Folgende zwei Beispiele aus Gesellschaftsverträgen (neu gegründeter) GmbHs stelle ich heute zur Diskussion:
Beispiel 1
"IX. Gewinnverwendung
Über die Gewinnverwendung beschließt - soweit zwingende gesetzliche Bestimmungen dem nicht entgegenstehen - die Generalversammlung. Über Beschluss der Generalversammlung kann der erzielte Gewinn in Entsprechung des § 82 Abs 2 GmbHG auch alinear, somit entgegen dem gemeinen Verhältnis der eingezahlten Stammeinlagen ausbezahlt werden. Der Beschluss bedarf jedoch einer ¾-Mehrheit.“
Beispiel 2
„XIV. Bilanz und Gewinnverwendung
Die Entscheidung über die Verwendung des Reingewinns ist unter Beachtung der vertraglichen Bestimmungen und der gesetzlichen Vorschriften alljährlich der Generalversammlung vorbehalten.
Eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Gewinnausschüttung ist zulässig und vorgesehen, welcher die Gesellschafter hiermit zustimmen.“
Gegen die erstgenannte Bestimmung äußerte das Firmenbuchgericht in einer Zwischenerledigung folgende Bedenken:
„Die in Artikel IX. des Gesellschaftsvertrages vorgesehene (von § 82 Abs 2 GmbHG abweichende) alineare Verteilung des Gewinnes wäre nur mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zulässig oder bereits im Gesellschaftsvertrag eindeutig zu regeln (Kalss/Nowotny/Schauer, Öst. Gesellschaftsrecht RZ 4/393).“
Kann dieser Vorhalt zur Ablehnung der Eintragung dieser GmbH führen?
Gemäß § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG unterliegen der Beschlussfassung der Gesellschafter u.a. die Verteilung des Bilanzgewinns, falls dieser im Gesellschaftsvertrag einer besonderen Beschlussfassung von Jahr zu Jahr vorbehalten ist.
Koppensteiner/Rüffler schreiben dazu:
Ein Gewinnverteilungsbeschluss ist nur dann zu fassen, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. Bei Fehlen gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen über die Gewinnverteilung ist der gesamte Gewinn an die Gesellschafter auszuschütten. Daneben kann der Gesellschaftsvertrag eigene Gewinnverwendungsregeln aufstellen und dabei die Gewinnbeteiligung der einzelnen Gesellschafter auch anders als § 82 Abs 2 regeln. Dabei ist vorauszusetzen, dass sich der Anspruch anhand des Gesellschaftsvertrages beziffern lässt.
Erst dann, wenn keine dieser Gestaltungen vorliegt, kommen periodische Gewinnverwendungsbeschlüsse der Gesellschafter in Betracht. Der Gesellschaftsvertrag muss also ausdrücklich oder implizit eine Regel enthalten, die einen jährlichen Gewinnverteilungsbeschluss verlangt. Der Gewinnverwendungsbeschluss hat den Gleichheitsgrundsatz zu beachten (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG § 35 Rz 12 - 15 mwN).
Reich-Rohrwig führt aus:
Der Umstand, dass der Gesellschaftsvertrag einen eigenen Beschluss über die Gewinnverteilung von Jahr zu Jahr vorsieht, ändert nichts daran, dass der Gewinn der GmbH zur Gänze auszuschütten ist. Nur wenn der Gesellschaftsvertrag einen Beschluss über die Gewinnverwendung zulässt, können die Gesellschafter im Rahmen der Gewinnverwendung die Bildung von Rücklagen beschließen (Reich-Rohrwig, GmbH I, Rz 3/199). Selbst wenn die Gewinnverwendung gesellschaftsvertraglich ohne Einschränkung einem Gesellschafterbeschluss überlassen ist, bedeutet dies nicht die Zulässigkeit willkürlicher Gewinnverteilung oder -zurückhaltung in der GmbH. Die Gesellschaftermehrheit ist an die Treuepflicht gebunden und darf ihr Entscheidungsermessen nicht überschreiten. Der Beschluss wäre etwa unzulässig und anfechtbar, wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wird (Reich-Rohrwig aaO Rz 3/203).
Satzungsdurchbrechende Gewinnverwendungsbeschlüsse sind zulässig, wenn sie in der Tagesordnung entsprechend angekündigt, mit der ¾-Stimmenmehrheit oder der höheren gesellschaftsvertraglichen Mehrheit beschlossen wurden und den genannten materiellen Voraussetzungen genügen (Reich-Rohrwig aaO Rz 3/205).
