8. September 2011

Wieder einmal: Ausschluss der Erwerberhaftung gemäß § 38 Abs 4 UGB

Mit der am 21.6.2011 eingelangten Firmenbuchanmeldung bringt der Geschäftsführer der T** GmbH vor, die GmbH habe mit Unternehmenskaufvertrag vom 27.5.2011 von der Ing. E** B** GmbH & Co KG den Sanitärbetrieb B** gekauft. Im Kaufvertrag sei vereinbart worden, dass sämtliche Verbindlichkeiten der Verkäuferin, die vor dem Übergabestichtag fällig geworden sind, bei der Verkäuferin verbleiben. Eine Haftung der Käuferin für Verbindlichkeiten der Verkäuferin, die vor dem Übergabestichtag fällig geworden sind, sei ausgeschlossen worden.
Zur Eintragung in das Firmenbuch werde daher einerseits die Übernahme des Sanitärbetriebes aufgrund des Kaufvertrages vom 27.5.2011 und andererseits der Haftungsausschluss gemäß § 38 Abs 4 UGB beantragt.

Gemäß Punkt 2. des Kaufvertrages vom 27.5.2011 verkauft die Verkäuferin an die Käuferin und diese kauft von der Verkäuferin mit wirtschaftlicher Wirkung zum Vertragsstichtag, das ist der 1. April 2011, 0:00 Uhr, das näher beschriebene Unternehmen mit allem rechtlichen und tatsächlichen Zubehör.

In Punkt 8. wird u.a. vereinbart, dass die Käuferin Kundenverträge, die zum Vertragsstichtag von der Verkäuferin und dem Kunden noch nicht vollständig erfüllt wurden (laufende Kundenverträge) übernimmt.
Sie übernimmt weiters Kundenverträge, die zum Vertragsstichtag von der Verkäuferin und dem Kunden bereits vollständig erfüllt wurden (abgeschlossene Kundenverträge), wobei diesbezüglich geregelt wurde, dass die Käuferin in die Rechtsverhältnisse der Verkäuferin aus abgeschlossenen Kundenverträgen eintritt und für die damit verbundenen Rechte und Pflichten aus zum Vertragsstichtag bereits abgeschlossenen Kundenverträgen der Verkäuferin haftet.
In weiteren Punkten wird geregelt, dass diverse Versorgungsverträge für Strom, Wasser, Telekommunikation etc. seitens der Verkäuferin aufgelöst werden und es Sache der Käuferin ist, für die Zeit nach dem Vertragsstichtag neue Versorgungsverträge abzuschließen. Sollte eine Vertragsauflösung nicht möglich sein, wird vereinbart, dass die Käuferin den jeweiligen Versorgungsvertrag übernimmt.

Bezüglich der Versicherungsverträge wird im Kaufvertrag auf die bestehenden gesetzlichen Kündigungsfristen nach VersVG verwiesen.

Bezüglich der Übernahme von Verbindlichkeiten lautet der diesbezügliche Punkt 11. des Kaufvertrages insgesamt wie folgt:

Die Käuferin und Verkäuferin kommen überein, dass mit Ausnahme der in diesem Vertrag ausdrücklich übernommenen Verbindlichkeiten sowie ausdrücklich übernommenen Vertrags- bzw. Rechtsverhältnissen keine anderen unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten von der Verkäuferin auf die Käuferin übergehen bzw. von der Käuferin übernommen werden.

Die Käuferin und die Verkäuferin vereinbaren, dass dieser Haftungsausschluss der Verkäuferin nach § 38 Abs 4 UGB im Firmenbuch eingetragen wird.

Sollte die Käuferin entgegen diesem Haftungsausschluss wegen einer vor dem Vertragsstichtag im Zusammenhang mit dem Kaufgegenstand entstandenen Verbindlichkeit von einem Dritten in Anspruch genommen werden, so verpflichtet sich die Verkäuferin zu völligen Schad- und Klagloshaltung der Käuferin.

Punkt 14. des Kaufvertrages beschäftigt sich mit Gewährleistungen und Haftungen der Verkäuferin, wobei in unter lit. n) Folgendes geregelt wird:

Der Käuferin und der Verkäuferin sind die einschlägigen Rechtsvorschriften betreffend die Haftung des Erwerbers eines Unternehmens bzw. Vermögens für Verbindlichkeiten des Veräußerers bekannt, insbesondere die Bestimmung des § 1409 ABGB, § 67 Abs. 4 ASVG, § 14 BAO und der §§ 38 ff. UGB.
Die Verkäuferin verpflichtet sich, die Käuferin im Falle einer etwaigen Inanspruchnahme aus den genannten Haftungstatbeständen, soweit diese Verbindlichkeiten von der Verkäuferin nicht ausdrücklich im Vertrag übernommen wurden, vollkommen schad- und klaglos zu halten.


