Im Zuge der Prüfung des Verschmelzungsvorganges traten aufgrund der von den Gesellschaften gewählten Vorgangsweise einige Unklarheiten auf, die ich hier in Form der Schilderung der gesetzten Schritte, gefassten Beschlüsse und abgeschlossenen Verträge vorstellen möchte.
Die Ausgangssituation:
Die Geschäftsführung der (österreichischen) K-GmbH hat in Vorbereitung der Verschmelzung einen Verschmelzungsplan vom 30.10.2007 samt Entwurf eines Verschmelzungsvertrages (noch ohne Datum) am 17.12.2007 beim Firmenbuchgericht Innsbruck eingereicht.
Wesentliche Änderungen dieses Verschmelzungsvertrags-Entwurfs wurden in weiterer Folge nicht vorgenommen, vielmehr wurde dieser Entwurf als Verschmelzungsvertrag am 6.2.2008 von den Geschäftsführern der beiden Gesellschaften unterschrieben.
Der Hinweis auf die Einreichung des Verschmelzungsplans samt Entwurf des Verschmelzungsvertrages wurde am 18.12.2007 im Amtsblatt der Wiener Zeitung und am 19.12.2007 im Boten für Tirol mit dem gemäß § 8 Abs 2 EU-VerschG erforderlichen Mindestinhalt veröffentlicht.
Die (österreichische) K-GmbH als Alleingesellschafterin der (deutschen) W-GmbH hat in der Generalversammlung vom 6.2.2008 u.a. folgende Beschlüsse gefasst bzw. folgende Erklärungen abgegeben:
- Die W-GmbH wird als übertragende Gesellschaft unter Ausschluss der Abwicklung durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit Wirkung zum 30.6.2007 auf die K-GmbH als übernehmende Gesellschaft verschmolzen.
- Dieser Verschmelzung wird der zwischen den beiden Gesellschaften am heutigen Tag abgeschlossene Verschmelzungsvertrag samt Bilanz der W-GmbH zu Grunde gelegt. Der vorliegende Verschmelzungsvertrag wird für die W-GmbH genehmigt.
- Zur Durchführung dieses Verschmelzungsvorganges unterbleibt die Gewährung von Gesellschaftsanteilen und somit eine Kapitalerhöhung bei der K-GmbH, weil sich in deren Hand alle Gesellschaftsanteile an der übertragenden Gesellschaft befinden.
- Der gemeinsame Verschmelzungsbericht der Geschäftsführer der übertragenden und der aufnehmenden Gesellschaft liegt vor und wird zustimmend zur Kenntnis genommen. Mit dem Hinweis auf § 9 Abs 2 dUmwG wird festgestellt, dass sich alle Anteile des übertragenden Rechtsträgers in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befinden, weshalb eine Verschmelzungsprüfung nicht erforderlich ist.
- Auf die Prüfung des Verschmelzungsplans wird im Sinne des § 7 Abs 1 österr. GesRÄG (gemeint EU-VerschG) von der Alleingesellschafterin und übernehmenden Gesellschaft verzichtet.
- Die Alleingesellschafterin erklärt ausdrücklich, auf die Einwendung einer Klage auf Anfechtung der Feststellung der Nichtigkeit des gegenständlichen Verschmelzungsbeschlusses unwiderruflich zu verzichten.
Die Alleingesellschafterin der K-GmbH hat in der Generalversammlung vom 15.2.2008 u.a. folgende Beschlüsse gefasst bzw. folgende Erklärungen abgegeben:
- Der von den Geschäftsführern erstellte gemeinsame Verschmelzungsplan und gemeinsame Verschmelzungsbericht wird genehmigt und die Zustimmung erteilt. Auf die Prüfung des Verschmelzungsplans wird verzichtet. Den Gläubigern der beteiligten Gesellschaften wird Sicherheit geleistet, soweit sie nicht Befriedigung verlangen können und sie sich binnen 6 Monaten nach Veröffentlichung der Verschmelzung bei der K-GmbH als übernehmende Gesellschaft melden.
- Die W-GmbH als übertragende Gesellschaft wird unter Ausschluss der Abwicklung durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit Wirkung zum 30.6.2007 auf die K-GmbH als übernehmende Gesellschaft verschmolzen.
- Der Verschmelzungsvertrag zwischen der W-GmbH und der K-GmbH vom 6.2.2008 wird ausdrücklich genehmigt und diesem zugestimmt.
- Eine Kapitalerhöhung bei der K-GmbH erfolgt nicht.
- Für die Durchführung dieses Verschmelzungsvorganges unterbleibt die Gewährung von Gesellschaftsanteilen und somit eine Kapitalerhöhung bei der K-GmbH, weil diese alle Gesellschaftsanteile an der übertragenden Gesellschaft besitzt.
