10. Februar 2012

Unternehmerische Tätigkeit einer vermögensverwaltenden / Holding-GmbH & Co KG - OLG Innsbruck 3 R 207/11g

Im Firmenbuch ist seit 9.2.2007 die R** I** GmbH & Co Z** Holding KG mit dem Geschäftszweig der Entwicklung, Nutzung und Verwertung von Immobilien, dem Stichtag für den Jahresabschluss zum 31.12. eines jeden Jahres und der R** I** GmbH als unbeschränkt haftender Gesellschafterin eingetragen.

Mit Schreiben vom 28.11.2008 teilte die Gesellschaft dem Firmenbuchgericht mit, sie sei nicht unternehmerisch tätig, sodass sie nicht unter § 221 Abs 5 UGB falle. Die ausschließliche Holdingfunktion der Gesellschaft begründe keine Offenlegungspflicht.

Am 4.2.2011 reichte die Gesellschaft (ohne gerichtliche Aufforderung) den Jahresabschluss zum 31.12.2009 ein. Am 5.4.2011 erfolgte (wieder ohne gerichtliche Aufforderung) die Einreichung der Jahresabschlüsse zum 31.12.2007 und 31.12.2008.

Dem Jahresabschluss zum 31.12.2009 kann ein Anlagevermögen in Form von Finanzanlagen in Höhe von rund € 5,7 Mio (im Vorjahr rund € 5,6 Mio) und ein Umlaufvermögen von rund € 2 Mio (Vorjahr: rund € 2,9 Mio), bestehend aus Forderungen und sonstigen Vermögensgegenständen im Wert von rund € 1,8 Mio (wie im Vorjahr) sowie ein Kassenbestand, Schecks und Guthaben bei Kreditinstituten in Höhe von rund € 0,2 Mio (im Vorjahr: rund € 1,1 Mio) entnommen werden.
An Verbindlichkeiten waren in beiden Jahren rund € 10,5 Mio ausgewiesen. Im Anhang zu beiden Jahresabschlüssen wurde jeweils angeführt, es seien Angaben gemäß § 238 Z 2 unterlassen worden, weil diese geeignet seien, dem Unternehmen oder dem anderen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen.

Mit gesonderten Zwangsstrafverfügungen vom 12.10.2011 verhängte das Firmenbuchgericht über die Gesellschaft und den Geschäftsführer deren Komplementär-GmbH jeweils eine Zwangsstrafe in Höhe von € 700,-- gemäß § 283 Abs 1 und 2 erster Satz UGB, da die Gesellschaft den Jahresabschluss zum 31.12.2010 bis zum 30.9.2011 nicht eingereicht habe.

Gegen die sie betreffende Zwangsstrafverfügung erhob die Gesellschaft fristgerecht Einspruch, mit dem sie im Wesentlichen reklamiert, sie sei als reine Holdinggesellschaft nicht unternehmerisch tätig, sodass sie keine Offenlegungspflicht träfe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss verhängte das Erstgericht im ordentlichen Verfahren - ohne Durchführung von Erhebungen - über die Gesellschaft eine Zwangsstrafe in der Höhe von € 1.000,--.

Der Rekurs der Gesellschaft blieb erfolglos. Das OLG Innsbruck bejahte eine unternehmerische Tätigkeit dieser GmbH & Co KG und begründete ausführlich, welche Kriterien für die Beurteilung der unternehmerischen Tätigkeit einer kapitalistischen Personengesellschaft heranzuziehen sind, da von der Bejahung dieser Frage die Bilanzierungs- und (daraus folgend) die Offenlegungspflicht einer solchen GmbH & Co KG abhängt.

Da zu diesen Fragen in der Praxis meiner Erfahrung nach erhebliche Unklar- und Unsicherheiten bestehen, kommt dieser Entscheidung große Bedeutung zu, da sie den Rahmen absteckt, innerhalb dessen diese Prüfungstätigkeit vorzunehmen ist. Diese Prüfung obliegt einerseits den vertretungsbefugten Organen der Komplementärgesellschaft und andererseits den Firmenbuch-Rechtspflegern bei der Entscheidung über die Einleitung eines Zwangsstrafenverfahrens wegen Verletzung der Offenlegungspflicht.

