27. Juni 2008

Konsequenzen der erleichterten Gewerbeausübung für EU-Bürger auf das Firmenbuchverfahren

Gemäß § 12 Abs 1 UGB ist ein Rechtsträger, dessen Hauptniederlassung oder Sitz im Ausland liegt, in das Firmenbuch einzutragen, wenn er im Inland eine Zweigniederlassung hat. Voraussetzung einer solchen Eintragung ist die Errichtung der Zweigniederlassung im Inland.
Ob eine inländische Zweigniederlassung vorliegt, richtet sich nach österreichischem Recht. Der Begriff der Zweigniederlassung ist gesetzlich nicht näher definiert. Als Zweigniederlassung wird ein vom Sitz räumlich getrennter, organisatorisch weitgehend verselbständigter Teil des Unternehmens verstanden, der unter einer eigenen Leitung tätig wird und auf mehr als nur vorübergehende Dauer hin angelegt ist. Die Judikatur verlangt darüber hinaus, dass die Zweigniederlassung nach außen hin selbständig geleitet wird und dass der Leiter selbständig vertretungsbefugt ist (Koppensteiner/Rüffler, GmbH-Recht³ § 114 Rn 2 mwN). Erforderlich sind daher auch entsprechende Einrichtungen in kommerzieller Hinsicht, die es ermöglichen, den vorgesehenen Geschäftsbetrieb fortlaufend (nicht nur vorübergehend) und (mit Ausnahme von Weisungen der Unternehmensführung) relativ selbständig zu führen. Bloße Warenbezugs- und Aufbewahrungsstellen, eine auf Vermittlungsdienste beschränkte Einrichtung, ein Etablissement mit bloß technischem, aber nicht kommerziellen Wirkungskreis erfüllen diese Voraussetzungen ebensowenig wie Schauräume, Werkstätten oder Auslieferungslager, in denen nur faktische Dienste geleistet werden (Koppensteiner/Rüffler aaO; Jabornegg/Geist § 254 Rn 7).

Mit diesen vom OGH in 6 Ob 43/04y, 6 Ob 44/04w herausgearbeiteten Grundsätzen habe ich mich bereits im Beitrag vom 30.05.2008 befasst.

Ein Artikel von Dr. Ulrike Sehrschön im Wirtschaftsblatt vom 26.06.2008 (Seite 27) unter dem Titel Gewerbeausübung light für EU-Bürger veranlasst mich zu Überlegungen, welche Auswirkungen auf das Verfahren zur Eintragung von inländischen Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften (mit dem Sitz in der EU/im EWR) die im angesprochenen Artikel aufgezeigten Normen mit sich bringen könnten.

Ulrike Sehrschön weist zusammengefasst auf Folgendes hin:

Die Umsetzung der EU-Richtlinie 2005/36/EG durch die Gewerbeordnungsnovelle 2008 bringt erleichterte Bedingungen für EU-Ausländer bei der grenzüberschreitenden Ausübung reglementierter Gewerbe mit sich. So genügte schon bisher für die Ausübung „freier“ Gewerbe eine entsprechende Berufsberechtigung im Niederlassungsstaat. Für reglementierte Gewerbe musste zusätzlich der Nachweis der Anerkennung oder Gleichhaltung der ausländischen Berufsqualifikation mit dem im Inland vorgeschriebenen Befähigungsnachweis erbracht werden. Dieses Erfordernis bestand ungeachtet einer dauernden Niederlassungsabsicht oder eines nur einmaligen Tätigwerdens in Österreich.
Die Umsetzung der EU-Richtlinie bringt nun erleichterte Bedingungen bei „vorübergehender grenzüberschreitender Dienstleistung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit“. Wenn EU-Staatsangehörige in ihrem Niederlassungsstaat eine befugte Tätigkeit ausüben, dürfen sie das vorübergehend auch in Österreich tun. Die Erbringung eines Befähigungsnachweises ist nicht mehr erforderlich, wenn die gewerbliche Tätigkeit oder Ausbildung dazu auch im Niederlassungsstaat reglementiert ist oder der Dienstleister die gewerbliche Tätigkeit während der vergangenen 10 Jahre mindestens zwei Jahre im Niederlassungsstaat ausgeübt hat.
Die erstmalige Aufnahme der Tätigkeit in Österreich hat der Dienstleister dem BMfAW als zuständige Behörde unter Nachweis seiner Berufsqualifikation vorher anzuzeigen bzw. einmal jährlich zu erneuern. Eine Kompetenz zur Nachprüfung seitens der Behörde besteht nur bei den Gewerben, bei denen bei mangelnder Berufsqualifikation eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Gesundheit oder Sicherheit von Personen zu erwarten ist.
Die Behörde hat dem Dienstleister die erfolgte Anzeige binnen 1 Monat zu bestätigen; falls binnen zwei Monaten keine Reaktion erfolgt, darf die Tätigkeit jedenfalls aufgenommen werden.
Die Umsetzung betrifft aber nur den Bereich der Dienstleistungsfreiheit; im Bereich der Niederlassungsfreiheit bleibt es bei der bisherigen Rechtslage, womit im Einzelfall zu klären sein wird, wann es sich bei der Ausübung einer reglementierten gewerblichen Tätigkeit noch um (bloße) Dienstleistungserbringung handelt oder schon um eine Tätigkeit im Rahmen einer österreichischen Niederlassung.


Es ist somit durchaus naheliegend, dass ausländische Dienstleister (soweit es sich um eingetragene Rechtsträger in ihrem jeweiligen Sitzstaat handelt) ein Interesse daran haben könnten, gerichtlich bestätigt zu bekommen, dass keine eintragungspflichtige Zweigniederlassung im Inland vorhanden ist. Sie hätten damit ein kaum zu widerlegendes Argument gegenüber der Gewerbebehörde in der Hand, nur „dienstleistend“ tätig zu sein und eben nicht im Rahmen einer Niederlassung.

Damit werden meines Erachtens die Firmenbuchgerichte verstärkt in die materielle Prüfung einsteigen müssen, ob die eingangs aufgezeigten Kriterien einer Zweigniederlassung tatsächlich erfüllt sind. Dabei wird zu beachten sein, dass die Mitwirkung der Antragsteller möglicherweise auf eine abweisende Entscheidung ausgerichtet ist, um in den Genuss der gewerberechtlichen Erleichterungen zu kommen. Da der Firmenbuchrichter in seiner beruflichen Tätigkeit in erster Linie davon geprägt ist, dass alle Antragsteller immer das erreichen wollen, was sie begehren, halte ich das Aufzeigen dieser Aspekte für besonders erforderlich. Eine verstärkte Einbindung der gesetzlichen Interessenvertretung im Sinne des § 14 FBG im Ermittlungsverfahren samt einer Verbesserung der diesbezüglichen „Erhebungsqualität“ wird daher in solchen Konstellationen geboten sein.

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