- Die Alleingesellschafterin verzichtet ausdrücklich auf den Bericht der Geschäftsführer. Die Alleingesellschafterin erklärt, dass eine Prüfung des Verschmelzungsvertrages nicht verlangt bzw. ausdrücklich darauf verzichtet wird.
- Der Übertragung des Vermögens liegt die genehmigte Schlussbilanz der W-GmbH zum 30.6.2007 und die Zwischenbilanz der K-GmbH zum 30.6.2007 zu Grunde.
- Die Alleingesellschafterin erklärte ausdrücklich, auf die Einbringung einer Klage auf Anfechtung und Feststellung der Nichtigkeit des Verschmelzungsbeschlusses unwiderruflich zu verzichten.
- Eine Verschmelzungsprüfung gemäß § 48 des deutschen UmwG wird nicht verlangt. Auf die Prüfung der Verschmelzung wird hiemit ausdrücklich verzichtet.
Beim für die W-GmbH zuständigen Amtsgericht Nürnberg wurde die Verschmelzung am 6.2.2008 angemeldet, das Amtsgericht Nürnberg hat im Handelsregister bei der W-GmbH eingetragen, dass die Gesellschaft auf Grund des Verschmelzungsvertrages vom 6.2.2008 sowie der Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom selben Tag mit der K-GmbH verschmolzen ist und die grenzüberschreitende Verschmelzung unter den Voraussetzungen des Rechts des Staates, dem die übernehmende Gesellschaft unterliegt, wirksam wird.
Über die Verschmelzung existiert – trotz des Verzichtes der Alleingesellschafterin der K-GmbH - ein gemeinsamer Verschmelzungsbericht der Geschäftführung der übertragenden und übernehmenden (hervorgehenden) Gesellschaft.
In beiden Gesellschaften existiert kein Betriebsrat, die Arbeitnehmer wurden über die beabsichtigte Verschmelzung informiert und ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt, eine Stellungnahme der Arbeitnehmer liegt nicht vor.
Beide Gesellschaften haben auf die Prüfung des Verschmelzungsplans gemäß § 7 EU-VerschG verzichtet.
Eine Verschmelzung auf Grundlage des ursprünglich eingereichten Verschmelzungsplans vom 30.10.2007 wurde jedenfalls von der W-GmbH nicht beschlossen. Als Grundlage für die Verschmelzung wurde bei beiden Gesellschaften „nur“ der Verschmelzungsvertrag vom 6.2.2008 herangezogen.
Rechtliche Überlegungen:
§ 3 Abs 2 EU-VerschG verweist für den österreichischen Rechtsbereich auf die Bestimmungen der §§ 219 ff AktG und §§ 96 – 101 GmbHG, wendet also die inländischen Bestimmungen zur Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auch auf die grenzüberschreitende Verschmelzung an.
Gemäß § 5 Abs 1 EU-VeschG ist durch die Geschäftsführung aller beteiligten Gesellschaften ein gemeinsamer Verschmelzungsplan aufzustellen. Im Gegensatz zu § 220 Abs 1 AktG verlangt das EU-VerschG keinen Verschmelzungsvertrag, sondern einen gemeinsamen Verschmelzungsplan, womit der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Begründung wechselseitiger Verpflichtungen der Gesellschaften zur Durchführung der Verschmelzung durch Abschluss eines Vertrags nicht erforderlich ist. Damit ist auch keine Vereinbarung über die Übertragung des Vermögens der übertragenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 220 Abs 2 Z 2 AktG) erforderlich. Ein von den Verschmelzungspartnern in Form eines Notariatsakts abgeschlossener, zumindest den Mindestinhalt gemäß § 5 Abs 2 umfassender Verschmelzungsvertrag ist einem gemeinsamen Verschmelzungsplan als gleichwertig anzusehen; das Zusatzelement der gegenseitigen vertraglichen Bindung schadet nicht (Hable/Gassner, EU-VerschG, 84).
Das EU-VerschG sieht nicht die Möglichkeit vor, zunächst nur einen Entwurf des Verschmelzungsplans(vertrags) aufzustellen. Es besteht aber kein Grund, hier die Bestimmung des § 220 Abs 2 AktG nicht analog anzuwenden, sodass auch die Erstellung und Einreichung eines Entwurfs zulässig ist, zumal dies etwa § 122c Abs 2 des deutschen UmwG ausdrücklich zulässt (Hable/Gassner aaO).
§ 5 Abs 2 EU-VerschG regelt den Mindestinhalt des Verschmelzungsplans, der über den Mindestinhalt des § 220 Abs 2 AktG hinausgeht.
Da es sich im vorliegenden Fall um eine up-stream-Verschmelzung handelt und die übernehmende Gesellschaft alle Anteile der übertragenden Gesellschaft hält, sind Angaben gemäß § 5 Abs 2 Z 2, 3 und 5 EU-VerschG nicht erforderlich.
