31. August 2008

Haftet der Veräußerer eines Unternehmens tatsächlich nur maximal 8 Jahre für übergegangene Verbindlichkeiten (§§ 39 UGB, 1409 ABGB)?

§ 38 Abs 1 letzter Satz UGB hält fest, dass der Veräußerer nach Maßgabe des § 39 für die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten forthaftet.

Gemäß § 38 Abs 6 UGB bleibt eine durch andere Bestimmungen begründete Haftung oder Übernahme von Rechtsverhältnissen durch den Erwerber unberührt.

Eine Anfrage aus meinem User-Kreis wirft nunmehr die interessante Frage auf, ob es bei einem Unternehmensübergang nach § 38 UGB und dem damit verbundenen Übergang eines Vertragsverhältnisses mit Ablauf von 8 Jahren (§ 39 UGB) jedenfalls zum Ende der Nachhaftung des Veräußerers komme oder § 1409 ABGB vorgehe, der von einer fortdauernden Haftung des Veräußerers spreche und offenbar kein zeitliches Limit kenne. Falls Letzteres zutreffe, dürfte der Gesetzgeber sein Ziel, eine absolute Grenze für die Nachhaftung des Unternehmensveräußerers zu ziehen, nicht erreicht haben.

Nun ist es tatsächlich so, dass sehr undifferenziert vertreten wird, dass der Veräußerer eines Unternehmens unter dem neuen Regime der §§ 38, 39 UGB mit einer möglichen (Fort)Haftung für einen Zeitraum von maximal 8 Jahren rechnen müsse. Übernimmt nämlich der Erwerber des Unternehmens unternehmensbezogene Rechtsverhältnisse des Veräußerers mit den bis zum Unternehmensübergang entstandenen Rechten und Verbindlichkeiten, haftet der Veräußerer gemäß § 39 UGB für diese Verbindlichkeiten nur, soweit sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Unternehmensübergang fällig werden. Ansprüche daraus verjähren innerhalb der für die jeweilige Verbindlichkeit geltenden Verjährungsfrist, längstens jedoch in drei Jahren. Daraus ergibt sich, dass für innerhalb der 5-Jahres-Frist fällig werdende Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung der Verjährungsfrist von maximal drei Jahren der Unternehmensveräußerer mit der erwähnten Maximalfrist von 8 Jahren konfrontiert sein kann.

Unstrittig ist, dass § 1409 ABGB nicht nur für die Vermögens-, sondern auch für die Unternehmensübernahme gilt. Da nach § 38 Abs 6 UGB andere Haftungsbestimmungen unberührt bleiben, überlagert § 1409 ABGB die in § 38 UGB vorgesehenen Beschränkungen der Haftungen.

§ 1409 Abs 1 ABGB ordnet einen zwingenden gesetzlichen Schuldbeitritt an. Demnach haftet neben dem Übertragenden auch der Erwerber den Gläubigern unmittelbar, was aber auch bedeutet, dass nach allgemeinem Zivilrecht der Übertragende für die von ihm begründeten Verbindlichkeiten ungeachtet der Übertragung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses oder der Verbindlichkeit grundsätzlich weiter haftet.

Für die Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen und Sukzessivlieferungsverträgen hat dies zur Folge, dass es sich sowohl beim Grundverhältnis als auch bei den einzelnen Leistungen aus diesem Grundverhältnis um Altschulden handelt, für die der Veräußerer des Unternehmens nach der Anordnung des § 1409 ABGB neben dem Erwerber haftet, weil der rechtliche Grund für das Schuldverhältnis vor dem Inhaberwechsel begründet wurde. Dies gilt nach hM selbst dann, wenn der Gläubiger einzelne Leistungen aus diesem Dauerrechtsverhältnis erst nach der Übergabe des Unternehmens und damit zu einem Zeitpunkt erbringt, zu dem der Veräußerer auf den Gang des Unternehmens keinen Einfluss mehr hat. Der daraus resultierenden zeitlich unbeschränkten Haftung kann der Veräußerer nach hA nur mittels einer Vertragsübernahme durch den Erwerber entgehen, die jedoch der Zustimmung des Dritten bedarf.

Für die unternehmensrechtlichen Tatbestände der §§ 39, 160 UGB wurde zur Begrenzung der Haftung des Altschuldners die bereits geschilderte Fristenlösung entwickelt. Diese Grundsätze zur Enthaftung des Altschuldners sind jedoch im Bereich des § 1409 ABGB nur eingeschränkt anwendbar, weil das ABGB keine zeitliche Beschränkung der Haftung kennt (vgl Heidinger in Schwimann, ABGB³, § 1409 Rz 2, Rz 22 f mwN).