Die Antragsteller wurden in einer weiteren Zwischenerledigung darauf aufmerksam gemacht, dass aus diesen Regelungen des Kaufvertrages kein wirksamer Haftungsausschluss iSd § 38 Abs 4 UGB, der in das Firmenbuch eingetragen werden könnte, abgeleitet werden könne, worauf ein mit 19.8.2011 datierter Zusatz zum Kaufvertrag vom 27.5.2011 vorgelegt wurde, der folgenden Wortlaut aufweist:

In Punkt 11 des Unternehmenskaufvertrages … haben die Verkäuferin und die Käuferin vereinbart, dass „mit Ausnahme der in diesem Vertrag ausdrücklich übernommenen Verbindlichkeiten sowie ausdrücklich übernommenen Vertrags- und Rechtsverhältnissen keine unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten von der Verkäuferin auf die Käuferin übergehen bzw. von der Käuferin übernommen werden“. Gleichzeitig wurde zwischen Käuferin und Verkäuferin vereinbart, „diesen Haftungsausschluss der Käuferin nach § 38 Abs. 4 UGB im Firmenbuch“ einzutragen. Auch in Abs. 3 wurde auf diesen „Haftungsausschluss der Käuferin“ Bezug genommen.

Die Verkäuferin und die Käuferin halten einvernehmlich fest, präzisieren und stellen klar, dass sie bei Abschluss des Unternehmenskaufvertrages ausdrücklich vereinbart haben, dass mit Ausnahme der im Unternehmenskaufvertrag ausdrücklich übernommenen Verbindlichkeiten sowie ausdrücklich übernommenen Vertrags- bzw. Rechtsverhältnissen keine weiteren unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten von der Verkäuferin auf die Käuferin übergehen bzw. von der Käuferin übernommen werden und sie weiters ausdrücklich vereinbart haben, dass die Käuferin für sämtliche weiteren unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten der Verkäuferin nicht haftet, sohin ausdrücklich im Unternehmenskaufvertrag vereinbart wurde und ist, dass die Haftung der Käuferin für sämtliche weiteren unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten der Verkäuferin, soweit diese nicht ausdrücklich von der Käuferin im Unternehmenskaufvertrag übernommen wurden, nach § 38 Abs. 4 UGB ausgeschlossen wird und ist.

Die Käuferin und die Verkäuferin halten in diesem Zusammenhang ausdrücklich und einvernehmlich fest, dass sich für sie dieser im Unternehmenskaufvertrag vereinbarte Haftungsausschluss der Käuferin aus der Formulierung „dieser Haftungsausschluss der Käuferin“ im zweiten und dritten Absatz des Punktes 11 im Zusammenhang mit dem ersten Absatz des Punktes 11 klar ergeben hat und ergibt und sie hier lediglich eine Präzisierung und Klarstellung dieses vereinbarten Haftungsausschlusses der Käuferin vornehmen.

Rechtlich habe ich diesen Sachverhalt wie folgt beurteilt:

Wer ein unter Lebenden erworbenes Unternehmen fortführt, übernimmt gemäß § 38 Abs 1 UGB, sofern nichts anderes vereinbart ist, zum Zeitpunkt des Unternehmensübergangs die unternehmensbezogenen, nicht höchstpersönlichen Rechtsverhältnisse des Veräußerers mit den bis dahin entstandenen Rechten und Verbindlichkeiten.

Werden unternehmensbezogene Rechtsverhältnisse des Veräußerers vom Erwerber nicht übernommen, so haftet er dennoch für die damit verbundenen Verbindlichkeiten. Die gilt auch, wenn der Erwerber nur einzelne Verbindlichkeiten des Veräußerers nicht übernimmt. Eine davon abweichende Vereinbarung über die Haftung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie beim Unternehmensübergang im Firmenbuch eingetragen, auf verkehrsübliche Weise bekannt gemacht oder dem Dritten vom Veräußerer oder vom Erwerber mitgeteilt wurde (§ 38 Abs 4 UGB).

Die Systematik der Rechtsfolgen des § 38 UGB lässt sich zusammengefasst wie folgt darstellen:

  • Unternehmenserwerb (unter Lebenden) führt ex lege zum Übergang aller unternehmensbezogenen (nicht höchstpersönlichen) Rechtsverhältnisse;

  • vertraglicher Ausschluss dieses Übergangs möglich;

  • trotz eines vereinbarten Ausschlusses besteht Haftung des Erwerbers für die (Alt)Verbindlichkeiten des Veräußerers;

  • ein Ausschluss dieser Haftung des Erwerbers im Vertrag ist möglich, muss aber vereinbart werden;

  • Wirksamkeit eines derartigen Haftungsausschlusses hängt von wirksamem Publizitätsakt ab, der zudem im zeitlichen Zusammenhang zum Unternehmensübergang gesetzt werden muss.