Die Entscheidung des OLG Innsbruck 3 R 207/11g im Wortlaut (auszugsweise):

Aus den Jahresabschlüssen für die vorangegangenen Geschäftsjahre lässt sich nicht ausreichend verlässlich ableiten, dass die Gesellschaft im Geschäftsjahr 2010 keine unternehmerische Tätigkeit entfaltet hat. Davon abgesehen, dass diese Jahresabschlüsse - naturgemäß - nicht den hier zur Rede stehenden Zeitraum betreffen, vermögen Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände in Millionenhöhe sowie ein Kassenbestand, Schecks und Guthaben bei Kreditinstituten in beträchtlicher Höhe nicht als Begründung für eine mangelnde unternehmerische Tätigkeit herangezogen werden. Auch wenn die Angabe des Geschäftszweiges freiwillig ist, muss diese dem Unternehmensgegenstand entsprechen (Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer FBG § 3 Rz 11). Der von der Gesellschaft bekanntgegebene Geschäftszweig der Entwicklung, Nutzung und Verwertung von Immobilien steht jedoch ausdrücklich der Annahme einer rein verwaltenden Tätigkeit der Gesellschaft entgegen. Letztlich hat die Gesellschaft entgegen dem Inhalt des von ihr im Jahr 2008 dem Firmenbuchgericht übermittelten Schreibens aus eigenem die Jahresabschlüsse für die Jahre 2007 bis 2009 beim Erstgericht eingereicht. Da zu unterstellen ist (§§ 2, 1299 ABGB), dass der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH um die Offenlegungspflichten der Gesellschaft weiß, muss davon ausgegangen werden, dass in diesen Jahren eine Offenlegungspflicht bestand, die Gesellschaft sohin unternehmerisch tätig war. Mangels gegenteiliger Beweisergebnisse für das Geschäftsjahr 2010 und aufgrund der Tatsache, dass die Gesellschaft auch für dieses Geschäftsjahr keinen anderen Geschäftszweig bekanntgegeben hat, ist die Annahme des Erstgerichtes nicht zu beanstanden, dass die Gesellschaft auch in diesem Jahr nicht ausschließlich eine vermögensverwaltende Tätigkeit entfaltet hat. Entgegen der Behauptung der Rechtsmittelwerberin ergibt sich aus den vorliegenden Jahresabschlüssen nicht, dass bei der Gesellschaft keine Dienstnehmer beschäftigt waren.

Grundsätzlich ist dem Standpunkt der Rekurswerberin beizupflichten, dass nur die unternehmerisch tätige kapitalistische KG (KG ohne natürliche Person als unbeschränkt haftender Gesellschafterin) gemäß § 189 Abs 1 Z 1 UGB wie die Kapitalgesellschaft bilanzierungs- (und offenlegungs-)pflichtig ist. Sie ist kein Unternehmer kraft Rechtsform. Nicht bilanzierungs- (und damit auch nicht offenlegungs-)pflichtig ist daher die rein vermögensverwaltende kapitalistische KG, wobei die Höhe der Umsatzerlöse und somit § 189 Abs 1 Z 2 UGB für die unternehmerisch tätige kapitalistische KG ohne Bedeutung sind (Schiebel/Six in Straube³, § 189 Rz 25; OGH 6 Ob 41/06g zu § 1 HGB).

Dabei muss es sich aber tatsächlich um eine rein (das heißt ausschließlich) vermögensverwaltende Tätigkeit handeln und dürfen die Tatbestandselemente des Unternehmensbegriffes nach § 1 UGB nicht erfüllt sein. Diese Bestimmung greift auf den Unternehmensbegriff des § 1 Abs 2 KSchG zurück. Der Gesetzgeber des KSchG folgte dabei in Grundzügen der - außerhalb der unmittelbaren Gesetzesanwendung - im juristischen, betriebswirtschaftlichen und interdisziplinären Schrifttum und in der Rechtsprechung herrschenden organischen Richtung des Unternehmensverständnisses, nach welcher das Unternehmen als Organisation einer Vielzahl wirtschaftsbewegender Güter verstanden wird, die zu einem organischen Ganzen vereinigt wird. Der Unternehmensbegriff des § 1 Abs 2 UGB wurde bewusst dem KSchG entnommen, um einen diesbezüglichen Gleichklang herzustellen (Straube in Straube, § 1 Rz 32 und 34; Artmann/Herda in Jabornegg/Artmann UGB² § 1 Rz 16).

