In der Hauptversammlung der S** Bergbahnen AG vom 27.08.2009 waren 92,57% des Grundkapitals vertreten, das zur Gänze dem Hauptaktionär Erich R** zuzurechnen war (ein geringer Teil wurde für ihn treuhändig gehalten, der Treuhänder war ebenfalls anwesend). Die beiden anwesenden Aktionäre fassten folgenden Beschluss:
Die Minderheitsaktionäre der Aktiengesellschaft werden gemäß §§ 1 ff GesAusG aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Die Nennbetragsaktien der Minderheitsaktionäre werden auf den Hauptaktionär Erich R** übertragen. Eine Barabfindung an die Minderheitsaktionäre für deren Nennbetragsaktien ist keine zu leisten ist, da die Nennbetragsaktien und das Unternehmen der S** Bergbahnen AG laut Unternehmensbewertungsgutachten keinen Verkehrswert haben.
Die Einberufung zu dieser Hauptversammlung erfolgte fristgerecht durch Einschaltung der Tagesordnung im Amtsblatt der Wiener Zeitung; darin wurde die Beschlussfassung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre und die Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär angekündigt und alle Aktionäre darauf hingewiesen, dass die Unterlagen gemäß § 3 Abs 5 GesAusG in den Geschäftsräumen am Sitz der Aktiengesellschaft zur Einsichtnahme durch die Aktionäre aufliegen.
Der Hinweis gemäß § 3 Abs 4 GesAusG wurde mit folgendem Wortlaut veröffentlicht:
Die Aktionäre der S** Bergbahnen AG werden auf Verlangen des Erich R** als Hauptaktionär am 27.08.2009 voraussichtlich einen Hauptversammlungsbeschluss über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre und die Übertragung der Nennbetragsaktien der Minderheitsaktionäre auf Erich R** als deren Hauptaktionär fassen.
Gemäß § 3 Abs 5 GesAusG sind mindestens während eines Monats vor dem Tag der Beschlussfassung der Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre folgende Unterlagen aufzulegen:
- Entwurf des Beschlussantrages über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre
- gemeinsamer Bericht des Vorstands und des Hauptaktionärs gemäß § 3 Abs 1 GesAusG
- Prüfungsbericht des gerichtlich bestellten Prüfers gemäß § 3 Abs 2 GesAusG
- Bericht des Aufsichtsrats gemäß § 3 Abs 3 GesAusG
- Unternehmensbewertungsgutachten
- Jahresabschlüsse und Lageberichte für die letzten drei Geschäftsjahre
- Jeder Aktionär hat gemäß § 3 Abs 5 GesAusG ein Recht auf Einsicht in die oben bezeichneten Unterlagen; gemäß § 3 Abs 6 GesAusG wird jedem Aktionär auf Verlangen unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der oben bezeichneten Unterlagen erteilt.
In der Hauptversammlung lagen diese Unterlagen zur Einsicht der Aktionäre auf. Der Vorstand und der Hauptaktionär erläuterten das Unternehmensbewertungsgutachten und den Bericht des Aufsichtsrats, der gerichtlich bestellte Prüfer erläuterte das Ergebnis seiner sachverständigen Prüfung.
Sodann wurde der gemeinsame Bericht des Vorstands und des Hauptaktionärs verlesen, der folgenden wesentlichen Inhalt aufweist:
- Der Hauptaktionär hat schriftlich den Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft gemäß §§ 1 ff GesAusG verlangt. Gemäß § 3 Abs 1 erstatten der Vorstand und der Hauptaktionär folgenden gemeinsamen Bericht. Dieser Bericht basiert auf dem vom Vorstand erstellten Entwurf eines Beschlussantrags über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre und auf dem Unternehmensbewertungsgutachten der T** GmbH.
- Erich R** hält derzeit 72.242 Nennbetragsaktien und somit 92,57% des Grundkapitals. Ihm wird daher zum Zeitpunkt der Beschlussfassung mehr als 90% des Grundkapitals gehören. Die Minderheitsaktionäre werden zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über ihren Ausschluss zusammen insgesamt 7,43% des Grundkapitals halten. Die Voraussetzungen für den Ausschluss der Minderheitsaktionäre liegen daher vor.
