18. Juli 2012

Amtswegige Löschung der inländischen Zweigniederlassung einer (deutschen) UG (haftungsbeschränkt) nach deren Löschung im deutschen Handelsregister

Im Firmenbuch des Landesgerichtes Innsbruck ist unter FN ** die inländische Zweigniederlassung der MC D** UG (haftungsbeschränkt) mit dem Standort in S** eingetragen. Die ausländische (Haupt)Gesellschaft ist zu HRB ** im Handelsregister des Amtsgerichts München mit dem Sitz in G** registriert (gewesen).

Eine Sachbearbeiterin der Stadt G** hat dem Firmenbuchgericht mitgeteilt, dass beim Gewerbeamt der Stadt G** die MC D** UG (haftungsbeschränkt) als unselbständige Zweigstelle angemeldet worden sei. Der Geschäftsführer habe dazu einen Handelsregisterauszug des Landesgerichtes Innsbruck vorgelegt, wonach die Firma in Österreich eingetragen sei. Eine Prüfung der Unterlagen habe ergeben, dass in Innsbruck nur eine Zweigniederlassung registriert sei, währenddem die Gesellschaft in München zum 9.12.2011 aus dem Handelsregister gelöscht worden sei.
Es wurde um Prüfung der Frage ersucht, ob die Gewerbeanmeldung in G** zulässig oder ob die Firma abzumelden sei.

Aus einem aktuellen Registerauszug des Amtsgerichts München zu HRB ** ergibt sich, dass die MC D** UG (haftungsbeschränkt) wegen Vermögenslosigkeit am 9.12.2011 gemäß § 394 FamFG von Amts wegen gelöscht worden ist.

Auf Basis dieses Vorbringens und dieser Unterlagen wurde der Geschäftsführer mit Beschluss des Firmenbuchgerichtes davon verständigt, dass auf Grund der Löschung der Gesellschaft im deutschen Handelsregister die Löschung der Gesellschaft und ihrer Zweigniederlassung gemäß § 10 Abs 2 FBG beabsichtigt sei und im Falle einer Nichtäußerung binnen 14 Tagen angenommen werde, dass der amtswegigen Löschung keine Einwendungen entgegenstehen.

Der Geschäftsführer der MC D** UG (haftungsbeschränkt) erhob daraufhin „Einspruch“ gegen die Löschung der Gesellschaft und begründete dies damit, dass die Niederlassung Österreich nach der erfolgten Löschung der Mutter in G** als rechtlich selbständige Firma weitergeführt werde, was nach der Richtlinie 2012/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.6.2012 zulässig sei, da es sich bei Zweigniederlassungen um rechtlich selbständige eingetragene Unternehmen handle.

Diese Argumentation geht ins Leere, weshalb die amtswegige Löschung der ausländischen Gesellschaft samt ihrer Zweigniederlassung verfügt wurde, und zwar aufgrund folgender rechtlicher Überlegungen:

Die Rechts- und Handlungsfähigkeit der in einem Mitgliedstaat errichteten Gesellschaft beurteilt sich nach dem Gründungsrecht, auch wenn sie im Gründungsstaat nur ihren statutarischen Sitz hat und dort keine Geschäftstätigkeit entfaltet (SZ 72/121); ihr Gesellschaftsstatut ist das Recht des Gründungsstaates (SZ 2004/65). Das Gesellschaftsstatut (Personalstatut der Gesellschaft) ist für die Partei- und Prozessfähigkeit, für die Rechte und Pflichten der Organe und deren Vertretungsmacht (SZ 68/181) und auch für das Ende der Gesellschaft (ihrer Rechtsfähigkeit) maßgeblich; es entscheidet über die mit der Auflösung, Abwicklung und Beendigung der Gesellschaft zusammenhängenden Fragen. Dazu gehören die Gründe, die zur Auflösung führen, sowie die damit zusammenhängenden Wirkungen (SZ 60/192; 1 Ob 537/89; Kalss/Adensamer in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 4. Abschnitt, Das österreichische Gesellschaftsrecht, 666 mwN). Da die Gesellschaft deutschem Recht unterliegt, bestimmt sich nach diesem, ob die Gesellschaft erloschen ist und welche im Inland anzuerkennenden Rechtsfolgen dies hat.

Die Eintragung der amtswegigen Löschung im deutschen Register hat bewirkt, dass die Existenz der Gesellschaft als Rechtsträger (juristische Person) aufgehört und die Vertretungsbefugnisse der Organe geendet haben. Die Tatsache der Löschung wird vom Geschäftsführer in seinem „Einspruch“ auch ausdrücklich zugestanden.

