§ 18 FBG ist im amtswegigen Löschungsverfahren einer Gesellschaft ausdehnend auszulegen; von einer beabsichtigten Löschungsverfügung sind demnach nicht nur die Gesellschaft, sondern alle Beteiligten zu verständigen.
In Literatur und Rechtsprechung war bislang unbestritten, dass bei Löschung einer Gesellschaft nur die Gesellschaft unmittelbar betroffen und daher gemäß § 18 FBG anzuhören ist, nicht auch die Gesellschafter (OGH 6 Ob 182/01g); eine erweiternde Auslegung des Begriffs des Eingetragenen im Sinne des § 18 FBG wurde gerade im Interesse der Rechtssicherheit und im Sinne eines geordneten Vollzuges des Firmenbuchverfahrens abgelehnt (Kodek in Kodek/Nowotny/ Umfahrer, FBG § 18 Rz 11).
Das Oberlandesgericht Innsbruck judiziert in deutlicher Abweichung dazu jüngst zusammengefasst wie folgt (OLG Innsbruck 3 R 19/08 f):
§ 18 FBG sei im Sinne des Art. 6 Abs 1 EMRK und des Art. 47 Abs 2 EGC (Europäische Grundrechtscharta) und des allgemeinen Rechtsgrundsatzes vom umfassenden rechtlichen Gehör zu verstehen. Nationale verfahrensrechtliche Bestimmungen seien gemeinschafts- rechtskonform und EMRK-konventionskonform anzuwenden und erforderlichenfalls zu erweitern.
Das umfassende rechtliche Gehör genieße für die österreichischen Gerichte nach Art. 10 EG als ein Teilaspekt der allgemeinen Rechtsgrundsätze (Grundrechte) des Gemeinschaftsrechts Anwendungsvorrang vor entgegenstehenden nationalen Bestimmungen. Nach dem judiziellen Konzept eines fairen Verfahrens (fair trial) im Sinne des Art. 6 Abs 1 EMRK und des umfassenden rechtlichen Gehörs müsse allen Verfahrensbeteiligten zu allen für sie erheblichen Verfahrensvorgängen und Verfahrensergebnissen zumindest eine schriftliche Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt werden. Da durch ein Löschungsverfahren nicht nur in die wirtschaftlichen Interessen eines Gesellschafters eingegriffen werde, sondern zwangsläufig auch in deren Gesellschafterrechte, müsse das Firmenbuchgericht vor einer beabsichtigten Löschungsverfügung bei einem gemeinschaftsrechts-/konventionskonform ausdehnenden Verständnis des § 18 FBG jedenfalls den ins Firmenbuch eingetragenen Gesellschaftern der Gesellschaft rechtliches Gehör durch Aufforderung zur Äußerung nach § 18 FBG einräumen.
Es wird interessant sein zu sehen, ob diese Rechtsprechung des OLG Innsbruck in der Praxis zum weitgehenden Rückzug der Firmenbuchgerichte aus dem amtswegigen Löschungsverfahren führt. Üblicherweise sind nämlich in den hier relevanten Konstellationen der §§ 39 und 40 FBG Präsenz und Mitwirkungsbereitschaft der Gesellschaftsorgane und Gesellschafter wenig bis überhaupt nicht vorhanden, woraus folgt, dass die im Sinne der obigen Entscheidung nach § 18 FBG zu verständigenden Personen mit zumutbaren Zustellmaßnahmen praktisch nicht greifbar sind. Dass dies allenfalls zur Konterkarierung der Intentionen des Gesetzgebers zur Bereinigung des Firmenbuchstandes von untätigen und evident vermögenslosen Gesellschaften führen wird, ist eine Konsequenz, die sich aus einem derart weitgehenden Verständnis eines fair trials zwingend ergibt.
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