15. Februar 2013

Verschmelzung down-stream unzulässig, selbst wenn fusionierte Gesellschaft nicht real überschuldet ist

Im Firmenbuch des Landesgerichtes Innsbruck sind eingetragen:

die P** S** GmbH mit dem Sitz in E* mit einem zur Gänze geleisteten Stammkapital von € 36.500,--; deren Gesellschafter sind E* O* mit einer Stammeinlage von € 3.285,--, C* B* mit einer Stammeinlage von € 365,-- und die E** O** GmbH mit einer Stammeinlage von € 32.850,--;

die soeben genannte E** O** GmbH mit dem Sitz in E*; deren Alleingesellschafter mit einer zur Hälfte geleisteten Stammeinlage von € 35.000,-- ist E* O*.

Mit Generalversammlungsbeschlüssen je vom 26.11.2012 haben die Gesellschafter beider beteiligten Gesellschaften einstimmig die Verschmelzung der E** O** GmbH als übertragende Gesellschaft mit der P* S* GmbH als übernehmende Gesellschaft beschlossen. Der Verschmelzung wurde der Verschmelzungsvertrag vom 26.11.2012 zu Grunde gelegt, sie erfolgte auf Basis der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft zum 29.2.2012.

Eine Kapitalerhöhung unterblieb mit Hinweis auf § 224 Abs 3 AktG. Die Vertragsteile hielten ausdrücklich fest, dass bei der übernehmenden Gesellschaft selbst nach Abzug des Beteiligungsansatzes an der übertragenden Gesellschaft ein positives Vermögen verbleibt. Die übernehmende Gesellschaft sei nach Durchführung des Verschmelzungsvorganges nicht real überschuldet und in der Lage, sämtliche Verbindlichkeiten abzudecken. Dem Alleingesellschafter der übertragenden Gesellschaft wurden die von der übertragenden Gesellschaft gehaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft im Wege der Anteilsauskehr übertragen.

Die Geschäftsführungen beider beteiligten Gesellschaften meldeten diese Verschmelzung zur Eintragung in das Firmenbuch an.

Folgender wesentlicher Sachverhalt liegt diesem Verschmelzungsvorgang zugrunde:

Punkt IV. des Verschmelzungsvertrages vom 26.11.2012 regelt:

Die übernehmende Gesellschaft gewährt dem Alleingesellschafter der übertragenden Gesellschaft E* O* als Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens Geschäftsanteile an der übernehmenden Gesellschaft im Nennbetrag von € 32.850,--. Diese Anteile werden im Zuge der Verschmelzung aus dem Vermögen der übertragenden Gesellschaft erworben und an E* O* durchgeleitet.

In Punkt V. des Verschmelzungsvertrages halten die Vertragsteile fest:

(1) Durch die gegenständliche Verschmelzung wird kein kapitalherabsetzender Effekt bewirkt, zumal sich die Gesellschafter der am Verschmelzungsvorgang beteiligten Gesellschaften zugunsten allfälliger Gläubiger der beteiligten Gesellschaften verpflichten, den Betrag in Höhe des bisherigen Stammkapitals der übertragenden Gesellschaft nicht vor Ablauf der Frist des § 226 AktG aus dem übernommenen Vermögen an die Gesellschafter auszuschütten.

(2) Weiters wird festgehalten, dass aufgrund des vorliegenden Verkehrswertgutachtens betreffend die übernehmende Gesellschaft diese auch nach Durchführung des Verschmelzungsvorganges nicht real überschuldet und in der Lage ist, sämtliche Verbindlichkeiten abzudecken.

(3) Dieses Verkehrswertgutachten nimmt Bezug auf eine bergwirtschaftliche Bewertung der Abbaurechte durch Herrn DI M* L* und stellt auch die wirtschaftliche Situation der übernehmenden Gesellschaft nach der Verschmelzung in einer Übernahmebilanz dar.

Zur Regelung in Punkt V. erster Absatz des Verschmelzungsvertrages ist an dieser Stelle anzumerken:

Das Stammkapital der übertragenden Gesellschaft beträgt € 35.000, jenes der übernehmenden Gesellschaft € 36.500. Ein kapitalherabsetzender Effekt kann sich bei dieser Ausgangskonstellation von vorneherein nicht ergeben, zumal bei Beurteilung dieser Frage die Kapitalien der beteiligten Gesellschaften nicht zu addieren sind. Eine dem Summengrundsatz des Spaltungsrechts vergleichbare Regelung enthält nämlich das Verschmelzungsrecht nicht (Kalss, Verschmelzung/Spaltung/Umwandlung § 224 AktG Rz 42; Eckert, GeS 2006, 384, 385).
Diese Regelung im Verschmelzungsvertrag wäre somit nicht erforderlich, schadet aber auch nicht.

