12. Mai 2010

Bestellung von Vorstandsmitgliedern einer Privatstiftung durch den begünstigtendominierten Beirat

Im Firmenbuch ist zu FN **** die H** Privatstiftung mit dem Sitz in Innsbruck eingetragen. Deren Vorstandsmitglieder sind Dr. Gerhard S**, Dr. Rolf K** und Dr. Michael L**.
Der Vorstand besteht aus drei Mitgliedern, die genannten Vorstandsmitglieder wurden in der Stiftungsurkunde von den vier Stiftern zu Mitgliedern des ersten Stiftungsvorstands bestellt.
Die erste Funktionsperiode des Vorstandes, die gemäß Stiftungsurkunde jeweils fünf Geschäftsjahre beträgt, endete am 31.12.2004, seinerzeit wurden die Mitglieder des ersten Stiftungsvorstands mit Bestellungsbeschluss der Stifter auf eine weitere Funktionsperiode von fünf Jahren bestellt. Diese weitere Funktionsperiode endete daher am 31.12.2009.

Die Stiftungsurkunde regelt die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder in Punkt Elftens lit c) wie folgt:

Die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands in der Zukunft sowie die Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands aus wichtigen Gründen erfolgen, soweit dem nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen, durch die Stifter, wenn ein Stifter verstorben ist oder die Geschäftsfähigkeit verloren hat, durch den Stiftungsbeirat.
Kommt ein Beschluss des Stiftungsbeirates über die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands nicht zu Stande, erfolgt deren Bestellung durch das Gericht. Diesfalls ist der Stiftungsbeirat berechtigt, dem Gericht Personen zur Bestellung als Mitglieder des Stiftungsvorstands vorzuschlagen.


Begünstigte der Privatstiftung sind die Stifter und deren Kinder.

Der Stiftungsbeirat besteht mehrheitlich aus Begünstigten der Privatstiftung. Gemäß Punkt Vierzehntens der Stiftungsurkunde ist der Stiftungsbeirat Beratungs- und Kontrollorgan des Stiftungsvorstands, nähere Regelungen dazu sind in der Stiftungszusatzurkunde festgelegt.

Mit dem am 16.04.2010 überreichten Antrag beantragen die bisherigen Vorstandsmitglieder, sie für eine weitere Funktionsperiode von fünf Jahren als Stiftungsvorstandsmitglieder zu bestellen, wobei sie im wesentlichen vorbrachten, dass im Lichte der jüngsten OGH-Judikatur eine direkte Bestellung des Stiftungsvorstands durch den derzeit besetzten Beirat der Privatstiftung nicht möglich sei, da er mehrheitlich aus Begünstigten zusammengesetzt sei.
Der Stiftungsbeirat habe von seinem Vorschlagsrecht gemäß den Regelungen in der Stiftungsurkunde Gebrauch gemacht und die bisherigen Vorstandsmitglieder mit Beschluss vom 29.10.2009 für eine weitere Funktionsperiode als Stiftungsvorstände vorgeschlagen.
Dieser Vorschlag des Stiftungsbeirats ist dem Antrag beigelegt.

Die (bisherigen) Vorstandsmitglieder erklärten im Antrag, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und nicht zum Personenkreis gemäß § 15 Abs 2 und 3 PSG gehören. Außerdem erklärten sie, in keinerlei Abhängigkeitsverhältnis zu den Begünstigten der Privatstiftung zu stehen, es bestehe diesbezüglich auch keinerlei Weisungsgebundenheit.

Ich habe diesen Antrag auf gerichtliche Bestellung der Vorstandsmitglieder mit folgender Begründung abgewiesen:

Vorauszuschicken ist, dass das Recht des Beirats, den Vorstand zu bestellen oder abzuberufen, für sich allein keine Aufsichtsratsähnlichkeit begründet. Der Aufsichtsrat hat dieses Recht nach dem PSG nämlich nicht. Damit stellen sich Fragen der Aufsichtsratsähnlichkeit in diesem Kontext nicht, weshalb zu klären sein wird, ob eine gerichtliche Bestellung von Vorstandsmitgliedern überhaupt möglich ist, wenn die Stiftungsurkunde diesbezüglich zulässigerweise eine Bestellungskompetenz des Stiftungsbeirates vorsieht (auch wenn dieser mehrheitlich mit Begünstigten besetzt ist).

In Kenntnis der jüngsten Entscheidung des OGH zu 6 Ob 42/09h hat sich das OLG Innsbruck zu 3 R 13/10a ausführlich mit der Literatur und der bisherigen OGH-Judikatur zu dieser Frage auseinandergesetzt und dabei festgehalten:

Ein genereller Grundsatz, wonach eine Person, die einem bestimmten Organ nicht angehören darf, auch nicht die Mitglieder dieses Organs bestellen oder abberufen dürfte, sei der österreichischen Rechtsordnung fremd (N. Arnold, GesRZ 2009, 349R, 350L; P. Doralt, GesrRZ 1997, 136f). Das Recht zur Bestellung von Organmitgliedern begründe daher generell keine Abhängigkeit des bestellten Organs gegenüber dem Bestellungsberechtigten, die mit dem Verbot einer Doppelzugehörigkeit unvereinbar wäre (Kalss, PSR 2009, 108R).

Dies müsse für den Stifter einer Privatstiftung umso mehr gelten, selbst wenn er nicht mehr die Stifterrolle einnimmt, sondern sich selbst auch als Begünstigter einsetzt. Ein solcher begünstigter Stifter dürfe zwar nicht selbst Stiftungsvorstandsmitglied sein (§ 15 Abs 1 PSG), er dürfe aber die Stiftungsvorstandsmitglieder bestellen und abberufen (Kalss, PSR 2009, 109L).

