gesellschaft, § 112 AktG die Teilnahmeberechtigung bei einer nicht börsenotierten Gesellschaft.

Börsenotierte Gesellschaft (§ 111):

Die Berechtigung zur Teilnahme und zur Ausübung der Aktionärsrechte richtet sich bei Inhaberaktien nach dem Anteilsbesitz, bei Namensaktien nach der Eintragung im Aktienbuch jeweils am Ende des 10. Tages vor dem Tag der Hauptversammlung. Sind laut Satzung ausschließlich Namensaktien ausgegeben, kann die Gesellschaft in der Satzung vorsehen, dass der Stand des Aktienbuchs am Beginn des Tages der Hauptversammlung maßgeblich ist.

Bei depotverwahrten Inhaberaktien genügt für den Nachweis eine Depotbestätigung gemäß § 10a, die spätestens am dritten Werktag vor der Hauptversammlung der Gesellschaft zugehen muss, wenn nicht in der Einberufung ein späterer Zeitpunkt festgelegt wird.
Bei nicht depotverwahrten Inhaberaktien ist für die Art des Nachweises die Regelung in der Satzung entscheidend, wobei diese die Teilnahmeberechtigung nicht von einer Hinterlegung der Aktien oder einer sonstigen Verfügungsbeschränkung abhängig machen darf. Sollte eine satzungsmäßige Regelung fehlen, genügt die schriftliche Bestätigung eines Notars für den Nachweis des Aktienbesitzes.

Bei Namensaktien kann in der Einberufung festgelegt werden, dass nur solche Aktionäre berechtigt sind, deren Anmeldung in Textform der Gesellschaft spätestens am dritten Werktag vor der Hauptversammlung zugeht; auch hier kann in der Einberufung ein späterer Zeitpunkt festgelegt werden.

Schließlich kann für eine elektronische Teilnahme oder die Abstimmung per Brief in der Satzung oder in der Einberufung (soweit eine satzungsmäßige Ermächtigung besteht) eine gesonderte Anmeldung verlangt werden.

Nicht börsenotierte Gesellschaft (§ 112):

Hier ist bei Inhaberaktien der Anteilsbesitz maßgebend, bei Namensaktien die Eintragung im Aktienbuch jeweils zu Beginn der Versammlung, sofern nicht satzungmäßig der Nachweisstichtag gemäß § 111 (also das Ende des 10. Tages vor dem Tag der Hauptversammlung) für maßgeblich erklärt wird.

Wie die Berechtigung nachzuweisen ist, kann die Satzung regeln; wenn dort die Hinterlegung der Aktien vor der Versammlung vorgesehen ist, genügt es, wenn die Hinterlegung spätestens am siebenten Tag vor der Hauptversammlung bei einem Notar oder bei der Hauptniederlassung eines inländischen Kreditinstituts erfolgt; weitere Hinterlegungsstellen können in der Satzung oder in der Einberufung bestimmt werden.

Falls die Satzung keine Regelung vorsieht, müssen Aktionäre zur Hauptversammlung zugelassen werden, deren Anmeldung der Gesellschaft spätestens am dritten Werktag vor der Versammlung zugeht.

Auch hier kann für die elektronische Teilnahme oder die Abstimmung per Brief eine gesonderte Anmeldung verlangt werden.

15. Juli 2009

AktRÄG 2009 - Bestimmungen über die Hauptversammlung

Der Kernbereich der Änderungen betrifft die Neuregelung der Bestimmungen über die Hauptversammlung in den §§ 102 - 136 AktG.

1) Formen der Teilnahme (§ 102)

Die Hauptversammlung muss an einem Ort im Inland stattfinden, den die Satzung bestimmt; wenn nichts anderes bestimmt wird, hat sie am Sitz der Gesellschaft oder am Sitz einer inländischen Börse, an der die Aktien der Gesellschaft notiert sind, stattzufinden (§ 102 Abs 2).

Neu ist, dass satzungsmäßig vorgesehen werden bzw. der Vorstand ermächtigt werden kann, dass Aktionäre an der Hauptversammlung im Wege elektronischer Kommunikation teilnehmen und auf diese Weise einzelne oder alle Rechte ausüben können (§ 102 Abs 3).