Die Schlussbilanz zum 29.2.2012 der übertragenden Gesellschaft weist bei einer Bilanzsumme von € 2.436.728,35 aktivseitig unter Finanzanlagen die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft (P* S* GmbH) mit € 2.400.000 aus und zusätzlich Forderungen und Vermögensgegenstände von € 18.388,35 und aktive Rechnungsabgrenzungsposten von € 18.340.

Die Passivseite der Bilanz weist ein negatives Eigenkapital von - € 178.206,48, Rückstellungen von € 500 und Verbindlichkeiten von € 2.614.434,83 aus.

Im Anhang wird zum ausgewiesenen negativen Eigenkapital gem § 225 Abs 1 UGB Stellung genommen und erklärt, dass eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts nicht vorliege, da die buchmäßige Überschuldung durch stille Reserven in der Beteiligung abgedeckt sei.

Der zum Firmenbuch eingereichte Jahresabschluss der übernehmenden P* S* GmbH zum 29.2.2012 hat folgendes Bild:

AKTIVA

Anlagevermögen                                                             
Immaterielle Vermögensgegenstände                                2.970.959,45
Sachanlagen                                                                       649.542,03
Finanzanlagen                                                                       50.985,25

Umlaufvermögen                                                            
Vorräte                                                                                74.852,57
Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände           1.518.622,77
Kassenbestand, Schecks, Guthaben bei Kreditinstituten      188.603,20

Rechnungsabgrenzungsposten                                             719.794,78

PASSIVA

Stammkapital                                                                       36.500,00
Kapitalrücklagen                                                             2.225.571,07
Bilanzgewinn                                                                      340.525,21

Unversteuerte Rücklagen                                                     31.175,57
Investitionszuschüsse                                                           21.553,08

Rückstellungen                                                                  821.845,28

Verbindlichkeiten                                                           2.696.189,84

Dem Verschmelzungsvertrag ist die Übernahmebilanz der übernehmenden Gesellschaft zum 1.3.2012 beigeschlossen, die unter Ansatz eines Umgründungsmehrwert des von € 4.850.000 einen Bilanzverlust von € 2.926.992,06 und damit nach Ausweis des Stammkapitals von € 36.500 ein positives Eigenkapital von € 1.959.507,94 ausweist.

In einer beigeschlossenen Stellungnahme des die Verschmelzung betreuenden Steuerberaters wird wie folgt argumentiert:

In Anlehnung zu den Ausführungen in den UmgrStR, Rz 14 sowie der Entscheidung des OLG Wien (30.5.2007, 28 R 15/07t) wird in der beiliegenden Übernahmebilanz zum 1.3.2012 abgebildet, dass die aus der down-stream-Verschmelzung hervorgehende P* S * GmbH ein buchmäßig positives Eigenkapital in Höhe von € 1.959.507,94 aufweist. Die nachhaltig positive Ertragslage der P* S * GmbH lässt den Schluss zu, dass auch nach der Verschmelzung alle übernommenen Verbindlichkeiten aus dem operativen Cashflow bedient werden können. Das Eigenkapital wird in der Weise abgebildet, das zum Buchkapital zum 1.3.2012 der Ertragswert des Abbaugebietes „G** I“ zum 1.3.2012 entsprechend dem beiliegenden Gutachten von DI M* L* in Höhe von € 4.850.000 als stille Reserve hinzugezählt wird. … Der Verschmelzungsverlust infolge Beteiligungsabgang der E** O** GmbH … sowie die bisherige Aufwertung …, welche aus einer im Jahr 2006 durchgeführten Einbringung stammt, wurden in Abzug gebracht, sodass das Eigenkapital in der Übernahmebilanz zum 1.7.2012 € 1,9 Mio beträgt. …

Zu dieser Argumentation ist in Verbindung mit den Regelungen des zweiten und dritten Absatzes des Punktes V. des Verschmelzungsvertrages festzuhalten:

In dem dem Verschmelzungsvertrag beigeschlossenen Verkehrswertgutachten hinsichtlich der bergwirtschaftlichen Bewertung der Abbaurechte wird das Abbaufeld „G** I“ der P* S* GmbH & Co.KG zum Zeitpunkt März 2009 ohne Berücksichtigung der behördlich genehmigten Wiederverfüllung mit € 7.370.000 bewertet. Die Abzinsung des Ertragswertes zum 1.3.2012 ergibt laut diesem Gutachten einen aktuellen Ertragswert des Abbaufeldes von € 4.850.000. Diesen Wert hat die übernehmende Gesellschaft in der vorgelegten Übernahmebilanz als Umgründungsmehrwert im Anlagevermögen ausgewiesen.