Der sonstige Mindestinhalt ist Teil des Verschmelzungsvertrages vom 6.2.2008.
Der Verschmelzungsbericht der Geschäftsführer, auf den gemäß § 6 Abs 1 EU-VerschG nicht verzichtet werden kann, liegt vor und beschäftigt sich mit allen Themen des § 6 EU-VerschG. Dass die Alleingesellschafterin der übernehmenden Gesellschaft darauf verzichtet hat, schadet insoweit nicht (wenn es auch seltsam erscheint, dass ein derartiger Verzicht erklärt wird).
Auf eine Prüfung des Verschmelzungsplans haben alle Gesellschafter aller beteiligten Gesellschaften zulässigerweise gemäß § 7 Abs 1 EU-VerschG verzichtet.
Gemäß § 8 Abs 1 EU-VerschG gilt für den Fall der Beteiligung von GmbHs an der EU-Verschmelzung § 97 GmbHG mit der Maßgabe, dass der Verschmelzungsplan bei Gericht 1 Monat vor Beschlussfassung einzureichen und diese Einreichung in den Bekanntmachungsblättern zu veröffentlichen ist.
Den näheren Inhalt der Hinweisveröffentlichung regelt § 8 Abs 2 EU-VerschG, auf Einreichung und Hinweisveröffentlichung kann gemäß § 8 Abs 4 EU-VerschG nicht verzichtet werden.
Im vorliegenden Fall hat die Geschäftsführung der K-GmbH den Verschmelzungsplan vom 30.10.2007 samt Entwurf eines Verschmelzungsvertrages rechtzeitig eingereicht (wie geschildert am 17.12.2007; Zeitpunkt der GV am 6.2./15.2.2008); dass die Einreichung eines Entwurfes zulässig ist, wurde bereits oben dargelegt.
Gemäß § 15 Abs 2 EU-VerschG haben die Geschäftsführer aller beteiligten Gesellschaften die Anmeldung der Verschmelzung beim Sitzgericht der hervorgehenden Gesellschaft, in concreto also beim Landesgericht Innsbruck, vorzunehmen und dabei die Unterlagen gemäß § 225 Abs 1 AktG, die Nachweise über die durchgeführten Verhandlungen mit den Arbeitnehmern, allfällige Vereinbarungen mit den Arbeitnehmern, die Mitteilung über einen allfälligen Beschluss gemäß § 262 Abs 2 ArbVG sowie die Bescheinigung (die nicht älter als 6 Monate sein darf) des Registergerichtes der übertragenden Ges, dass das Verfahren zur Verschmelzung nach dem Recht der übertragenden Gesellschaft ordnungsgemäß durchgeführt wurde, vorzulegen.
Diese Unterlagen liegen – soweit erforderlich - vor.
Rechtlich bleibt die Frage zu klären, ob die gewählte Vorgangsweise der Erstellung eines Verschmelzungsplans am 30.10.2007 (der nicht zum Gegenstand einer Beschlussfassung der beiden beteiligten Gesellschaften gemacht wurde) und der nachfolgende Abschluss eines Verschmelzungsvertrages am 6.2.2008 ein Eintragungshindernis für die grenzüberschreitende Verschmelzung darstellt.
Auszugehen ist davon, dass der Verschmelzungsvertrag vom 6.2.2008 den notwendigen Mindestinhalt gemäß § 5 Abs 2 EU-VerschG aufweist und sich die Vertragspartner durch Abschluss eines Verschmelzungsvertrages binden können. Der Verschmelzungsvertrag ist insoweit zum vom Gesetz geforderten Verschmelzungsplan kein „aliud“, sondern ein „plus“.
Dieser Verschmelzungsvertrag wurde auch entsprechend der zwingenden Bestimmung des § 8 Abs 4 EU-VerschG ordnungsgemäß beim Firmenbuchgericht eingereicht. Die Geschäftsführung der übernehmenden Ges hat nämlich den Verschmelzungsplan vom 30.10.2007 samt Entwurf des Verschmelzungsvertrages am 17.12.2007 und somit rechtzeitig eingereicht.
Die beiden beteiligten Gesellschaften haben die grenzüberschreitende Verschmelzung also letztlich zwar nicht auf Grundlage des Verschmelzungsplans, sondern auf Basis des am 6.2.2008 abgeschlossenen Verschmelzungsvertrages durchgeführt. Als Rechtstatsache der Verschmelzung ist damit auch nur der Verschmelzungsvertrag vom 6.2.2008 in das Firmenbuch einzutragen. Dass daneben ein insoweit "bedeutungsloser" Verschmelzungsplan aufgestellt wurde, schadet nicht.
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