Nowotny lehrt, dass bei der GmbH ein dispositiv-rechtliches Vollausschüttungsgebot besteht, wonach der festgestellte Bilanzgewinn in voller Höhe auszuschütten ist. Der Gewinn könne also weder durch die Geschäftsführer noch durch die Gesellschafter willkürlich ganz oder teilweise einer Rücklage zugeführt werden. Demnach sei für eine gewillkürte Rücklagenbildung eine gesellschaftsvertragliche Regelung erforderlich, womit nur bei Vorliegen einer solchen Bestimmung ein Gewinnverteilungsbeschluss gefasst werden müsse. Der Gewinnanspruch der einzelnen Gesellschafter richte sich mangels anderer Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag nach den eingezahlten Stammeinlagen, doch könne der Gesellschaftsvertrag jede andere Regelung treffen, soweit sie nicht sittenwidrig ist. Ebenso könne mit Zustimmung der Betroffenen auch ohne Regelung im Gesellschaftsvertrag eine alineare Ausschüttung beschlossen werden (Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, Rz 4/392 und 4/393).
Der angesprochene Themenkreis verlangt also zunächst nach einem exakten Umgang mit Begriffen. So ist v.a. zu differenzieren zwischen Gewinnverwendung und Gewinnverteilung/ Gewinnausschüttung.
Eine gesellschaftsvertragliche Gewinnverwendungsregel kann im Wesentlichen nur zum Inhalt haben, den festgestellten Bilanzgewinn zur Gänze oder teilweise einer Rücklage zuzuführen. Denkbar ist auch eine Regelung über die Zuwendung eines bestimmten Teiles des Bilanzgewinnes an mildtätige oder gemeinnützige Institutionen. Solche Gewinnverwendungsvorschriften müssen im Gesellschaftsvertrag aber immer deutlich formuliert sein. Allgemeine Klauseln, die lediglich die gesetzliche Regel des § 35 Abs 1 Z 1 wiederholen, sind keine Gewinnverwendungsvorschriften, weshalb in diesen Fällen die Vollausschüttung geboten ist (Reich-Rohrwig aaO Rz 3/202).
In beiden eingangs geschilderten Fällen handelt es sich bezüglich der Gewinnverwendung um solche Allgemeinklauseln, womit klarzustellen ist, dass gar keine Gewinnverwendungsregel vorliegt.
Beide Bestimmungen regeln also „bloß“ die Gewinnverteilung bzw. Gewinnausschüttung.
Hier sieht die erste Variante vor, dass mit ¾-Mehrheit eine vom Verhältnis des § 82 Abs 2 abweichende alineare Gewinnausschüttung beschlossen werden kann. Die referierte Zwischenerledigung hält dieser Vertragsbestimmung entgegen, dass eine solche nur für den Fall der Zustimmung aller Gesellschafter zulässig wäre oder aber im Gesellschaftsvertrag eindeutig geregelt werden müsse.
Mit der für diese Ansicht zitierten Belegstelle bei Nowotny lässt sich dieses Argument aber nicht begründen, weil dieser ausdrücklich davon spricht, dass der Gesellschaftsvertrag - unter Beachtung des Sittenwidrigkeitsverbotes - jede andere Regelung treffen könne und abseits von einer gesellschaftsvertraglichen Regelung mit Zustimmung der Betroffenen alineare Ausschüttungen beschlossen werden können. Die Zustimmung aller Betroffenen ist also demnach nur dann notwendig, wenn es an einer einschlägigen gesellschaftsvertraglichen Regelung fehlt. Im konkreten Fall ist aber gerade eine solche Regelung zu beurteilen: diese Beurteilung hat sich an einer möglichen Sittenwidrigkeit zu orientieren. Eine solche wird wohl nicht vorliegen, wenn für einen derartigen Beschluss eine ¾-Mehrheit vorgesehen ist. Abgesehen davon bleibt jeder einzelne dieser Beschlüsse im Rahmen der Klagsführung nach § 41 GmbHG überprüfbar, was bei Prüfung der Sittenwidrigkeit nicht außer Betracht gelassen werden kann.
Ich komme daher zum Schluss, dass die inkrimierte Bestimmung im Beispiel 1 zulässig ist und daher kein Eintragungshindernis darstellt.
Die Beurteilung der zweiten Variante erfordert keine weitläufigen Ausführungen, weil diese Vertragsbestimmung völlig inhaltsleer ist. Im ersten Teil wiederholt sie nämlich die gesetzliche Gewinnverwendungsregel, im zweiten Teil hält sie fest, dass alineare Ausschüttungen zulässig sind (was ja unbestritten ist), ohne allerdings eine nähere Determinierung vorzunehmen, womit im Ergebnis jede einzelne alineare Ausschüttung die Zustimmung aller Gesellschafter erfordern wird. Wenn diese nicht erzielt werden kann, erfolgt die Verteilung nach dem Verhältnis des § 82 Abs 2 GmbHG.
1 Kommentar:
Einspruch! Beispiel 1 ist mE glatt unzulässig. Eine solche Regelung ist nur zulässig, wenn für die Beschlussfassung einer alinearen Ausschüttung Einstimmigkeit erforderlich ist. Die Verragsbestimmung sieht privatrechtlichen Zwangsenteignung des 25%&igen Gesellschafters vor und ist daher klar sittenwidrig. Die Regelung verstößt auch gegen das Verbot der Selbstentmündigung der Gesellschafter.
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