Die übernehmende Gesellschaft hat das Vermögen der P* S* GmbH & Co.KG mit Einbringungsvertrag vom 24.11.2006 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem § 142 HGB übernommen.

Bei diesem Ertragswert handelt es sich somit um stille Reserven der übernehmenden Gesellschaft, die im zuletzt eingereichten Jahresabschluss zum 29.2.2012 der übernehmenden Gesellschaft nicht ausgewiesen sind.

Daraus ergibt sich rechtlich:

Die in der Stellungnahme des Steuerberaters genannte Entscheidung 28 R 15/07t OLG Wien befasst sich mit einer side-stream-Verschmelzung und führt zu den relevanten rechtlichen Fragen aus:

Nach Lehre und Rsp gilt als Mindestvoraussetzung einer Verschmelzung, dass die daraus hervorgehende Gesellschaft weder überschuldet noch zahlungsunfähig sein darf (Koppensteiner, Verschmelzung und Vermögensbindung, wbl 1999, 333 [340]; G. Nowotny, ecolex 2000, 116 [118]; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG § 224 Rz 10; 6 Ob 70/03t). Liegt eine solche Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der aus der Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft nicht vor, kann die Verschmelzung mit einer überschuldeten oder auf eine überschuldete Gesellschaft zulässig sein, zB dann, wenn auch nach der Verschmelzung alle Verbindlichkeiten durch die übernehmende Gesellschaft abgedeckt werden können (Koppensteiner, wbl 1999, 333 [340]; G. Nowotny, ecolex 2000, 116 [118]; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG § 224 Rz 10; Saurer in Doralt/Nowotny/Kastner, AktG § 52 Rz 93; OLG Wien 28 R 111/04f, 28 R 112/04b).

Die Rechtsprechung stellt bei der Frage der Überschuldung - wie bei der Beurteilung des positiven Verkehrswertes - nicht auf buchmäßige, sondern auf reale Werte, somit auf eine reale Überschuldung ab. Ob trotz einer buchmäßigen Überschuldung tatsächlich eine reale Überschuldung zu Verkehrswerten besteht, ist nach den - von der übernehmenden Gesellschaft zu bescheinigenden - Umständen des konkreten Falles zu beurteilen (6 Ob 165/04i; OLG Wien 28 R 111/04f, 28 R 112/04b).

Nach der Entscheidung des OLG Wien (28 R 111/04f, 28 R 112/04b = NZ 2005, 300 [308]) soll im Fall einer überschuldeten übertragenden Gesellschaft eine Schwesternverschmelzung etwa dann zulässig sein, wenn die übernehmende Gesellschaft in ihrer Bilanz „einen ausschüttbaren Bilanzgewinn in Höhe des negativen Wertes der übertragenden Gesellschaft hat. Über diesen Bilanzgewinn müsste dann der Gesellschafter (gemeint: der dortige Alleingesellschafter der übernehmenden Gesellschaft) gemäß § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG und der entsprechenden Bestimmung des Gesellschaftsvertrages Beschluss fassen, dass diese Mittel nicht an ihn ausgeschüttet würden, sondern vielmehr in der übernehmenden Gesellschaft zur Abdeckung der übernommenen Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft blieben (vgl § 82 Abs 1 GmbHG)." Dies käme wirtschaftlich dem unproblematischen Fall gleich, dass der (Allein)Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft vor der Verschmelzung den an ihn ausgeschütteten Gewinn zur Abdeckung der Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft verwendet.

Unter diesen Voraussetzungen kann bei einer Schwesternverschmelzung auch der umgekehrte Fall (positiver Verkehrswert der übertragenden, Überschuldung der übernehmenden Gesellschaft) zulässig sein. Wesentlich ist, dass nach der Verschmelzung die Verbindlichkeiten der Gläubiger der übertragenden Gesellschaft abgedeckt werden können. …