Dafür stehen mehrere Varianten zur Verfügung:

  • Satellitenversammlung, das ist eine zeitgleich mit der Hauptversammlung an einem anderen Ort im Inland oder Ausland stattfindende Versammlung, die wie die Hauptversammlung einberufen und durchgeführt wird und wo für die gesamte Dauer eine Teilnahme durch optische und akustische Zweiweg-Verbindung in Echtzeit sichergestellt ist;
  • Fernteilnahme, das ist die Teilnahme an der Hauptversammlung während der gesamten Dauer von jedem Ort aus mittels einer akustischen und allenfalls auch optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit, die derart ausgestaltet ist, dass die Aktionäre dem Verlauf der Verhandlungen folgen und sich für den Fall der Worterteilung selbst an die Hauptversammlung wenden können;
  • Fernabstimmung, das ist die Abgabe der Stimme auf elektronischem Weg von jedem Ort aus.
    Dabei übermitteln die Aktionäre ihre Stimmen von jedem beliebigen Ort aus auf elektronischem Weg an die Gesellschaft. Verfahrensmäßig kann dabei vorgesehen werden, dass diese Stimmen vor der Hauptversammlung bis seinem festgesetzten Zeitpunkt, vor und während der Hauptversammlung oder auch nur während der Hauptversammlung bis zu jenem Zeitpunkt abgegeben werden können, an dem die persönlich anwesenden Teilnehmer abstimmen. Es muss sichergestellt werden, dass vor der Abstimmung in der Hauptversammlung das Stimmverhalten bei der Fernabstimmung dem Vorstand und dem Aufsichtsrat sowie den übrigen Aktionären nicht bekannt wird.
    Sollte der Aktionär nach dem Verfahren zur Stimmabgabe ein Formular oder eine Eingabemaske zu verwenden haben, muss vorgesorgt sein, dass die Aktionäre zu jedem Beschlussvorschlag abstimmen können. Abgegebene Stimmen sind nichtig, wenn der Beschluss in der Hauptversammlung mit einem anderen Inhalt gefasst wird als im Formular oder in der Eingabemaske vorgesehen (§ 126).

Möglich ist auch eine Übertragung der Hauptversammlung, was bedeutet, dass die Hauptversammlung für die nicht anwesenden Aktionäre akustisch und allenfalls auch optisch in Echtzeit übertragen wird; bei einer börsenotierten Gesellschaft kann auch die öffentliche Übertragung vorgesehen werden (§ 102 Abs 4).

Schließlich kann die Satzung vorsehen, dass die Aktionäre durch Abstimmung per Brief gemäß § 127 an der Hauptversammlung teilnehmen können (§ 102 Abs 6).
Dabei können die Aktionäre ihre Stimmen schriftlich (§ 886 ABGB) an die Gesellschaft übermitteln, wobei sie sich dafür eines von der Gesellschaft zur Verfügung zu stellenden Formulars (Stimmzettel) zu bedienen haben. Die näheren Einzelheiten eines solchen Verfahrens muss die Satzung regeln; insbesondere muss die Satzung eine Bestimmung darüber treffen, bis zu welchem Zeitpunkt vor der Hauptversammlung die Stimmen bei der Gesellschaft einlangen müssen, ob eine bereits abgegebene Stimme bis zu einem angegebenen Zeitpunkt widerrufen oder geändert werden kann und auf welche Weise Aktionäre Widerspruch erheben können.
Für das Verzeichnis der anwesenden Teilnehmer müssen die erforderlichen Angaben zusammen mit dem Stimmzettel der Gesellschaft übersandt werden (§ 117).
Es muss sichergestellt sein, dass vor der Abstimmung in der Hauptversammlung das Stimmverhalten bei der Abstimmung per Brief dem Vorstand und dem Aufsichtsrat sowie den übrigen Aktionären nicht bekannt wird. Zudem muss das Formular so gestaltet sein, dass die Aktionäre zu jedem Beschlussvorschlag abstimmen können, wobei abgegebene Stimmen nichtig sind, wenn der Beschluss in der Hauptversammlung mit einem anderen Inhalt gefasst wird als im Formular vorgesehen.