Auch mehrere Entscheidungen des OGH würden nicht gegen diesen Standpunkt sprechen (6 Ob 178/05b, 6 Ob 291/02s, 6 Ob 305/01y, 6 Ob 116/01d).

Es entspreche herrschender Auffassung, dass die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands sowie die Abberufung derselben, soweit die Abberufung auf wichtige Gründe beschränkt ist, durch Begünstigte und/oder den begünstigtendominierten Beirat zulässig sei (N. Arnold, GesRZ 2009 349L).
Das Recht zur Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands und das auf sachliche Gründe eingeschränkte Recht zur Abberufung der Vorstandsmitglieder stelle noch keinen unzulässigen Einfluss auf das Stiftungsgeschehen durch die Begünstigten oder den Stifter selbst dar. Auch ein ausschließlich oder mehrheitlich mit Begünstigten besetzter Beirat könne diese Befugnisse haben (Briem, GesRZ 2009, 19 f).

In 6 Ob 145/09f beschäftigte sich der OGH mit den Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 15 Abs 2 und 3 PSG. Mit diesen Normen sollten demnach die Objektivität des Stiftungsvorstands bei der Vollziehung der Begünstigtenregelung gewahrt und Interessenskollisionen vermieden werden. Die Ratio dieser zwingenden Bestimmung erfordere, die Unvereinbarkeit auch auf Vertreter der Begünstigten zu erstrecken, könnte doch andernfalls die Regelung des § 15 Abs 2 und 3 PSG leicht umgangen werden.
Hingegen wäre eine frühere (abgeschlossene) Tätigkeit als Vertreter unschädlich, soweit nicht in besonderen Ausnahmefällen, etwa wegen des außergewöhnlichen Umfangs der Vertretung und des bezogenen Honorars der Anschein entstehen könnte, der betreffende Organwalter sei bei der Ausübung seines Amts als Mitglied des Stiftungsvorstands nicht mehr unvoreingenommen. In diesem Fall könnte das Gericht gemäß § 27 Abs 2 PSG das betreffende Organmitglied auch abberufen. Umgekehrt würden derartige Umstände naturgemäß der Bestellung der betreffenden Person zum Organmitglied durch das Gericht entgegenstehen.
Nach herrschender Ansicht seien wichtige Gründe im Sinne des § 27 Abs 2 PSG nämlich alle bedeutsamen Umstände, die die Belange der Gesellschaft bzw Privatstiftung gefährden oder ihr die Beibehaltung der aufrechten Bestellung des Organmitglieds unzumutbar machen. Dabei könnten auch Interessenkollisionen, die (noch) nicht den Grad einer Unvereinbarkeit erreichen, einen wichtigen Grund für die Abberufung eines Organmitglieds bilden, wenn dadurch die Verfolgung des Stiftungszwecks, insbesondere bei Vollziehung der vom Stifter vorgesehenen Begünstigtenregelung oder das sonstige ordnungsgemäße Funktionieren der internen Kontrollsysteme nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet ist.
Im Rahmen der Entscheidung nach § 27 Abs 1 und 2 PSG sei letztlich immer auch eine Prognoseentscheidung vorzunehmen. Entscheidend sei, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in Zukunft gewährleistet ist. Dabei sei im Hinblick auf die bei der Privatstiftung fehlenden externen Kontrollmechanismen bei der Beurteilung, ob ein Abberufungsgrund vorliegt, kein all zu strenger Maßstab zugrunde zu legen. Vielmehr erfordere die „Verselbständigung" des Vermögens, die fehlende Kontrolle durch Eigentümer und das Nichtvorhandensein von Gesellschaftern - sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse der Privatstiftung selbst - eine funktionsfähige Organisation und deren effiziente Kontrolle, um die Gefahr von Missbrauch oder Schädigung hintanzuhalten und die Erfüllung des Stifterwillens zu gewährleisten.

Im hier zu beurteilenden Fall haben die seit Entstehen der Privatstiftung tätigen Vorstandsmitglieder - unter ausdrücklichem Bezug darauf, dass sie in Kenntnis der neuen Judikatur sind - erklärt, dass sie weder dem Personenkreis des § 15 Abs 2 und 3 PSG angehören noch in einem weisungsgebundenen Abhängigkeitsverhältnis zu den Begünstigten der Privatstiftung stehen. Wie ich schon in meinem Beitrag vom 14.03.2010 geschrieben habe, reicht diese Erklärung über das Nichtvorliegen von Unvereinbarkeiten aus, ohne dass sie näher bescheinigt oder begründet werden müsste. Es gibt also vor diesem Hintergrund keinen Anlass, den Vorstandsmitgliedern eine Inkompatibilität zu unterstellen. Insoweit liegt also auch kein Bestellungshindernis vor.

Unter Zugrundelegung der oben dargestellten Entscheidung des OLG Innsbruck besteht aber auch keine Grundlage für eine gerichtliche Bestellung der Vorstandsmitglieder. Die Regelung in Punkt Elftens lit c der Stiftungsurkunde ist nämlich zulässig, es stehen also einer Bestellung der Vorstandsmitglieder durch den Stiftungsbeirat (die Stifter) keine zwingenden gesetzlichen Bestimmungen entgegen, sodass es den in der Stiftungsurkunde vorgesehenen Organen obliegt, für die neuerliche Bestellung der Vorstandsmitglieder zu sorgen, zumal im Hinblick auf die fünfjährige Funktionsdauer auch keine Bedenken dahingehend gegeben sind, dass über die Bestelldauer unzulässiger Einfluss auf die Gebarung des Stiftungsvorstands ausgeübt werden könnte.

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