Nach § 1 Abs 2 UGB ist ein Unternehmen jede auf Dauer angelegte Organisation selbständig wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Zu den maßgeblichen Tatbestandsmerkmalen des Abs 2 in § 1 UGB zählen eine selbständige, wirtschaftliche Tätigkeit und das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Organisation. Bei der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ handelt es sich um das zentrale Tatbestandselement, unter welchem überwiegend das nach außen für die Allgemeinheit erkennbare Anbieten wirtschaftlich werthafter Leistungen auf einem Markt gegen Entgelt verstanden wird. Grundsätzlich kann jede wirtschaftliche Tätigkeit Unternehmereigenschaft bewirken. Das Kriterium der „Marktorientierung“ wird im Schrifttum grundsätzlich mit dem Anbieten von Leistungen auf einem „offenen“ Markt gleichgesetzt bzw zumindest in Verbindung gebracht.

Entsprechend muss die Tätigkeit für die betreffenden Verkehrskreise erkennbar sein. Wesentlich ist insofern das (objektive) Erscheinungsbild unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung, nicht jedoch eine bloß subjektive Einstellung bzw Einschätzung.

Die Größe oder Vielfältigkeit des Marktes ist nicht entscheidend. Das alleinige Nachfragen von Leistungen erfüllt die Voraussetzung einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“ nicht. Kennzeichnend für einen Markt ist eine Vielzahl potentieller Vertragspartner. So liegt eine nach außen sichtbare Tätigkeit beispielsweise erst dann vor, wenn eine größere Zahl von Mietverträgen abgeschlossen wird, sodass eine auf Dauer angelegte Organisation erforderlich wäre. Das Kriterium der Ausrichtung „auf Dauer“ dient zur Abgrenzung gegenüber der gelegentlichen Tätigkeit. Der Wille und der Plan müssen von vorneherein auf eine Vielzahl von Geschäften gerichtet sein. Nicht vorausgesetzt wird, dass die Tätigkeit ununterbrochen und unbefristet zu sein hat.

Einmalige Geschäfte begründen ebenso wenig eine Unternehmereigenschaft wie einmalige Abschlüsse. Das Tatbestandsmerkmal der Organisation hängt insbesondere mit dem Element der Dauerhaftigkeit zusammen. Eine Organisation wird gelegentlich als „ein von einer Personengruppe gebildetes Aktions- und Handlungssystem mit dem Zweck fortgesetzter Verfolgung eines relativ genau umschriebenen Ziels unter rationalem Einsatz zweckdienlicher Mittel“ beschrieben. Das in diesem Zusammenhang erwähnte Handeln „einer Personengruppe“ stellt jedoch bloß ein typisches, jedoch nicht unabdingbares Merkmal der Organisation dar, sodass auch einzelne Personen eine „Organisation“ einrichten können. Von sonstigen Organisationen unterscheidet sich das „Unternehmen“ insbesondere durch das zentrale Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit. Der Organisationsbegriff beruht auf mehreren objektiven, subjektiven und funktionalen Elementen, die in verschiedener Gewichtung auftreten können. Daher kann zB ein Nachhilfelehrer, der in größerem Umfang und planmäßig tätig wird, trotz möglicherweise geringer Sachausstattung ein Unternehmen betreiben; gleiches kann für Verfasser wissenschaftlicher Werke gelten.

Keine Voraussetzung ist ein bestimmtes Mindestkapital oder eine Mindestgröße, doch kann der Umfang der Tätigkeit in einzelnen Fällen als Abgrenzungskriterium dienen (Straube aaO § 1 Rz 47 bis 49, 60 und 61, 64 bis 66; Artmann/Herda aaO § 1 Rz 27, 28, 35).