2) Ordentliche Hauptversammlung (§ 104)

Die ordentliche Hauptversammlung hat gemäß § 104 Abs 1 in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden und ist vom Vorstand einzuberufen. Der Vorstand hat der Hauptversammlung den Jahresabschluss samt Lagebericht und allfälligen Corporate Governance-Bericht, (Konzernabschluss samt Konzernlagebericht), den Vorschlag für die Gewinnverwendung und den vom Aufsichtsrat gemäß § 96 erstatteten Bericht vorzulegen.

Zwingender Inhalt der Tagesordnung muss sein:

  • die Vorlage dieser soeben genannten Unterlagen und allenfalls die Feststellung des Jahresabschlusses
  • die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns (Gewinnverwendung)
  • die Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und der Mitglieder des Aufsichtsrats.

Mit einfacher Stimmenmehrheit muss die Verhandlung über diese Gegenstände vertagt werden, darüber hinaus auch dann, wenn dies eine Minderheit, deren Anteile zusammen 10 % des Grundkapitals erreichen, verlangt. Ein solches Verlangen ist aber nur beachtlich, wenn die Minderheit bestimmte Posten des Jahresabschlusses bemängelt.

3) Vorbereitung der Hauptversammlung (§§ 105 – 110)

Gemäß § 105 Abs 1 wird die Hauptversammlung durch den Vorstand einberufen, anderweitige gesetzliche oder satzungsmäßige Rechte zur Einberufung bleiben unberührt.
Die Hauptversammlung ist auch dann einzuberufen, wenn Aktionäre, deren Anteile 5% des Grundkapitals erreichen, die Einberufung schriftlich unter Vorlage der Tagesordnung und eines Beschlussvorschlags für jeden Tagesordnungspunkt begründet verlangen. Dieses Recht kann satzungsmäßig hinsichtlich der Formstrenge gemindert oder auch für einen geringeren Kapitalanteil vorgesehen werden. Falls dem Verlangen nicht entsprochen wird, können sich die Antragsteller an das Gericht wenden, dass sie zu ermächtigen hat, die Hauptversammlung unter gleichzeitiger Bestimmung des Vorsitzenden der Versammlung einzuberufen (§ 105 Abs 4).

§ 106 regelt den Inhalt der Einberufung zur Hauptversammlung, gemäß § 107 Abs 1 ist die Einberufung spätestens am 28. Tag vor einer ordentlichen Hauptversammlung, ansonsten spätestens am 21. Tag vor der Hauptversammlung bekanntzumachen, sofern die Satzung keine längeren Fristen vorsieht. Diese Bekanntmachung hat durch Veröffentlichung gemäß § 18 AktG zu erfolgen.

Sind die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt, kann die Hauptversammlung stattdessen mit eingeschriebenem Brief an die der Gesellschaft bekannt gegebene Adresse jedes Aktionärs einberufen werden, wenn dies in der Satzung nicht ausgeschlossen ist. Stattdessen kann ein Aktionär der Gesellschaft eine elektronische Postadresse (e-mail) bekannt geben und in die Mitteilung der Einberufung auf diesem Weg einwilligen (§ 107 Abs 2).

Börsenotierte Gesellschaften müssen die Einberufung auch in einer Form bekannt machen, die in nicht diskriminierender Weise einen schnellen Zugang zu ihr gewährleistet. Dabei muss sie sich eines Mediums bedienen, bei dem davon auszugehen ist, dass es die Informationen in der gesamten EU öffentlich verbreitet (§ 107 Abs 3).
Die bedeutet wohl (arg. in nicht diskriminierender Weise), dass die entsprechende Internetseite der Gesellschaft jene Barrierefreiheit aufweisen muss, die nach dem Stand der derzeitigen Technik Usern mit Seh- und Hörbeeinträchtigungen und sonstigen Einschränkungen in der Wahrnehmung trotzdem den Zugang ermöglichen.

Bereitstellung von Informationen (§ 108)
Der Vorstand und Aufsichtsrat haben zu jedem Punkt der Tagesordnung Vorschläge zur Beschlussfassung zu machen.

Ab dem 21. Tag vor der Hauptversammlung sind am Sitz der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre aufzulegen:

  • der Beschlussvorschläge samt allfälliger Erläuterungen oder Begründungen
  • Jahresabschluss mit Lagebericht und gegebenenfalls Corporate Governance-Bericht, Konzernabschluss mit Konzernlagebericht, Vorschlag für die Gewinnverwendung sowie Bericht des Aufsichtsrats
  • für den Fall der Abstimmung über einen Vertrag den Vertragsentwurf oder dessen wesentlichen Inhalt
  • alle sonstigen Berichte und Unterlagen, die vorzulegen sind.

