In der Generalversammlung der I* Holding GmbH vom 28.09.2009 wurde der Jahresabschluss zum 31.12.2008 einstimmig festgestellt und genehmigt. Dieser weist neben dem zur Hälfte einbezahlten Stammkapital von € 35.000 Gewinnrücklagen in Höhe von € 65.000 und einen Bilanzgewinn von € 1.072.172,70 (unter Berücksichtigung eines Verlustvortrags von € 4.390,53) aus.
Im Anschluss daran wurde unter einem zweiten Tagesordnungspunkt das Stammkapital der Gesellschaft unter Heranziehung von Gesellschaftsmitteln "in der Form von offenen Rücklagen" unter Zugrundelegung der Bestimmungen des KapBG um € 65.000 rückwirkend zum 1.1.2009 auf € 100.000 erhöht, wobei festgehalten wurde, dass der Erhöhungsbetrag als freie Gewinnrücklage in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen ist.
Diese Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wurde zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet.
In einer Zwischenerledigung wies ich die Antragsteller – unter Bezugnahme auf OGH 6 Ob 101/04b - darauf hin, dass im Jahresabschluss zum 31.12.2007 noch keine Gewinnrücklagen vorhanden waren, sondern lediglich der Bilanzverlust von € 4.390,53. Damit sei die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln unzulässig, weil der im vorangegangenen Wirtschaftsjahr erwirtschaftete Bilanzgewinn, über dessen Verwendung im Rahmen der Generalversammlung beschlossen werde, für eine Kapitalberichtigung nicht herangezogen werden könne.
In der nunmehr eingelangten Stellungnahme führte der steuerliche Vertreter der Gesellschaft aus, dass die Geschäftsführung in der Jahresabschlusserstellung zum 31.12.2008 bereits eine Gewinnrücklage in Höhe von € 65.000 dotiert habe, die in der G&V über die Position "Zuweisung zu Gewinnrücklagen" ausgewiesen sei.
Im konkreten Fall würde daher nicht ein nicht vorhandener Gewinnvortrag oder der Bilanzgewinn zur Kapitalerhöhung herangezogen, sondern eine bereits im Jahresabschluss zum 31.12.2008 ausgewiesene offene Gewinnrücklage. Der Fall unterscheide sich daher vom Sachverhalt der zitierten höchstgerichtlichen Entscheidung. Nach deutschem Recht sei eine solche Vorgangsweise jedenfalls zulässig, die Entscheidung des OGH habe diesen Aspekt ausdrücklich offen gelassen. Folge man dem Sinn des Gesetzes und der in der Literatur geäußerten Ansichten, sei die gewählte Vorgangsweise daher zulässig.
In der referierten Entscheidung beschäftigt sich der OGH in diesem Zusammenhang auch mit der deutschen Rechtslage, wobei er für Österreich zu folgender Schlussfolgerung gelangt:
„Ob es auch bei der geltenden Rechtslage als zulässig anzusehen ist, in der Höhe des Jahresüberschusses eine Zuweisung zur freien Rücklage im Sinn des § 231 Abs 2 Z 27 bzw Abs 3 Z 26 HGB vorzunehmen (vgl § 229 Abs 3 HGB), wie Tichy (in Doralt/Nowotny/Kalss, Komm z AktG II § 2 KapBG Rz 13) vorschlägt, kann hier dahin gestellt bleiben, weil die Antragsteller ausdrücklich an ihrer Ansicht festhielten, dass der auf neue Rechnung vorzutragende aktuelle Bilanzgewinn bei entsprechender Fassung des Gesellschaftsvertrags zur Gewinnverteilung und jedenfalls bei Einstimmigkeit der Gesellschafter ohne weiteres für eine Kapitalerhöhung herangezogen werden könne. Die Heranziehung des Bilanzgewinns als solcher kommt aber nach der geltenden Rechtslage nicht in Frage.“
Gemäß § 2 Abs 3 KapBG können nur im Jahresabschluss ausgewiesene offene Rücklagen einschließlich eines Gewinnvortrags umgewandelt werden, soweit ihnen nicht ein Verlust einschließlich eines Verlustvortrags gegenüber steht. Der OGH hat grundsätzlich aus dieser Formulierung in strikter Anlehnung an den gesetzlichen Wortlaut geschlossen, dass der Bilanzgewinn aus dem der Kapitalberichtigung vorangegangenen Geschäftsjahr selbst bei einstimmigem Gesellschafterbeschluss nicht umwandlungsfähig sei.
Ettmayer/Lahnsteiner meinen dazu, dass dies nur dann sachgerecht erscheine, wenn einerseits im Gesellschaftsvertrag keine Beschlussfassung über die Verteilung des Bilanzgewinns vorgesehen und somit der Bilanzgewinn auszuschütten sei und andererseits eine Rücklagenbildung weder rechtlich noch wirtschaftlich geboten sei. Es würden hingegen weder Gesellschafter- noch Gläubigerschutzgesichtspunkte gegen eine Umwandlung des aktuellen Bilanzgewinns sprechen, sofern (1) der Gesellschaftsvertrag eine Beschlussfassung über die Gewinnverteilung vorsehe und die Generalversammlung mit der erforderlichen Mehrheit beschließe, dass der Bilanzgewinn nicht ausgeschüttet werde, (2) die Rücklagenbildung und in der Folge die Kapitalberichtigung wirtschaftlich geboten erscheine oder (3) der Kapitalberichtigungsbeschluss einstimmig gefasst werde. Die genannten Autoren nehmen auch auf den von einem Teil der Lehre (Tichy in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG Anh § 173 § 2 KapBG Rz 13; Koppensteiner/Rüffler Anh § 53 § 2 KapBG Rz 7) vorgeschlagenen Ausweg der Bildung einer freien Rücklage in Höhe des Jahresüberschusses Stellung, wobei sie meinen, dass dies daran scheitern könnte, dass die willkürliche Bildung einer Rücklage an sich nur bei gesellschaftsvertraglicher Regelung zulässig sei, es jedoch selbst bei Vorliegen einer solchen Regelung aufgrund der Treuepflicht verboten sein könne, dass die Mehrheit betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigte Rücklagen bilde (Ettmayer/Lahnsteiner in Straube, GmbHG § 53 Anhang KapBG Rz 19).
Ohne damit auf den zuletzt wiedergegebenen Meinungsstreit eingehen zu müssen, halte ich vor diesem Hintergrund die in der Zwischenerledigung geäußerten Bedenken nicht mehr aufrecht. Im konkreten Fall wurde der Jahresabschluss samt der Dotierung der freien Gewinnrücklage einstimmig genehmigt, der Kapitalberichtigungsbeschluss wurde ebenfalls einstimmig gefasst, sodass weder Aspekte des Gesellschafter- noch des Gläubigerschutzes gegen die angemeldete Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sprechen. Schließlich spricht auch der Gesetzeswortlaut für die Zulässigkeit, da freie Gewinnrücklagen im zu Grunde gelegten Jahresabschluss ja tatsächlich vorhanden sind und diese für die Kapitalberichtigung herangezogen werden.
Offen bleibt damit aber, ob dies auch für den Fall nicht einstimmiger Gesellschafterbeschlüsse hinsichtlich Gewinnverwendung und Kapitalberichtigung gelten würde.
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