Lange vor dem UGB hat aber Karollus nachgewiesen (ÖJZ 1995, 292 ff), dass ein Wechsel in der Person des Unternehmers auch zu einem Übergang der unternehmensbezogenen Rechtsverhältnisse kraft Parteiwillens führe. Der Vertrag werde demnach von beiden Teilen übereinstimmend in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Unternehmen geschlossen, wobei die Bezugnahme auf das Unternehmen die persönliche Bindung an dessen Inhaber überlagere. Daher seien unternehmensbezogene Verträge im Zweifel dahingehend auszulegen, dass der Vertragspartner eine Bindung an das Unternehmen beabsichtigte und damit der Übertragung des Vertragsverhältnisses auf den jeweiligen Unternehmensträger vorweg zugestimmt habe. Mit der Übertragung des Unternehmens finde in aller Regel zugleich eine Vertragsübernahme statt, die keiner besonderen Zustimmung mehr bedürfe. Die Forthaftung des Veräußerers nach § 1409 beschränke sich somit auf jene Einzelleistungen, die vor der Unternehmensveräußerung stattgefunden hätten. Dies gelte nur dann nicht, wenn eine Aufspaltung nach Zeitabschnitten nicht möglich oder den Parteien nicht zumutbar sei, was insbesondere auf Leibrentenverträge oder bereits ausgenützte Kreditverträge zutreffe, weil der Gläubiger bereits die gesamte Leistung an den Veräußerer erbracht habe (Heidinger aaO, Rz 24).

Diese Argumentation von Karollus liegt auch der Neugestaltung der §§ 39, 160 UGB zugrunde.
All diese Überlegungen führen damit in Beantwortung der eingangs genannten Fragestellung dazu, dass eine absolute Haftungsbegrenzung des Unternehmensveräußerers mit der Neuregelung der §§ 38, 39 UGB – entgegen der diesbezüglichen Botschaften – nicht geschaffen worden ist.

Ob aus der Formulierung des § 38 Abs 1 letzter Satz UGB abzuleiten ist, dass der Gesetzgeber in den Fällen der Unternehmensübertragung eine § 1409 ABGB überlagernde Regelung zur Forthaftung des Veräußerers im Bereich des Unternehmensrechts schaffen wollte, möchte ich hier allerdings zur Diskussion stellen. Ohne mich bislang intensiv damit auseinander gesetzt zu haben, könnte diese Bestimmung ja auch so gelesen werden, dass der Veräußerer „nur nach Maßgabe des § 39“ für die unternehmensbezogenen Verbindlichkeiten forthaften soll. Ich gestehe aber bereits jetzt zu, dass diese Lesart bedeuten würde, dass „Unternehmen“ nicht mehr auch als „Vermögen“ iSd § 1409 ABGB gewertet werden, was wohl nicht unterstellt werden kann.

1 Kommentar:

D V G hat gesagt…

Ich habe mir im Rahmen der Prüfungsvorbereitung soeben dieselbe Frage gestellt und bin bei meiner diesbzgl Internetrecherche auf Ihren Blogbeitrag gestoßen.

In der mir (vorläufig) zur Verfügung stehenden Literatur (Schummer, Skriptum Allg Unternehmensrecht sowie Krejci, Reform-Kommentar zum UGB) wird die Forthaftung des Veräußerers jeweils ausschließlich im Lichte des § 39 UGB beurteilt; das Verhältnis zu § 1409 UGB, der ja - wie von Ihnen dargelegt - eine Solidarhaftung des Veräußerers anordnet, wird überhaupt nicht thematisiert.

Meinen ersten Überlegungen zufolge ließe sich gegen eine auf § 1409 ABGB gestützte, (entgegen dem gesetzgeberischen Willen) zeitlich unbegrenzte Forthaftung des Veräußerers vorbringen, dass § 39 UGB als lex specialis Vorrang gegenüber der allgemeinen Regel des § 1409 ABGB genießt. Die zeitlich begrenzte Forthaftung des Veräußerers nach § 39 UGB verdrängt also gemäß dem lex-specialis-Grundsatz die zeitlich unbegrenzte Forthaftung des Veräußerers nach § 1409 ABGB.

Vor dem Hintergrund der lex-specialis-Regel kann auch der erwähnte § 38 Abs 6 UGB gesehen werden, der anordnet, dass "eine durch andere Bestimmungen begründete Haftung oder Übernahme von Rechtsverhältnissen durch den Erwerber (!) [...] unberührt [bleibt]." Denn durch diese Bestimmung wird - hinsichtlich des Erwerbers - sichergestellt, dass die allg Regel des § 1409 ABGB anwendbar bleibt und nicht von der lex specialis des § 38 UGB verdrängt wird.

§ 38 Abs 6 UGB bezieht sich aber dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und seiner systematischen Stellung nach nur auf die Haftung des Erwerbers, NICHT auch auf jene des Veräußerers. Hinsichtlich der Haftung des Veräußerers bleibt es damit bei der lex-specialis-Regel.

MaW: Wollte man § 1409 ABGB auch für die Begründung einer (zeitlich unbegrenzten) Veräußererhaftung fruchtbar machen, so bedürfte es in § 39 UGB einer Parallelbestimmung zu § 38 Abs 6 UGB, die anordnet, dass andere Haftungsbestimmungen unberührt bleiben. Eine solche Parallelbestimmung fehlt aber gerade in § 39 UGB. Deshalb kann hinsichtlich der Veräußererhaftung nicht auf die allg Haftungsvorschrift des § 1409 ABGB rekurriert werden.

Andernfalls müsste man unterstellen, dass der Bestimmung des § 38 Abs 6 UGB bloß deklarative Bedeutung zukommt. Auch dann bliebe aber höchst fraglich, warum keine (deklarative) Parallelbestimmung in § 39 UGB aufgenommen wurde.

Soweit meine ersten, mangels Zugriffs auf Kommentarliteratur leider (noch) unfundierten Gedanken. So hoffe ich, dass die Kritik nicht all zu vernichtend ausfällt und sich mir Rummel, Schwimann und Co bald öffnen ...