Eine börsennotierte Gesellschaft hat ab dem 21. Tag vor der Hauptversammlung die Einberufung zur Hauptversammlung, die soeben genannten Unterlagen und die Formulare für die Erteilung und den Widerruf einer Vollmacht, gegebenenfalls für die Fernabstimmung und die Abstimmung per Brief bis zum Ablauf eines Monats nach der Hauptversammlung durchgehend auf ihrer Internetseite zugänglich zu machen.

Eine nicht börsennotierte Gesellschaft hat jedem Aktionär auf Verlangen unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der zuvor genannten Unterlagen zu erteilen, es sei denn, die Gesellschaft betreibt eine Internetseite, auf der sie diese Unterlagen zugänglich macht.

Beantragung von Tagesordnungspunkten (§ 109)
Gemäß § 109 Abs 1 können Aktionäre, deren Anteile 5 % des Grundkapitals erreichen, die Aufnahme von Punkten auf die Tagesordnung der nächsten Hauptversammlung schriftlich verlangen; zu jedem Tagesordnungspunkt muss ein Beschlussvorschlag samt Begründung beigefügt werden. § 109 Abs 2 regelt den näheren Voraussetzungen, wann ein derartiges Verlangen der Minderheitsaktionäre beachtlich ist.

Beschlussvorschläge von Aktionären (§ 110)
In einer börsenotierten Gesellschaft können Aktionäre, deren Anteile zusammen 1% des Grundkapitals erreichen, der Gesellschaft zu jedem Punkt der Tagesordnung in Textform Vorschläge zur Beschlussfassung übermitteln und verlangen, dass diese Vorschläge zusammen mit ihrem Namen, der anzuschließenden Begründung und einer allfälligen Stellungnahme des Vorstands oder des Aufsichtsrats auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht werden.

Die Gesellschaft muss für die Übermittlung von Beschlussvorschlägen von Aktionären zumindest einen elektronischen Kommunikationsweg zur Verfügung stellen.

Eine Zugänglichmachung auf der Internetseite ist dann nicht erforderlich, wenn der Beschlussvorschlag keine Begründung enthält, dieser zu einem gesetz- oder satzungswidrigen Beschluss der Hauptversammlung führen würde, ein auf demselben Sachverhalt gestützter gleichsinniger Vorschlag bereits zugänglich gemacht wurde, der objektive Tatbestand der üblen Nachrede oder der Beleidigung erfüllt oder sich der Vorstand durch das Zugänglichmachen strafbar machen würde oder die Aktionäre zu erkennen geben, dass sie an der Hauptversammlung nicht teilnehmen und sich nicht vertreten lassen werden.

Eine wesentliche Erleichterung sieht § 105 Abs 5 vor; demnach können ohne Einhaltung der soeben dargestellten Bestimmungen über die Vorbereitung der Hauptversammlung Beschlüsse gefasst werden, wenn alle Aktionäre selbst oder durch Vertreter an der Hauptversammlung teilnehmen und kein Aktionär der Beschlussfassung widerspricht.

14. Juli 2009

Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009 (AktRÄG 2009) - 1. Teil

Das Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009 (AktRÄG 2009) hat den Nationalrat passiert.

Auszugsweise möchte ich in den folgenden Tagen über einige damit eintretende Änderungen berichten.

1) Ausschluss der Einzelverbriefung (§ 10 Abs 6 AktG):

In der Satzung kann der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, wozu bei Satzungsänderung die Mehrheit gemäß § 146 AktG (drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals, es sei denn, die Satzung sieht eine andere Kapitalmehrheit vor) und außerdem die Zustimmung bestimmter Aktionäre erforderlich ist.
Bislang konnte in der Satzung oder durch Satzungsänderung der Anspruch auf Einzelverbriefung der Aktien ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Neu ist nunmehr, dass in bestimmten Fällen eine besondere Zustimmung jener Aktionäre erforderlich ist, denen nicht zumindest die Verbriefung ihres Anteils in einer Sammelurkunde verbleibt; letztere ist allerdings dann nicht notwendig, wenn die betreffenden Aktien börsennotiert sind.

