7. September 2010

Kapitalerhaltung bei der GmbH & Co KG (2 Ob 225/07p) – ein Praxisbeispiel

Die Entscheidung des OGH vom 29.5.2008, 2 Ob 225/07p, zählt zu den meistdiskutierten höchstgerichtlichen Entscheidungen zum Personengesellschaftsrecht in der jüngsten Vergangenheit [GesRZ 2008, 310 (Stingl) = GeS 2008, 315 (Bauer) = JAP 2008/2009, 100 (Rauter) = RWZ 2008, 260 (Wenger) = ÖBA 2009, 60 (Bollenberger)].

Sie beschäftigt sich mit der Frage der Kapitalerhaltung bei der GmbH & Co KG im engeren Sinn. In der Entscheidung bejaht der OGH die analoge Anwendung der §§ 82 f GmbHG auf eine KG, bei der kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person war. Er führt aus, dass Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt haftet, in mehreren Gesetzen, die den Schutz der Gesellschaftsgläubiger verfolgen, Kapitalgesellschaften gleichgestellt wurden. Auch das Verbot der Einlagenrückgewähr diene dem Gläubigerschutz, weshalb es auf KGs im engeren Sinn im Verhältnis zu ihren Kommanditisten analog anzuwenden sei. Der Rückersatzanspruch für die verbotene Auszahlung stehe der KG zu.

Die Frage wurde und wird in der Lehre kontrovers diskutiert. Diese Diskussion wird vom OGH in der Entscheidung ausführlich referiert und dargestellt. Im Ergebnis folgt das Höchstgericht den Argumenten von Karollus und Reich-Rohrwig zur analogen Anwendbarkeit der GmbH-Kapitalerhaltungsregeln auf die GmbH & Co KG ieS. Die Reaktionen auf diese Entscheidung spiegeln dann auch das kontroverse Bild der vorangegangenen Diskussion wider (dem OGH folgend u.a. Harrer, wbl 2009, 328 ff; differenzierend, kritisch und sehr eingehend Kalss/Eckert/Schörghofer, Ein Sondergesellschaftsrecht für die GmbH & Co KG? GesRZ 2009, 65). Eine übersichtliche Zusammenfassung dieser Reaktionen findet sich bei Schörghofer, Neue Rechtsprechung zum Personengesellschaftsrecht, GesRZ 2009, 275.

Ungeachtet der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit mancher dieser vielen Diskussionsbeiträge steht die Beratungs- und Firmenbuchpraxis vor der Situation, mit der grundsätzlichen Aussage dieser Entscheidung „leben“ zu müssen.

Die Anwendbarkeit der §§ 82 f GmbHG auf die GmbH & Co KG hat demnach u.a. zur Folge, dass (a) Ausschüttungen an den Kommanditisten bzw die Komplementär-GmbH nur in Höhe des Bilanzgewinns erfolgen können; (b) Rechtsgeschäfte zwischen KG und Kommanditist bzw Komplementär-GmbH nur zulässig sind, wenn sie einem Drittvergleich standhalten (andernfalls sind diese Rechtsgeschäfte nichtig); (c) das Kapitalerhaltungsgebot bei einer Reduktion der Haftsumme sowie bei einer Realteilung der KG zu beachten ist. Außerdem hat schon die bisherige Rsp bei der Liquidation der GmbH & Co KG die vorrangige Gläubigerbefriedigung vor Verteilung des Vermögens der KG als zwingend angesehen.
Dabei wird sich die Herabsetzung der Haftsumme nach den Grundsätzen der kapitalgesellschaftsrechtlichen Kapitalherabsetzung zu richten haben. Dies wird bei der GmbH & Co KG zur (sinngemäßen) Anwendbarkeit der §§ 54 ff GmbHG führen. Die Herabsetzung der Haftsumme ist zu veröffentlichen, bekannte Gläubiger sind direkt zu verständigen. Die Gläubiger sind auf Verlangen zu befriedigen oder sicherzustellen (so Grossmayer, Kapitalerhaltung bei der GmbH & Co KG, ecolex 2008, 1023; vgl. auch Stingl in GesRZ 2008, 315 unter Hinweis auf Reich-Rohrwig, Kapitalerhaltung, 404 ff, wonach etwa eine Realteilung einer GmbH & Co KG künftig wohl ohne entsprechende Begleitmaßnahmen zum Schutz der Gläubiger nicht mehr möglich sein wird).