Wie bereits ausgeführt wurde, kann eine Verschmelzung auf eine überschuldete Gesellschaft zulässig sein, wenn auch nach der Verschmelzung alle Verbindlichkeiten durch die übernehmende (gemeint: verschmolzene) Gesellschaft abgedeckt werden können. In der Entscheidung 6 Ob 165/04i qualifizierte der OGH bei einer Schwesternverschmelzung schon angesichts der erheblichen Überschuldung der übernehmenden Gesellschaft die Interessen der Gläubiger der übertragenden Gesellschaft als „jedenfalls gefährdet". „Dass die Verschmelzung auf eine (auch) real verschuldete übernehmende Gesellschaft wegen Gefährdung der Interessen der Gläubiger der übertragenden Gesellschaft unzulässig und sittenwidrig wäre, ist auch im Schrifttum nicht zweifelhaft (...). Angesichts der vorhandenen buchmäßigen Überschuldung müsste daher die aufnehmende Gesellschaft bescheinigen, dass sie nicht auch real überschuldet ist." Aus den Entscheidungen der Vorinstanzen zu diesem Judikat (s OLG Graz 4 R 30/04z, 4 R 40/04s) ergibt sich jedoch, dass die Verschmelzung dort einen stark kapitalherabsetzenden Effekt erzeugt hätte und auch die verschmolzene Gesellschaft überschuldet gewesen wäre. …

Dieser Sachverhalt indizierte somit eindeutig die Gefahr einer Gläubigerbenachteiligung. Daher kann vor dem Hintergrund dieses Sachverhaltes nicht der Schluss gezogen werden, der OGH qualifiziere in jedem Fall eine Verschmelzung „auf eine (auch) real verschuldete übernehmende Gesellschaft" als unzulässig. Vielmehr lässt sich diese Entscheidung wegen der unterschiedlichen Faktengrundlage nicht ohne Weiters auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt übertragen: Hier würde weder die Verschmelzung einen kapitalherabsetzenden Effekt verursachen noch wäre die verschmolzene Gesellschaft überschuldet. Vielmehr würde sie einen Gewinn ausweisen, der ausreichen würde, um die Verbindlichkeiten beider Gesellschaften abzudecken.

Für die in meinem Fall zu beurteilenden Fragen ist damit aber nichts zu gewinnen:

Der OGH hat in 6 Ob 4/99 b ausdrücklich statuiert, dass eine Anteilsübertragung an die Gesellschafter der Muttergesellschaft bei einem down-stream-merger nur dann in Frage kommt, wenn der Tochtergesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ein positiver Vermögenswert zukommt, die Mutter also einen positiven Verkehrswert aufweist. Dabei muss der Wert der Beteiligung an der Tochtergesellschaft außer Betracht bleiben. Die Verschmelzung ist nur dann zulässig, wenn die übernommenen Nettoverbindlichkeiten aus freien, an sich ausschüttbaren Mitteln finanzierbar sind (Kalss aaO, § 224 AktG Rz 59 mwN).

Exakt dies ist hier nicht der Fall. Die aktuelle Schlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft weist Kapitalrücklagen von € 2.225.571,07 und einen Bilanzgewinn von € 340.525,21 aus. Selbst wenn man diese Beträge als frei ausschüttbar qualifizieren würde (der eingereichte Jahresabschluss lässt diesbezüglich keine sichere abschließende Beurteilung zu), lassen sich damit die übernommenen Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft von insgesamt € 2.614.434,83 nicht abdecken. Unter Außerachtlassung des Beteiligungsansatzes wird nämlich nur ein Aktivvermögen von € 36.728,35 auf die übernehmende Tochtergesellschaft übertragen. Saldiert geht somit ein Schuldenüberhang von € 2.577.706,48 auf die übernehmende Gesellschaft über, der mit den (maximal) ausschüttbaren Mitteln von € 2.566.096,28 nicht gedeckt werden kann.

Die Argumentation des OLG Wien in der zuvor geschilderten Entscheidung betrifft einen side-stream-merger. Diese Grundsätze lassen sich nicht ohne weiteres - gerade vor dem Hintergrund der Aussagen des OGH in 6 Ob 4/99 b - auf eine down-stream-Konstellation übertragen, wenn auch im konkret zu beurteilenden Fall das „Fusionsergebnis“ nach Aufdeckung der stillen Reserven (die ja zu berücksichtigen sind, weil die Verkehrswerte entscheidend sind) keine real überschuldete Gesellschaft wäre.

Ich habe den Antrag auf Eintragung des Verschmelzungsvorganges mit der oben dargestellten Begründung abgewiesen. Es lässt sich zwar argumentieren, dass auch eine Verschmelzung down-stream dann zulässig ist, wenn eine nicht überschuldete fusionierte Gesellschaft aus dem Verschmelzungsvorgang hervorgeht; dieser Fall bietet aber die Gelegenheit, diese Frage ober- oder vielleicht höchstgerichtlich zu klären.

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