Börsennotierung liegt dann vor, wenn Aktien der Gesellschaft zum Handel an einer anerkannten Börse im Sinne des § 2 Z 32 BWG zugelassen sind (§ 3 idF AktRÄG 2009).

2) Depotbestätigung (§ 10a AktG):

Wenn Aktionäre bei depotverwahrten Inhaberaktien gegenüber der Gesellschaft zur Ausübung ihrer Rechte die Tatsache oder den Umfang ihres Aktienbesitzes nachweisen müssen, genügt anstelle der Vorlage der Aktienurkunden die Vorlage einer Bestätigung des Anteilsbesitzes, die vom depotführenden Kreditinstitut mit Sitz in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums oder in einem Vollmitgliedsstaat der OECD ausgestellt wurde. Außerdem können in der Satzung oder auch in der Einberufung zur Hauptversammlung weitere geeignete Personen oder Stellen festgelegt werden, deren Depotbestätigungen von der Gesellschaft entgegengenommen werden.

Solche Bestätigungen bedürfen der Schriftform, sofern die Satzung nicht die Textform genügen lässt (siehe dazu weiter unten).

Diese Depotbestätigung darf zum Zeitpunkt der Vorlage bei der Gesellschaft nicht älter als sieben Tage sein, wenn damit der Nachweis der gegenwärtigen Eigenschaft als Aktionär geführt werden soll. Dieser Zeitraum kann in der Satzung verkürzt werden, wenn gleichzeitig vorgesehen wird, dass die Gesellschaft oder eine von ihr benannte Stelle Depotbestätigungen über ein international verbreitetes, besonderes gesichertes Kommunikationsnetz der Kreditinstitute entgegennimmt, dessen Teilnehmer eindeutig identifiziert werden können.

3) Stimmrechtsregelung (§§ 12, 12a AktG):

Jede Aktie gewährt das Stimmrecht, wobei dieses nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge, bei Stückaktien nach deren Zahl ausgeübt wird. Ausdrücklich vorgesehen wird, dass ein Aktionär für verschiedene Aktien unterschiedlich abstimmen kann. Eine Einschränkung des Stimmrechts kann die Satzung insoweit treffen, als für den Fall, dass ein Aktionär mehrere Aktien besitzt, das Stimmrecht durch Festsetzung eines Höchstbetrages oder von Abstufungen beschränkt werden kann.
Dieses split voting war auch schon nach der bisherigen Rechtslage zulässig; es bleibt demnach dabei, dass ein einzelner Aktionär im Falle einer uneinheitlichen Stimmabgabe sein Recht zum Widerspruch gegen die Beschlussfassung einbüßt (Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG4, § 114 Rz 3).

Mehrstimmrechtsaktien sind nach wie vor unzulässig.

Vorzugsaktien ohne Stimmrecht werden in § 12a geregelt und definiert als Aktien, die mit einem nachzuzahlenden Vorzug bei der Verteilung des Gewinns ausgestattet sind. Für diese kann das Stimmrecht ausgeschlossen werden. Abgesehen davon gewähren solche Vorzugsaktien die jedem Aktionär aus der Aktie zustehenden Rechte.

4) Formvorschriften und Begriffsbestimmungen (§ 13 AktG):

Wie schon gemäß § 13 in der bisherigen Fassung genügt zur Unterzeichnung von Aktienurkunden und Zwischenscheinen eine vervielfältigte Unterschrift (Abs 1).

Wenn das AktG für Erklärungen Textform vorschreibt, bedeutet dies, dass die Erklärung in einer Urkunde oder auf eine andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden muss (Abs 2).

Wenn Erklärungen in Schriftform vorgeschrieben sind, genügt eine Erklärung in Textform in den Fällen, in denen diese über ein international verbreitetes, besonderes gesichertes Kommunikationsnetz der Kreditinstitute übermittelt wird, dessen Teilnehmer eindeutig identifiziert werden können (Abs 3).

Wenn das AktG für Erklärungen an die Gesellschaft den elektronischen Kommunikationsweg zulässt, gilt die Erklärung der Gesellschaft zugegangen, sobald sie im Machtbereich der Gesellschaft eingelangt ist (Abs 4).