- Die Minderheitsaktionäre - und zwar auch jene, die für den Ausschluss der Minderheitsaktionäre stimmen werden - erhalten für die Übertragung ihrer Nennbetragsaktien auf den Hauptaktionär unter Bedachtnahme auf das Unternehmensbewertungsgutachten keine Barabfindung. Der nach dem oberwähnten Gutachten ermittelte Wert des Unternehmens der AG beträgt € 0,--. Anlässlich der Unternehmensbewertung sind keine besonderen Schwierigkeiten im Sinne des § 3 Abs 2 GesAusG aufgetreten.
- Mit der Eintragung des Beschlusses auf Ausschluss der Minderheitsaktionäre in das Firmenbuch gehen alle Nennbetragsaktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär, der den Ausschluss verlangt hat, über. Die Minderheitsaktionäre verlieren mit der Eintragung des Beschlusses auf Ausschluss der Minderheitsaktionäre ihre Stellung als Aktionäre der S** Bergbahnen AG. Die von den ausgeschlossenen Minderheitsaktionären gehaltenen Nennbetragsaktien verbriefen ab der Eintragung in das Firmenbuch nur den Anspruch auf Barabfindung. Mangels positivem Unternehmenswert wird jedoch keine Barabfindung an die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre geleistet.
- Da im vorliegenden Fall mangels eines positiven Verkehrswertes keine Barabfindung an die Minderheitsaktionäre zu leisten ist, entfällt die Bestellung eines Treuhänders gemäß § 2 GesAusG und sind in diesem Zusammenhang auch keine sonstigen Maßnahmen im Sinne des § 2 Abs 3 GesAusG zu treffen.
- Jeder Minderheitsaktionär hat grundsätzlich als Ausgleich für sein Ausscheiden einen Anspruch auf angemessene Barabfindung gemäß § 2 GesAusG, selbst wenn er in jener Hauptversammlung …, die über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließt, für den Ausschluss stimmt.
- Jeder Minderheitsaktionär kann …, auch wenn er dem Beschluss auf Ausschluss… zustimmt, bei jenem Gericht, in dessen Sprengel die … AG ihren Sitz hat, innerhalb einer Frist von einem Monat nach dem Tag, an dem die Eintragung des Beschlusses auf Ausschluss der Minderheitsaktionäre gemäß § 10 UGB als bekannt gemacht gilt, gemäß § 6 GesAusG einen Antrag auf Überprüfung des Barabfindungsangebots stellen.
In der Hauptversammlung wurde ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die Richtigkeit dieses gemeinsamen Berichtes und die Plausibilität des Entfalls der Barabfindung von einem sachverständigen Prüfer gemäß § 3 Abs 2 GesAusG geprüft worden seien.
Der Prüfbericht des gemäß § 3 Abs 2 GesAusG gerichtlich bestellten Prüfers fasst das Ergebnis wie folgt zusammen:
- Die Richtigkeit des gemeinsamen Berichts von Vorstand und Hauptgesellschafter gemäß § 3 Abs 1 GesAusG wird bestätigt.
- Das Unterbleiben einer Barabfindung ist angemessen.
- Bei der Bewertung sind keine besonderen Schwierigkeiten aufgetreten.
- Die Anwendung der Ertragswertmethode zur Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes ist angemessen und führt zum gleichen Ergebnis wie die Anwendung der Preisvergleichsmethode.
Der Vorstand unterrichtete die Aktionäre sodann weiter darüber, dass eine wesentliche Veränderung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft sowie der Pläne des Hauptgesellschafters, insbesondere eine solche, die eine andere Barabfindung rechtfertigen würden, zwischen der Erstattung des gemeinsamen Berichtes und der heutigen Hauptversammlung nicht eingetreten sei.
Vor der Beschlussfassung wurde nochmals auf den gemeinsamen Bericht des Vorstands und des Hauptaktionärs, den Bericht des sachverständigen Prüfers und den Bericht des Aufsichtsrats verwiesen und noch einmal festgehalten, dass gemäß dem Unternehmensbewertungsgutachten der Wert des Unternehmens der AG € 0,-- betrage, sodass mangels positivem Unternehmenswertes keine Barabfindung an die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre geleistet werde.
Der eingangs wiedergegebene Beschluss wurde daraufhin einstimmig - mit ausdrücklicher Zustimmung des Hauptaktionärs - gefasst.
Der Vorstand der Aktiengesellschaft meldete nunmehr - unter Vorlage aller erforderlichen und bereits genannten Unterlagen - diesen Ausschluss der Minderheitsaktionäre zur Eintragung in das Firmenbuch an und gleichzeitig die Eintragung des bisherigen Hauptaktionärs als nunmehrigem Alleinaktionär.
