29. Juni 2009

Verunglückte Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

In meinen Beiträgen vom 4. Juli 2008 und 13. Jänner 2009 schilderte ich Beispiele im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln. Heute kann ich einen weiteren Praxisfall hinzufügen.

Im Zuge einer Anpassung des Gesellschaftsvertrages an den Euro nach den Bestimmungen des 1. Euro-JuBeG soll aufgrund der durch die Umrechnung der Nennbeträge von Schilling auf Euro verbundenen Verschiebung der Beteiligungs- und Stimmrechtsverhältnisse das Stammkapital der betreffenden GmbH von (umgerechneten) € 72.672,81 um € 927.327,19 auf € 1,000.000 erhöht werden.

Der Jahresabschluss der Gesellschaft zum 30.09.2008 weist gebundene Kapitalrücklagen von € 245.634,18, nicht gebundene Kapitalrücklagen von € 461.368,87, eine gesetzliche Gewinnrücklage von € 7.267,28 und eine weitere als "Rücklage für Ersatzinvestitionen“ bezeichnete Gewinnrücklage von € 950.118,63 (sowie einen Bilanzverlust von € 88.722,71) aus.

In der Generalversammlung wird festgehalten, dass zum Stichtag des genannten Jahresabschlusses nicht gebundene Kapitalrücklagen und freie Gewinnrücklagen abzüglich eines Bilanzverlustes im Betrag von € 1,322.764,79 vorhanden seien, sodass nach dem Kapitalberichtigungsgesetz eine Erhöhung des Stammkapitals um € 927.327,19 möglich und vertretbar sei, da auch nach Durchführung dieser Kapitalerhöhung die verbleibenden gesetzlichen Rücklagen immer noch mehr als 10% des erhöhten Stammkapitals betragen würden.

Die Generalversammlung fasste daher folgenden Beschluss:

Das Stammkapital der Gesellschaft von € 72.672,81 wird um € 927.327,19 durch Umwandlung eines ebenso hohen Teilbetrages aus den freien Rücklagen der Gesellschaft gemäß Jahresabschluss zum 30.09.2008 mit Rückwirkung auf den Beginn des Geschäftsjahres 2007/2008 auf € 1,000.000 erhöht.

Diese Vorgangsweise ist in mehreren Punkten unzulässig:

(1) Eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln kann gemäß § 2 Abs 2 KapBG nur mit Rückwirkung zum Beginn eines Geschäftsjahres in einer solchen Generalversammlung beschlossen werden, der der vorausgehende festgestellte Jahresabschluss vorliegt oder die über diesen beschlossen hat.
Im konkreten Fall wird der Jahresabschluss zum 30.09.2008 für den Kapitalerhöhungsbeschluss herangezogen und beschlossen, dass das Stammkapital mit Rückwirkung auf den Beginn des Geschäftsjahres 2007/2008 auf € 1,000.000 erhöht wird. Eine solche Rückwirkung ist gesetzwidrig, weil sich diese zwingend auf den Beginn des Geschäftsjahres 2008/2009 beziehen müsste (arg. „vorausgehende festgestellte Jahresabschluss“).

(2) Gemäß § 2 Abs 3 KapBG können nur im Jahresabschluss ausgewiesene offene Rücklagen einschließlich eines Gewinnvortrags umgewandelt werden, soweit ihnen nicht ein Verlust einschließlich eines Verlustvortrags gegenüber steht. Für bestimmte Zwecke gebildete Rücklagen können nur umgewandelt werden, soweit dies mit ihrer Zweckbestimmung vereinbar ist. Die gebundenen Rücklagen können nur umgewandelt werden, soweit sie den zehnten oder den in der Satzung bestimmten höheren Teil des Nennkapitals nach der Umwandlung übersteigen.
Für die konkrete Kapitalerhöhung sollen nicht gebundene Kapitalrücklagen und freie Gewinnrücklagen im Betrag von € 1.322.764,79 herangezogen werden. Es muss jedoch zwingend im Kapitalerhöhungsbeschluss aufgenommen werden, welche Gesellschaftsmittel in Stammkapital umgewandelt werden, weshalb aus dem Beschluss hervorgehen muss, welche dieser Mittel für die Kapitalberichtigung herangezogen werden. Der allgemeine Verweis auf nicht gebundene Kapitalrücklagen und freie Gewinnrücklagen wird diesem Konkretisierungserfordernis nicht gerecht.

(3) Im Jahresabschluss ist der Betrag von € 950.118,63 als "Rücklage für Ersatzinvestitionen" gewidmet, sodass auch davon ausgegangen werden muss, dass die vorgenommene Kapitalberichtigung unvereinbar mit der Zweckbestimmung dieser Rücklage ist (arg. „soweit dies mit ihrer Zweckbestimmung vereinbar ist“).

(4) Schließlich war noch darauf hinzuweisen, dass die Anmeldung der Kapitalberichtigung gemäß § 2 Abs 4 KapBG innerhalb von neun Monaten ab dem Stichtag des Jahresabschlusses, auf dem die Kapitalberichtigung beruht, beim Firmenbuch eingehen muss. Für eine Kapitalberichtigung zur Glättung der Stammeinlagen in dem Ausmaß, das erforderlich ist, um eine durch die Euro-Umstellung bedingte Verschiebung der relativen Gesellschafterrechte hintanzuhalten, gilt eine Frist von 12 Monaten (Art I § 14 Abs 2 1.Euro-JuBeG).
Da im konkreten Fall die Glättungsmaßnahme in einem weit über die Notwendigkeit der durch die Euro-Umstellung bedingten Verschiebung der genannten Rechte vorgenommen wurde, kann sich die Gesellschaft auf die 12-Monats-Frist nicht mehr berufen.
Eine Sanierung dieser Mängel wird daher aufgrund der am 30.06.2009 ablaufenden 9-Monats-Frist nicht mehr machbar sein.

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