Nach § 12 UGB und den kapitalgesellschaftsrechtlichen Spezialbestimmungen § 107 GmbHG und § 254 AktG sind ausländische Rechtsträger bzw GmbH, zu denen die UG (haftungsbeschränkt) deutschen Rechts zählt, mit Sitz oder Hauptniederlassung im Ausland verpflichtet, bestehende inländische Zweigniederlassungen zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. Diese Vorschriften sind auch anzuwenden, wenn die (Schein-)Auslandsgesellschaft ausschließlich im Inland domiziliert (SZ 72/121; Kalss/Adensamer aaO § 671 f). Die Eintragung im Firmenbuch ist auch in letzterem Fall nur von deklarativer Bedeutung, weil die ausländische Gesellschaft schon mit vollzogener Gründung nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats rechts- und parteifähig ist (EuGH 5. 11. 2002, Rs C-208/00 [Überseering]). Die Zweigniederlassung verfügt über keine Rechtsfähigkeit, Träger der Rechte und Pflichten ist die ausländische Gesellschaft (SZ 68/181; SZ 47/139; Schenk in Straube, HGB § 13 Rz 4 mwN; Kalss/Adensamer aaO 672 mwN).

Ist oder wird eine Eintragung in das Firmenbuch wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig, so kann sie das Gericht von Amts wegen löschen (§ 10 Abs 2 FBG). Unzulässig ist eine Eintragung insbesondere dann, wenn sie sachlich unrichtig ist oder wenn gesetzliche Erfordernisse für die Eintragung (nunmehr) fehlen, deren Mangel die Beseitigung im öffentlichen Interesse oder im Interesse der Beteiligten geboten erscheinen lässt (Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 10 Rz 20 mwN). Die Löschung nach § 10 Abs 2 FBG ist auch bei nachträglicher Unrichtigkeit möglich (Kodek aaO FBG § 10 Rz 22).

Es ist auch herrschende Auffassung in der Lehre, dass der gemäß § 12 Abs 1 UGB (§ 13 Abs 1 HGB) eingetragene ausländische Rechtsträger mit einer Zweigniederlassung im Inland bzw die gemäß § 107 Abs 1 GmbHG oder § 254 Abs 1 AktG eingetragene ausländische Gesellschaft im Firmenbuch gemäß § 10 Abs 2 FBG gelöscht werden kann, wenn diese in ihrem Heimatstaat nicht mehr bestehen (Kodek aaO FBG § 10 Rz 22; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG §§ 107, 112-114, Rz 26; vgl Jabornegg/Geist in Jabornegg/Strasser, AktG § 254 Rz 5). Ist demnach die rechtliche Existenz (Rechtspersönlichkeit) des eingetragenen Rechtsträgers erloschen, so gibt es eben keinen Rechtsträger mit Hauptniederlassung oder Sitz im Ausland mehr (insbesondere gerade dann, wenn die ausländische Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union wirksam gegründet worden ist und ausschließlich im Inland domiziliert), womit eine wesentliche Voraussetzung der Eintragung weggefallen ist. Die Löschung ist im Interesse des Rechtsverkehrs geboten, der bei einem Aufrechterhalten der Eintragung über das Bestehen des eingetragenen Rechtsträgers getäuscht werden könnte. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 10 Abs 2 FBG sind gegeben.

Die Löschung des in seinem Heimatstaat nicht mehr bestehenden Rechtsträgers gemäß § 10 Abs 2 FBG ist bloß deklarativ, setzt sie doch voraus, dass der Rechtsträger seine Rechtspersönlichkeit verloren hat; sie führt den Verlust der Rechtspersönlichkeit und der Funktion der Organe nicht erst herbei. Im Hinblick darauf, dass die Löschung den Nichtbestand des Rechtsträgers nicht erst herbeiführt, greift sie auch nicht in die Rechtsstellung von Gesellschaftsgläubigern ein. Die Zweigniederlassung selbst hat keine Rechtspersönlichkeit. Aus Gründen des Verkehrsschutzes ist demnach eine Aufrechterhaltung der Eintragung, insbesondere um einen Funktionsverlust der vertretungsbefugten Organe zu vermeiden, nicht geboten. Im Gegenteil: Die Eintragung könnte den Rechtsverkehr über die tatsächlichen Verhältnisse der Gesellschaft in die Irre führen.