In einer gesonderten Erklärung gibt der Vorstand der Aktiengesellschaft bekannt, dass eine Klage auf Anfechtung oder Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung nicht erhoben wurde (§ 5 Abs 2 GesAusG).
Aus dem oben geschilderten Sachverhalt ergibt sich, dass seitens der Gesellschaft bzw. der handelnden Personen alle Vorgaben, die sich aus dem GesAusG ergeben, eingehalten wurden. Fraglich bleibt lediglich, ob ein Gesellschafterausschluss ohne Leistung einer Barabfindung an die ausscheidenden Minderheitsgesellschafter – insbesondere dann, wenn das Unternehmen keinen positiven Verkehrswert hat - zulässig ist.
Gemäß § 2 Abs 1 GesAusG hat der Hauptgesellschafter eine angemessene Barabfindung zu gewähren.
Die Gesetzesmaterialien halten dazu Folgendes fest:
"Abs. 1 legt erstens fest, dass eine Barabfindung zu gewähren ist; Wertpapiere können höchstens alternativ angeboten werden. Weiters muss die Barabfindung angemessen sein … Unter welchen Voraussetzungen die Barabfindung angemessen ist, welche Bewertungsmethoden anzuwenden sind und ob die Transaktions- bzw. Synergiegewinne bei der Festlegung der Abfindung zu berücksichtigen sind, soll wie bisher der Rechtsprechung überlassen werden; das gilt auch für die Frage, ob Börsenkurse zu berücksichtigen sind. Aus § 7 ergibt sich aber, dass am Markt erzielten Preisen eine besondere Bedeutung auch im Rahmen des Gesellschafterausschlusses zukommt. Schließlich stellt Abs. 1 klar, dass die Barabfindung vom Hauptgesellschafter zu zahlen ist."
Ruhm meint, dass die Höhe und Bemessung der Barabfindung weiterhin der Rechtsprechung überlassen sein werde. Es werde jedenfalls der Unternehmenswert (wohl meist der Ertragswert) zu berücksichtigen sein; bei börsennotierten Unternehmen werde der Börsekurs ein Indiz für die angemessene Barabfindung darstellen. Der wesentlichste Kritikpunkt sei aus seiner Sicht, dass die Festsetzung der angemessenen Barabfindung weiterhin der Rsp vorbehalten bleibe und weder Gesetz noch EBRV Anhaltspunkte für die Bemessung der Barabfindung und entsprechender Bewertungsmethoden bieten würden. Es werde daher dem Hauptgesellschafter möglich sein, die Bewertungsmethode "frei" zu wählen; die bloß nachprüfende richterliche Kontrolle könne dem Schutzbedürfnis der Minderheitsaktionäre nicht genügen. Eine Beschlussanfechtung sollte daher jedenfalls auch auf die Angemessenheit der Barabfindung gestützt werden können (Ruhm, ecolex 2006, 293).
Winner weist darauf hin, dass andere Staaten die Bewertung des Unternehmens als Basis für die Abfindung ablehnen und in weitaus größerem Maße auf den Markt vertrauen. So sei nach s 979 englischer Companies Act 2006 der Ausschluss der Minderheitsgesellschafter nur zulässig, wenn mehr als 90 Prozent der Adressaten eines Angebots, das auf den Kauf der Anteile gerichtet ist, dieses auch angenommen haben. Der Squeeze-out sei daher überhaupt nur nach einer vorangehenden Markttransaktion möglich. Der Preis dieses Angebots sei nach dem Companies Act 2006 grundsätzlich auch für den Squeeze-out angemessen. Das englische Recht greife somit nicht auf die Bewertung zurück (Winner, Wert und Preis im neuen Recht des Squeeze-out, JBl 2007, 434).