Nach der Rechtsprechung (OGH 9 ObA 9/03v) sind in jedem Einzelfall die tatsächlichen Umstände aufgrund einer Gesamtbetrachtung des konkreten Unternehmens maßgebend. Da die Begriffsbestimmung des § 1 UGB an die in über zwanzigjähriger Rechtsanwendung bewährte Definition des Unternehmers in § 1 KSchG anknüpft und den Versuch unternimmt, den Anwendungsbereich des Handelsrechts in stimmiger Weise wie denjenigen des Verbraucherrechts zu beschreiben (RV 1058 der Blg NR, 22. GP [abgedruckt in Krejci RK UGB, 21]) kann zur Definition der unternehmerischen Tätigkeit zwanglos auf die von der Rechtsprechung zu § 1 KSchG entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Hiebei kommt vor allem den Tatbestandsmerkmalen der Organisation und der wirtschaftlichen Tätigkeit Bedeutung zu. Mit der Zahl der vorhandenen Objekte (hier allenfalls Beteiligungen) steigt die Erforderlichkeit einer Organisation zur Erfüllung jener Aufgaben, die die Gesellschaft im Rahmen der Verwaltung (hier) des Vermögens zu erfüllen hat. In jedem Fall ist eine Einzelfallprüfung der Erforderlichkeit einer Organisation unverzichtbar. Insoweit können Umfang und Größe (hier) der Gesellschaft, wenn auch nur mittelbar, für die Unternehmereigenschaft relevant sein. Eine wirtschaftliche Tätigkeit liegt vor, wenn wirtschaftlich werthafte Leistungen erbracht werden. Dies setzt voraus, dass sie auf dem Markt angeboten werden; ob es sich dabei um Waren oder Dienstleistungen handelt, ist gleichgültig (OGH 7 Ob 155/03z zur allfälligen Qualifikation einer Eigentümergemeinschaft als Unternehmen).

Auch wenn durch das UGB ein „neuer“ Unternehmensbegriff postuliert wurde, ist wegen der im Ergebnis vorliegenden Vergleichbarkeit der Problemstellung auch auf die abgrenzende Rechtsprechung zu den §§ 1 und 4 HGB zurückzugreifen (so auch Straube aaO § 1 Rz 42). Auch nach dieser sind im Einzelfall die tatsächlichen Umstände aufgrund einer Gesamtbetrachtung des konkreten Unternehmens maßgeblich. Neben der Umsatzgröße sind auch der Wert der Geschäftsvorgänge, der Gewinn, das Investitionsvolumen, die Trennung von Anlage- und Umlaufvermögen, Art und Wert des Anlagevermögens, Inanspruchnahme von Krediten, Kontokorrentverkehr, Rechnungsverkehr, Zahl der Betriebsstätten, Zahl und Art der Beschäftigten, Betriebseinrichtung und ähnliche wirtschaftliche und kaufmännische Kriterien maßgeblich. Entscheidend ist das Gesamtbild des Unternehmens, das seiner Art nach kaufmännische Einrichtungen tatsächlich erfordert oder nicht (OGH 6 Ob 18/95).

Im Fall der Erforderlichkeit einer näheren inhaltlichen Prüfung der Frage der unternehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft in der Zukunft ist sohin auf all diese Aspekte Bedacht zu nehmen und kann diese Voraussetzung für das Vorliegen einer Offenlegungspflicht nur verneint werden, wenn die Gesellschaft tatsächlich ausschließlich und bloß mit der Verwaltung eigenen Vermögens befasst wäre.

Nach dem Aktenstand, insbesondere dem schon erwähnten Geschäftszweck der Gesellschaft, aber auch dem Inhalt der bislang vorgelegten Jahresabschlüsse (Forderungen und Verbindlichkeiten in beträchtlicher Höhe), kann hievon jedenfalls nicht ausgegangen werden, da insbesondere letztere dem Vorliegen einer rein vermögensverwaltenden Tätigkeit entgegenstehen.

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