Schließlich setzt die Löschung der in ihrem Heimatstaat rechtlich nicht mehr bestehenden ausländischen Gesellschaft auch nicht das Vorliegen der Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 160 Abs 3 BAO voraus. Die Löschungssperre nach dieser Gesetzesstelle bezweckt vor allem, dass bis zur Beendigung des Abgabeverfahrens taugliche vertretungsberechtigte Organe der in Auflösung begriffenen Körperschaft zur Verfügung stehen, weil ansonsten die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der bereits gelöschten Körperschaft mitunter nicht durchgesetzt werden kann (Stoll, BAO 1709). Dieser Zweck ist aber nicht erreichbar, weil die Vertretungsbefugnis der Organe schon mit der rechtswirksamen Beendigung der Gesellschaft im Heimatstaat erlosch. Eine Einbeziehung des Finanzamtes und der Interessensvertretung wie im Löschungsverfahren gemäß § 40 FBG ist daher in dieser Konstellation nicht erforderlich (dazu ausführlich OGH 6 Ob 146/06 y; zuletzt auch OGH 6 Ob 224/11 a).

Zum Einwand des Geschäftsführers und seiner europarechtlichen Argumentation:

Bei der RL 2012/17/EU handelt es sich um eine Richtlinie. Diese ist gemäß Art. 288 AEUV für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Eine Richtlinie ist also nicht unmittelbar anwendbar, sondern muss durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften innerhalb eines bestimmten Zeitraums in den jeweiligen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Bei der RL 2012/17/EU endet die Umsetzungsfrist am 7.Juli 2014. Erst ab diesem Zeitpunkt könnte die Richtlinie – bei Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen – unmittelbar angewendet werden.

Die allfällige Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit ist aber ohnehin irrelevant, weil die in der Äußerung formulierte Behauptung, die RL 2012/17/EU regle, dass eine Zweigniederlassung trotz Löschung der Gesellschaft aus dem Register weiter bestehen könne, weil es sich um rechtlich selbständige eingetragene Unternehmen handle, die Rechtslage verkennt.

Die Angriffsrichtung der RL 2012/17/EU ist genau entgegengesetzt. In den Erwägungsgründen wird zwar in Abs 2 ausgeführt, dass die Register rechtlich nicht zum Austausch von Daten über ausländische Zweigniederlassungen verpflichtet sind und dies zu Rechtsunsicherheit für Dritte führt, da „Zweigniederlassungen trotz Löschung der Gesellschaft aus dem Register weiterbestehen können“.

Genau diese Unsicherheit will die Richtlinie 2012/17/EU aber beseitigen!

Die Erwägungsgründe halten nämlich in Abs 15 ausdrücklich fest, dass es ermöglicht werden sollte, eine klare Verbindung zwischen dem Register einer Gesellschaft und den Registern ihrer Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten herzustellen, und zwar durch den Austausch von Informationen über die Eröffnung und Beendigung von Verfahren zur Abwicklung oder Insolvenz der Gesellschaft sowie über die Löschung der Gesellschaft aus dem Register, sofern dies in dem Mitgliedstaat des Registers der Gesellschaft Rechtswirkungen auslöst. Auch wenn es den Mitgliedstaaten freigestellt bleiben sollte, welche Verfahren sie in Bezug auf die in ihrem Gebiet eingetragenen Zweigniederlassungen anwenden, sollten sie doch zumindest sicherstellen, dass die Zweigniederlassungen einer aufgelösten Gesellschaft ohne unangemessene Verzögerung und gegebenenfalls nach dem Liquidationsverfahren der betreffenden Zweigniederlassung aus dem Register gelöscht werden.

Die amtswegige Löschung der UG (haftungsbeschränkt) im Register des Amtsgerichts München führte zur Vollbeendigung der Gesellschaft. Intention der Richtlinie ist es nun geradezu, dass diese Löschung zu einer unmittelbaren Information des Registergerichtes der Zweigniederlassung führt, um auch im Staat der Zweigniederlassung die Löschung dieser Gesellschaft zwecks Herstellung der Rechtssicherheit für Dritte herbeizuführen. Damit soll ja gerade verhindert werden, dass das Register der Zweigniederlassung erst über Umwege – hier: durch Mitteilung der Gewerbebehörde der Stadt G** – von einer erfolgten Löschung der Hauptgesellschaft erfährt.

1 Kommentar:

Sir Tobey hat gesagt…

detaillierte, aber dennoch klare darlegung des sachverhalts. verständlich und nachvollziehbar!