Der folgende, von mir aktuell zu bearbeitende Fall schildert eine Variante der Konsequenzen dieser Judikatur:

An der B** GmbH & Co KG sind die B** GmbH mit einer Substanzbeteiligung von 85% als Komplementärin und Herbert B** jun., Christine B** sowie Herbert B** sen. als Kommanditisten mit einer Haftsumme und zugleich geleisteten Einlage in Höhe von je € 8.017,61, entspricht einer Substanzbeteiligung von je 5%, beteiligt.
An der B** GmbH ist Herbert B** jun. mit einer zur Gänze geleisteten Stammeinlage von € 35.000 als Alleingesellschafter beteiligt.

Die B** GmbH & Co KG hat mit Einbringungsvertrag vom 27.8.2010 ihr gesamtes Unternehmen auf Grundlage der Einbringungsbilanz zum 30.11.2009 in die B** GmbH gegen Gewährung von neuen Anteilsrechten eingebracht.
Als Gegenleistung für die eingebrachte Sacheinlage erhält die B** GmbH & Co KG aus der bei der B** GmbH in der Generalversammlung vom 27.8.2010 beschlossenen Kapitalerhöhung in Höhe von € 27.000,-- die gesamte neue Stammeinlage.
Der Einbringungsvertrag sieht weiter vor, dass die einbringende B** GmbH & Co KG aufgrund der Einbringung aufgelöst und ohne Liquidation gelöscht wird, wobei die der KG für die Einbringung gewährte Stammeinlage an deren Kommanditisten ausgekehrt bzw. an diese durchgeschleust wird. Außerdem wird festgehalten, dass im Rahmen dieser Kapitalerhöhung der GmbH für ihre 85%-Substanzbeteiligung an der übertragenden KG keine eigenen Anteile gewährt werden dürfen, weshalb die neuen Anteile ausschließlich den drei Kommanditisten im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung gewährt werden.
Das Einbringungskapital (Eigenkapital der KG) ist deutlich positiv und übersteigt – auch unter Berücksichtigung der 85%-Beteiligung der B** GmbH - den Betrag der dafür gewährten Stammeinlage.

Die B** GmbH & Co KG hat ihre Gläubiger mit folgender Einschaltung im Amtsblatt der Wiener Zeitung aufgefordert, Sicherstellung bzw. Befriedigung ihrer Forderungen zu verlangen:

Mit Einbringungsvertrag vom 27.08.2010 hat die B** GmbH & Co KG mit Sitz in E**, FN ***, ihren gesamten Betrieb laut Einbringungsbilanz zum 30.11.2009 in die bisherige Komplementärgesellschaft, die Firma B** GmbH mit Sitz in E**, FN ***, eingebracht und übertragen, und zwar gegen Gewährung neuer Anteile im Nominale von gesamt € 27.000,-- durch die übernehmende GmbH an die einbringende Kommanditgesellschaft bzw. im Wege der Anteilsdurchschleusung an deren 3 Kommanditisten.
Die einbringende B** GmbH & Co KG wird dadurch aufgelöst und soll im Firmenbuch gelöscht werden.
Die Gläubiger der B** GmbH & Co KG sind berechtigt, Sicherstellung oder Befriedigung ihrer Forderungen zu verlangen.