Krejci weist in diesem Konnex darauf hin, dass § 38 Abs 4 UGB zum einen unter dem Ausdruck „Rechtsverhältnisse“ wohl nur die „Vertragsverhältnisse“ meint und zum anderen „die damit verbundenen Verbindlichkeiten“ nur die Altverbindlichkeiten des Veräußerers meinen (Krejci, § 38 UGB: Zurück ins Trockendock? in ÖJZ 2007/73, C Z. 10).
Völlig klar ist jedoch, dass § 38 UGB davon ausgeht, dass der Erwerber auch dann, wenn es zu keiner Vertragsübernahme oder zu keiner Übernahme einzelner Verbindlichkeiten iSd § 38 Abs 4 2. Satz UGB kommt, für die (Alt)Verbindlichkeiten des Veräußerers haftet, sofern diese Haftung nicht gesondert ausgeschlossen wird. Die Ablehnung einer Vertragsübernahme bzw. einer Übernahme einzelner Verbindlichkeiten als solche bedeutet also nicht auch schon die Ablehnung der Erwerberhaftung (Krejci aaO, B letzter Absatz).

Im Unternehmenskaufvertrag vom 27.5.2011 wird geregelt, welche Vertrags- bzw. Rechtsverhältnisse bzw. welche Verbindlichkeiten nicht von der Verkäuferin auf die Käuferin übergehen. Damit wird also - zulässigerweise - vereinbart, dass abweichend vom ex-lege-Übergang des § 38 UGB bestimmte Rechtsverhältnisse beim Veräußerer verbleiben und nicht auf den Erwerber übergehen.

Einen Ausschluss der gemäß § 38 Abs 4 UGB normierten „Trotzdem-Haftung“ der Erwerberin haben die Vertragsteile im Kaufvertrag vom 27.5.2011 jedenfalls nicht vereinbart.
Gemäß ihrer Argumentation müsste dieser Haftungsausschluss im 1. Absatz des Punktes 11 geregelt worden sein, zumal sie im 2. Absatz des Punktes 11 mit der Formulierung „dass dieser Haftungsausschluss der Käuferin nach § 38 Abs 4 UGB im Firmenbuch eingetragen wird“ auf eine zuvor getroffene Regelung Bezug nehmen. Eine andere Bedeutung kann der Regelung im 2. Absatz nicht zugemessen werden, da darin ja nur festgestellt wird, dass eine bereits getroffene Vereinbarung, nämlich der Haftungsausschluss, im Firmenbuch eingetragen wird.
Mit dem vorgelegten Zusatz zum Unternehmenskaufvertrag versuchen die Vertragsteile zwar eine authentische Interpretation ihrer ursprünglichen Vereinbarung, vereinbaren in Wahrheit aber mit diesem Zusatz erstmalig einen Haftungsausschluss iSv § 38 Abs 4 UGB. Es wird ihnen zwar zuzugestehen sein, dass sie diesen Haftungsausschluss bereits bei Abschluss des Kaufvertrages am 27.5.2011 vereinbaren wollten, was aber nichts daran ändert, dass eine solche Vereinbarung in der Ursprungsfassung des Kaufvertrages keinen Niederschlag gefunden hat.

Für die Wirksamkeit eines Haftungsausschlusses gemäß § 38 Abs 4 UGB ist zudem erforderlich, dass dieser in zeitlicher Nähe zum Unternehmensübergang im Firmenbuch eingetragen wird. Der Publikationsakt muss nämlich beim Unternehmensübergang erfolgen. Dafür wird ein enger zeitlicher Zusammenhang zum Unternehmensübergang verlangt, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist; bereits ein Monat kann als verspätet beurteilt werden (Fuchs/Schuhmacher in Straube, UGB, § 38 Rz 85; Karollus in Jabornegg/Artmann, UGB, § 38 Rz 70; ErläutRV 1058. BlgNR 22. GP 32).


Der erst im Zusatz vom 19.8.2011 erstmalig vereinbarte Haftungsausschluss ist somit nicht im engen Zusammenhang zum Unternehmensübergang (Vertragsstichtag für die Übernahme ist der 1.4.2011) erfolgt, mangels Vorliegens einer wirksamen Vereinbarung des Ausschlusses der Haftung der Käuferin fehlt damit auch die Rechtsgrundlage für eine Eintragung dieses Haftungsausschlusses gemäß § 38 Abs 4 UGB in das Firmenbuch, sodass der entsprechende Antrag abzuweisen ist.

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