Wenn das AktG vorschreibt, dass Informationen auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht werden, muss dies in der Form geschehen, dass diese gelesen und als Dokument gespeichert und ausgedruckt werden können. Eine nicht börsennotierte Gesellschaft kann den Zugriff zu dieser Internetseite auf ihre Aktionäre beschränken (Abs 5).

Der Samstag ist kein Werktag im Sinne des AktG (Abs 6).

5) Satzung im Notariatsaktsform (§ 16 Abs 1 AktG):

Der Gesetzgeber stellt die (teilweise) strittige Frage der Formbedürftigkeit klar, die Satzung der Aktiengesellschaft muss demnach in Form eines Notariatsaktes festgestellt werden.

6) Die soeben referierten Bestimmungen treten mit 1. August 2009 in Kraft (§ 262 Abs 15 AktG).

12. Juli 2009

Abhilfe des Vertretungsmangels in Kollisionsfällen in der GmbH

Die Frage der Vertretung einer GmbH in Kollisionsfällen ist Gegenstand der Entscheidung des OGH zu 6 Ob 270/07k.

Der Leitsatz daraus lautet wie folgt:
Dem Firmenbuchgericht obliegt die Bestellung eines Kollisions- oder Zustellkurators nur für ein bei ihm anhängiges Verfahren; in den übrigen Fällen kommt die Bestellung sonstiger Kuratoren dem Pflegschaftsgericht (§§ 109, 112 JN) oder den sonst zuständigen Gerichten (§§ 8, 116 ff ZPO) zu.

Wenn im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Gesellschaft und deren Organen eine Kollision auftritt, fehlt dem Firmenbuchgericht für eine Kuratorbestellung die Zuständigkeit. Zuständig ist das Pflegschaftsgericht, wo sich der Sitz der juristischen Person, der Personengesellschaft oder des sonstigen rechts- oder parteifähigen Gebildes befindet (§ 109 JN).

Die wesentlichen Aussagen des OGH:

Wenngleich nach neuerer Auffassung ein Notgeschäftsführer auch in Kollisionsfällen bestellt werden könne (OGH 6 Ob 53/06x; Pöltner, Notgeschäftsführer 40 ff), sehe die herrschende Auffassung doch im Fall der Kollision die Bestellung eines Kollisionskurators ebenso für zulässig an wie die Bestellung eines Notgeschäftsführers (vgl RIS-Justiz RS0049116; RIS-Justiz RS0059923).
Auch nach der Lehre sei bei Auftreten von Interessenkollisionen wie etwa im Prozess zwischen Gesellschaft und Geschäftsführung in erster Linie an die Bestellung eines Kollisionskurators oder eines Notgeschäftsführers zu denken (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 20 Rz 25 mwN). Die Publizitätsrichtlinie überlasse diese Frage der Regelung durch die Mitgliedstaaten (EuGH vom 16.12.1997, C-104/96, Rabobank gegen Minderhoud; Koppensteiner/Rüffler, aaO § 20 Rz 25 mwN).

Dass sich die Befugnis des Außerstreitgerichts zur Bestellung eines Kurators in einem anhängigen Verfahren nur auf das konkret anhängige Verfahren beziehe, ergebe sich nicht nur aus den einhellig vertretenen Lehrmeinungen, sondern auch zweifelsfrei aus den Gesetzesmaterialien (abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG 57 f). Demnach erfolge die Abgrenzung der Frage, ob die notwendige Bestellung eines gesetzlichen Vertreters innerhalb des konkreten Außerstreitverfahrens oder in einem gesonderten Verfahren von dem nach § 109 oder § 112 JN zuständigen Gericht vorzunehmen wäre, derart, dass nur die Kollisionskuratel sowie der Zustellkurator im konkreten Verfahren, alle übrigen Kuratoren aber ebenso wie Sachwalter in dem dafür vorgesehenen Pflegschaftsverfahren bestellt werden sollten.

Diese Judikatur bedeutet demnach, dass daneben die Antragslegitimation eines Betroffenen zur Bestellung eines Notgeschäftsführers aufrecht bleibt. Für eine solche
Bestellung ist das Firmenbuchgericht zuständig (§ 15a, 102 GmbHG). Dieses kann daher eine zurück-/abweisende Entscheidung nicht darauf stützen, dass die (vielleicht naheliegendere) Bestellung eines Kollisionskurators in Frage käme.