14. September 2010

Übertragung einer atypisch stillen Gesellschaftsbeteiligung mit Gesamtrechtsnachfolgewirkung (§ 142 UGB)

Daniela H** ist Alleininhaberin des registrierten Einzelunternehmens Daniela H** - Hotel I** e.U.
Im Firmenbuch ist die P** Immobilien Management GmbH eingetragen, deren Alleingesellschafter mit einer zur Gänze geleisteten Stammeinlage von € 36.336,42 Stefan H** ist.
Daniela H** als Geschäftsherrin und die P** Immobilien Management GmbH als atypisch stille Gesellschafterin haben mit Gesellschaftsvertrag vom 30.8.2000 eine atypisch stille Gesellschaft vereinbart. Gemäß den Bestimmungen dieses Gesellschaftsvertrages sind am Ergebnis sowie am Vermögen und Liquidationsüberschuss dieser stillen Gesellschaft die Geschäftsherrin zu 10% und die atypisch stille Gesellschafterin zu 90% beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag haben die Vertragsteile vereinbart, dass im Fall des Ausscheidens eines Mitunternehmers aus der atypisch stillen Gesellschaft der andere in analoger Anwendung der Bestimmungen des § 142 UGB berechtigt ist, das gesamte Vermögen der Mitunternehmerschaft, umfassend auch das Unternehmen der Geschäftsherrin und die atypisch stille Einlage, zu übernehmen.

Mit dem in Diskussion stehenden Einbringungsvertrag bringt Daniela H** ihren Mitunternehmeranteil an dieser atypisch stillen Gesellschaft einschließlich mehrerer im Sonderbetriebsvermögen stehender Liegenschaften aufgrund der Einbringungsbilanz zum 31.12.2009 als Sacheinlage gegen Gewährung von neuen Anteilen aus einer bei der P** Immobilien Management GmbH zu beschließenden Erhöhung des Stammkapitals in die P** Immobilien Management GmbH ein. Im Einbringungsvertrag wird festgehalten, dass aufgrund dieses Einbringungsvorgangs die zwischen den Vertragsteilen vereinbarte atypisch stille Gesellschaft aufgelöst wird und als dessen unmittelbare Folge das durch den eingebrachten und übertragenen Mitunternehmeranteil zivilrechtlich und wirtschaftlich repräsentierte Vermögen des Einzelunternehmens Daniela H** - Hotel I** e.U. samt allen Aktiven und Passiven sowie Rechten und Pflichten im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die P** Immobilien Management GmbH übergeht.

Unter Bezugnahme auf meinen Beitrag vom 3.9.2010 wurde mir nun der Entwurf dieses Einbringungsvertrags mit folgender Anfrage übermittelt:

Ich bin der Meinung, dass durch das Ausscheiden der Geschäftsherrin infolge der Übertragung ihres Mitunternehmeranteiles auf die atypisch stille Gesellschafterin und der dadurch bewirkten Auflösung der atypisch stillen Gesellschaft das Vermögen der Mitunternehmerschaft zwar auf die atypisch stille Gesellschafterin übergeht, sich aber die analoge Anwendung von § 142 UGB nicht auch auf die Gesamtrechtsnachfolge erstreckt. In dem von Ihnen berichteten Fall wurde eine Gesamtrechtsnachfolge behauptet bzw. vereinbart. Ich glaube aber nicht, dass ich in der Firmenbuchanmeldung über die Löschung des Einzelunternehmens neben der Betriebsübertragung auf die atypisch stille Gesellschafterin „P** Immobilien Management GmbH“ auch noch die Gesamtrechtsnachfolge eintragen lassen kann.

Vorauszuschicken ist, dass ich in meinem Beitrag vom 3.9.2010 auf diese Aspekte nicht eingegangen bin, sondern lediglich angemerkt habe, dass der Umstand, ob mit der Einbringung einer atypisch stillen Gesellschaftsbeteiligung auch eine „Betriebsübertragung der atypisch stillen Gesellschaft“ einhergehen kann, klärungsbedürftig sein wird.

Die Praxisrelevanz dieser Frage ist evident:
Die entsprechenden Eintragungen im Firmenbuch wirken zwar grundsätzlich nur deklarativ, es wäre aber höchst unbefriedigend, wenn im Hinblick auf die Publizitätswirkungen derartiger Eintragungen im Rechtsverkehr der Eindruck einer tatsächlich gar nicht vorliegenden Rechtsnachfolge vermittelt wird. Das Firmenbuchgericht hat daher sicherzustellen, dass materiell richtige Eintragungen im Firmenbuch vorgenommen werden.
Für die beratenden und vertragsverfassenden Berufe ist es entscheidend, die zivilrechtlich richtige Vertragsgestaltung vorzunehmen, muss doch gewährleistet sein, dass es zu einer rechtlich wirksamen Übertragung des Vermögens auf den übernehmenden Vertragspartner kommt.

Umso erstaunlicher ist es daher, dass die Beantwortung dieser Frage höchst unsicher ist.