Kalss führt aus, dass Herzstück des Gesellschafterausschlusses die angemessene Barabfindung sei, die der Hauptgesellschafter den Minderheitsgesellschaftern zu gewähren habe. Die Abfindung sei jedenfalls in bar und nicht in sonstigen liquiden Papieren festzulegen. Die Barabfindung sei ziffernmäßig festzulegen. Das Gesetz spreche nur von der Gewährung einer angemessenen Barabfindung, worunter die volle Entschädigung für den Verlust der Mitgliedschaft zu verstehen sei, sodass im Regelfall der Ertragswert zu bestimmen sei. Gehe man davon aus, dass der Zweck des Gesellschafterausschlusses in der Strukturbereinigung und in der Kostenersparnis aufgrund Vereinfachungen der Gesellschafterzusammensetzung liege, zeige sich, dass dieses Einsparungspotenzial nur durch ein Zusammenwirken des Hauptgesellschafters und der Minderheitsgesellschafter möglich sei. Das Ausscheiden bilde eine maßgebliche Komponente dieser Strukturmaßnahme. Erkenne man dieses notwendige Zusammenwirken, so sei es auch plausibel, dass die Gesellschafter, die an der Kostensenkung mitwirken, auch an diesem Vorteil partizipieren. Daher seien mögliche Synergieeffekte aus dieser Maßnahme aufzuteilen, nämlich insofern, als sie zur Hälfte dem Hauptgesellschafter, zur Hälfte der Kapitalgesellschaft zukommen und den einzelnen Gesellschaftern der Kapitalgesellschaft anteilig je nach Höhe der Beteiligung zugeteilt werden (Kalss in RWZ 2006, 168 f).
Es findet sich somit keine explizite Stellungnahme dazu, inwieweit die Höhe der Barabfindung NULL sein kann. Offenkundig geht der Gesetzgeber (siehe dazu die oben wiedergegebenen Materialien) aber davon aus, dass ein Gesellschafterausschluss nur dann möglich sein soll, wenn der Hauptgesellschafter zumindest einen symbolischen Betrag als Barabfindung gewährt, selbst wenn nach allen Methoden der Unternehmensbewertung der Unternehmenswert null bzw. negativ sein sollte. Diese Schlussfolgerung ergibt sich nicht nur aus den Materialien, sondern schon aus dem Gesetzeswortlaut, wonach der Hauptgesellschafter eine angemessene Barabfindung zu gewähren hat (§ 2 Abs 1 S 1 GesAusG). Daraus folgt zwingend, dass eine Barabfindung von € 0,-- keine Barabfindung ist und somit die Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit eines Gesellschafterausschlusses nicht verwirklicht ist.
Dieser Gedanke korrespondiert durchaus auch mit der Tatsache, dass in anderen Ländern der Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern überhaupt davon abhängig gemacht wird, dass eine Markttransaktion stattgefunden hat. Anhaltspunkte dafür, dass auch im konkreten Fall eine Preisuntergrenze zu berücksichtigen gewesen wäre, finden sich im Prüfbericht des gemäß § 3 Abs 2 GesAusG bestellten Prüfers, der festhält, das von Juni bis November 2007 nachweislich 11 Anteilseigner ihre gesamten Anteile mit einem Nominalwert von bis zu € 880.000 und zum Teil unter Verzicht auf die Rückforderung zusätzlich geleisteter Zahlungen um den symbolischen Kaufpreis von € 1,-- abgetreten haben. Auch wenn sich daraus - bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise - tatsächlich ergibt, dass am Markt keine Käufer für diese Gesellschaftsanteile zu finden sein werden, rechtfertigt dies allein nicht, vom Angebot einer Barabfindung zur Gänze abzusehen, zumal der Hauptaktionär selbst schon einmal symbolische Kaufpreise bezahlt hat.
Die Notwendigkeit der Gewährung einer Barabfindung zeigt sich auch daran, dass § 6 Abs 2 GesAusG für die Überprüfung der Barabfindung durch die ausgeschlossenen Gesellschafter auf die sinngemäße Anwendung der einschlägigen Bestimmungen in §§ 225c – 225m AktG verweist. Die nachträgliche Überprüfung einer Barabfindung setzt aber voraus, dass eine solche überhaupt gewährt wird. Eine nicht gewährte Barabfindung kann nämlich nicht auf deren Angemessenheit überprüft werden.
Somit bleibt zuletzt noch zu beurteilen, inwieweit nicht die unterbliebene Beschlussanfechtung durch die Minderheitsaktionäre sämtliche Überlegungen überflüssig macht und daher allein aufgrund dieser Tatsache ohne weitere Überprüfung der Gesellschafterausschluss einzutragen wäre. Der Anfechtungsausschluss des § 6 Abs 1 GesAusG käme in dieser Konstellation ja nicht zur Geltung, weil danach als Anfechtungsgrund lediglich die Geltendmachung der nicht angemessenen Festlegung der Barabfindung ausgeschlossen wird, nicht aber die Tatsache, dass die Festlegung einer Barabfindung überhaupt unterlassen wurde.