Mit den beiden am 30.8.2010 eingelangten Firmenbuchanmeldungen beantragen die Gesellschafter der B** GmbH & Co KG sowie der Geschäftsführer der B** GmbH, vorerst im Firmenbuch bei den beiden Rechtsträgern lediglich die Tatsache der Einbringung des Betriebes der B** GmbH & Co KG (§ 3 Z 15 FBG) einzutragen, wobei gleichzeitig angekündigt wird, dass die Eintragung der Auflösung und Löschung der B** GmbH & Co KG sowie die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses und der neuen Stammeinlagen bei der B** GmbH mit gesonderter Firmenbuchanmeldung nach Ablauf der Gläubigeraufforderungsfrist erfolgen wird.

Diese „gestaffelte Anmeldung“ ist mE schlüssig, konsequent und notwendig.

Vorauszuschicken ist:
Die mit dem Einbringungsvertrag einhergehende Übertragung des Betriebes der KG auf die GmbH ist in dieser Konstellation vor dem Hintergrund der Kapitalerhaltung bei der GmbH & Co KG dann unbedenklich, wenn die einbringende KG eine äquivalente Gegenleistung in Gestalt von neuen Anteilen an der übernehmenden GmbH erhält. Es ist diesbezüglich zu prüfen, ob die als Gegenleistung gewährte neue Stammeinlage in Höhe von € 27.000,-- dem Wert des eingebrachten Betriebes der KG entspricht, was eine Bewertung des Unternehmens der KG (unter Außerachtlassung des Beteiligungsansatzes der Komplementär-GmbH) einerseits und der übernehmenden GmbH andererseits voraussetzt.

Die hier eingeschlagene Vorgangsweise macht diese Prüfung überflüssig. Die Durchschleusung der GmbH-Anteile der KG an deren Kommanditisten führt dazu, dass der letzte verbliebene Vermögenswert aus der KG abgeht und die KG aufgrund des entsprechenden Beschlusses der KG-Gesellschafter ohne Liquidation gelöscht werden soll. Dass dies bei der GmbH & Co KG nicht ohne Wahrung der Gläubigerrechte möglich ist, war schon vor den Zeiten der 2 Ob 225/07p unstrittig.

Diese Wahrung der Gläubigerinteressen ist im konkreten Fall durch die analoge Anwendung der GmbH-rechtlichen Kapitalherabsetzungsbestimmungen gesichert. Der Gläubigerschutz ist nämlich dann gewährleistet, wenn (1) den bekannten Gläubigern von dieser Einbringung unter Hinweis auf ihren Sicherstellungs- bzw. Befriedigungsanspruch bzw. den sonstigen Gläubigern durch die entsprechende Einschaltung dieses Aufrufes in den Bekanntmachungsblättern Mitteilung gemacht wird, (2) allfällige Ansprüche von sich meldenden Gläubigern tatsächlich befriedigt bzw. sichergestellt werden und (3) die Durchschleusung der Anteile tatsächlich erst nach Ablauf der 3-Monats-Frist des § 55 Abs 2 GmbHG erfolgt, in concreto, die entsprechende Kapitalerhöhung erst nach Ablauf dieser Frist über ergänzende Anmeldung mit den notwendigen Nachweisen iSd § 56 Abs 2 GmbHG tatsächlich im Firmenbuch eingetragen wird.
Sollte nun die B** GmbH & Co KG nicht in der Lage sein, alle eingehenden (und berechtigten) Sicherstellungs- und Befriedigungsansprüche zu erfüllen, müsste es entweder zu einer Rückabwicklung dieses Einbringungsvertrages oder zur entsprechenden Kapitalausstattung der KG zwecks Gläubigerbefriedigung kommen, womit eine Schlechterstellung der Gläubiger der KG auszuschließen ist.

Da es aber zivilrechtlich ungeachtet dessen aufgrund der tatsächlich bereits durchgeführten Übertragungsakte schon jetzt zur Übertragung des Betriebes der KG auf die GmbH kommt, ist im Sinne des Publizitätsgrundsatzes die Tatsache dieser Betriebsübertragung gemäß § 3 Z 15 FBG sowohl beim übertragenden als auch beim übernehmenden Rechtsträger sofort einzutragen.

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