Unstrittig ist, dass die stille Gesellschaft selbst kein Unternehmen veräußern kann, da sie nicht Unternehmensträgerin ist. Ebenso wenig kann die stille Gesellschaft als reine Innengesellschaft keine an einer Umgründung unmittelbar beteiligte Person sein. In der vorliegenden Konstellation stellen sich auch nicht die in der Literatur relevierten Probleme, die daraus resultieren, dass der Geschäftsinhaber im Wege der Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge sein Unternehmen überträgt. Die vorliegende Übertragung wird sozusagen im Innenverhältnis der atypisch stillen Gesellschaft abgewickelt und ist demnach von entsprechendem Einvernehmen geprägt, sodass sich Fragen „aufgezwungener Vertragspartnerwechsel“ gar nicht stellen (siehe dazu Hochedlinger in Hochedlinger-Fuchs, Stille Gesellschaft Rz 1/140).
Ebenfalls klar ist, dass die stille Gesellschaft selbst vermögenslos ist, der stille Gesellschafter kann am Unternehmen des Geschäftsinhabers (bei entsprechender „atypischer“ Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages) lediglich schuldrechtlich beteiligt sein (Hochedlinger aaO Rz 1/215; Krejci, Gesellschaftsrecht I, 438f).

Hier ist ein „Beendigungsfall der stillen Gesellschaft“ zu diskutieren. Daran hat sich auch die Lösung zu orientieren.

Hämmerle/Wünsch betonen, dass sich die Auflösung einer stillen Gesellschaft wesensmäßig nach völlig anderen Regeln als die Auflösung von Personengesellschaften vollziehe. Weil sie eine reine Innengesellschaft ohne Gesellschaftsvermögen sei, sei die Auflösung der stillen Gesellschaft nichts anderes als eine Vollbeendigung der zwischen dem Geschäftsinhaber einerseits und dem stillen Gesellschafter andererseits begründeten rein schuldrechtlichen Beziehungen, der schließlich die Auseinandersetzung der vermögensrechtlichen Ansprüche folge (vgl. dazu Hochedlinger aaO, Rz 1/221 mit den entsprechenden Nachweisen).
Dies sieht Reich-Rohrwig für den Fall des Ausscheidens eines atypisch stillen Gesellschafters, der schuldrechtlich am Vermögen einer Kapitalgesellschaft bzw. Personengesellschaft ohne natürliche Person als voll haftenden Gesellschafter beteiligt ist, anders (Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung, 404f, 419f).

In der Literatur wird zudem diskutiert, ob dem stillen Gesellschafter ein Übernahmerecht analog § 142 UGB für den Fall zukomme, dass der Geschäftsinhaber sein Unternehmen mit Auflösung der stillen Gesellschaft nicht mehr weiterführen kann oder will. Diese Frage werde man konsequenterweise nur dann bejahen können, wenn man die Auffassung vertrete, dass der Sukzessionsmodus der Gesamtrechtsnachfolge auch vertraglich vereinbart werden könne (wogegen sich die hL ausspreche). Diesem Ansatz werde teilweise gefolgt, in manchen Konstellationen selbst ohne entsprechende ausdrückliche Vereinbarung (Hämmerle/Wünsch). K. Schmidt hingegen verneine die Möglichkeit einer vertraglich vereinbarten Rechtsnachfolge in Universalsukzession und halte lediglich eine vereinbarte Unternehmensübertragung vom Geschäftsinhaber auf den Stillen im Wege der Einzelrechtsnachfolge für möglich (Hochedlinger aaO, Rz 1/231 mit den entsprechenden Belegstellen).

Damit sind wir beim Thema:
Im konkreten Fall ist Teil der Vereinbarung, dass Daniela H** als Geschäftsherrin ihr Einzelunternehmen nicht mehr weiterführen, sondern auf die GmbH (als stille Gesellschafterin) übertragen will. Folgt man den erstgenannten Literaturstimmen, wäre diese Übertragung im Rahmen einer (tatsächlich auch so vereinbarten) Gesamtrechtsnachfolge möglich und demnach im Firmenbuch die Vermögensübernahme des Unternehmens Daniela H** gemäß § 142 UGB auf die P** Immobilien Management GmbH einzutragen.

Eine solche Eintragung wäre aber systemwidrig. § 142 UGB setzt ja die Übernahme des Vermögens einer Personengesellschaft voraus, eben als Folge der Tatsache, dass infolge Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters nur noch ein Gesellschafter verbleibt. Vor diesem Hintergrund ist es undenkbar, dass das Vermögen eines Einzelunternehmens auf Grundlage des § 142 UGB übergeht, weil ein „Gesellschaftsvermögen“ gar nicht vorliegt. Wenn man sich die analoge Heranziehung des § 142 UGB nutzbar machen möchte, müsste dies wohl konsequenterweise zur Eintragung der Übernahme des Gesellschaftsvermögens der atypisch stillen Gesellschaft führen. Entsprechend der Rechtsnatur der stillen Gesellschaft als Innengesellschaft mit rein schuldrechtlichen Beziehungen und vor dem Hintergrund der Vermögenslosigkeit der stillen Gesellschaft an sich scheidet eine solche Eintragungstatsache meiner Meinung nach aber schon begrifflich aus, sodass ich dazu tendiere, in Übereinstimmung mit der Ansicht in der eingangs geschilderten Anfrage für die geschilderte Konstellation „nur“ Einzelrechtsnachfolge als zulässig anzusehen.

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