Dieses Argument greift aber schon deshalb nicht, weil - ungeachtet der nicht erfolgten Anfechtung - die Beschlussfassung im Hinblick auf die unterlassene Festsetzung einer Barabfindung nichtig ist und diese Nichtigkeit den wirksamen Übergang der Anteile hindert (Duursma et al., Gesellschaftsrecht, RZ 4667). Diese Nichtigkeit ist im Rahmen der materiellen Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichtes im Eintragungsverfahren aufzugreifen.
1 Kommentar:
Aus Sicht eines Bewerters knüpfen die Gedanken zu diesem wiederum sehr lehrreichen Fall an dem folgenden Schlüsselsatz Ihrer hervorragenden Fallschilderung an:
"Der Vorstand unterrichtet die Aktionäre darüber, dass eine Veränderung der Pläne des Hauptgesellschafters zwischen der Erstattung des gemeinsamen Berichtes und der heutigen Hauptversammlung nicht eingetreten ist."
Weiter oben ist zu lesen, dass der Bewerter die objektivierte Ertragswertmethode angewendet hat. Eine Objektivierung des Unternehmenswertes ist korrekt, da das Gutachten einer Nachprüfung durch das Gericht standhalten muss. Daneben muss der Bewerter jedoch auch in Betracht ziehen, dass das zu bewertende Unternehmen offensichtlich ertragsschwach ist.
Bei der Bewertung ertragsschwacher Unternehmen hat der Bewerter neben der Beurteilung von Fortführungskonzepten auch die Beurteilung von Zerschlagungskonzepten vorzunehmen. Falls es trotz anhaltender Ertragsschwäche und somit möglicherweise drohender Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung)zum Stichtag der Bewertung kein Zerschlagungskonzept gibt, hat er gemeinsam mit der Unternehmensleitung eines zu erstellen. Ist der Barwert der finanziellen Überschüsse aus der Zerschlagung höher als der Barwert der finanziellen Überschüsse bei Fortführung, bildet grundsätzlich der Liquidationswert die Wertuntergrenze bei der Unternehmensbewertung. Vermutlich ist in dem vorliegenden Fall diese Berechung unterblieben.
Wenn es für das ertragsschwache Unternehmen ausschließlich die Möglichkeit der Fortführung gibt, es droht also keine Insolvenz, sind bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes nur bereits eingeleitete Maßnahmen oder hinreichend konkretisierte Maßnahmen im Rahmen des bisherigen Unternehmenskonzeptes zur Überwindung der Ertragsschwäche zu berücksichtigen. Rein formal betrachtet kann der Bewerter also durchaus davon ausgehen, dass es zum Bewertungsstichtag keine hinreichend konkretisierten Maßnahmen gab, die in der Zukunft zu positiven Unternehmensergebnissen führen würden (s. Schlüsselsatz). Diese formal zulässige Annahme widerspricht jedoch der "Lebenswirklichkeit". Kein rational handelnder Unternehmer nimmt Verluste einfach so hin ohne in seinem Unternehmen etwas zu ändern!
Ein weiterer Gesichtspunkt: Der Fortführungswert von 0,00 € hätte durch die Ermittlung des Zerschlagungswertes plausibilisiert werden können und müssen. Statt dessen hat der Bewerter zu diesem Zweck eine "Preisvergleichsmethode" benutzt. Aus der Fallschilderung ist nicht ersichtlich, um welche Methode es sich dabei handelt. Es ist anzunehmen, dass er das Multiplikatorverfahren herangezogen hat. Bei ertragsschwachen Unternehmen mit naturgemäß negativen Bezugsgrößen ist diese Vorgehensweise jedoch trivial und deshalb überflüssig.
Eine weitere Möglichkeit der Plausibilisierung des Unternehmenswertes von 0,00 € hätte das Substanzwertverfahren geboten. Im Gegensatz zum Zerschlagungswert handelt es sich bei dem Substanzwert um den Gebrauchswert der betrieblichen Substanz; er ergibt sich als Rekonstruktions- oder Wiederbeschaffungswert aller im Unternehmen vorhandenen Werte (und Schulden). Insoweit ist er Ausdruck vorgeleisteter Ausgaben, die durch den Verzicht auf den Aufbau eines identischen Unternehmens erspart bleiben.
Lieber Herr Dr. Jennewein, HERZLICHEN DANK für diesen so sorgfältig und ausführlich beschriebenen Praxisfall!
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