5. April 2012

Auswirkungen einer Eigenkapital ersetzenden Forderung auf den Verkehrswert der übertragenden Gesellschaft im Falle einer Verschmelzung side-stream


An den beiden an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften ist jeweils derselbe Gesellschafter Kurt B** mit einer Stammeinlage von € 35.000, die bei der übertragenden Gesellschaft zur Hälfte und bei der übernehmenden Gesellschaft zur Gänze einbezahlt ist, als Alleingesellschafter beteiligt.

Zu beurteilen ist demnach eine Verschmelzung side-stream. Die Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft weist ein negatives Eigenkapital von € 891.697,95 aus. Der einzige aktivseitige Vermögenswert besteht aus Forderungen in Höhe von € 17.966,71, denen Verbindlichkeiten in Höhe von € 909.664,66 gegenüberstehen.

Zu diesen Verbindlichkeiten wird im Verschmelzungsvertrag unter Punkt IV. festgehalten:

"Zum negativen Verschmelzungskapital in Höhe von € 891.697,95 der übertragenden Gesellschaft wird festgestellt, dass bei der übertragenden Gesellschaft die ausgewiesenen Verbindlichkeiten in Höhe von € 909.664,66 nur gegenüber dem Alleingesellschafter Kurt B** bestehen. Im Sinne des EKEG stellt im Falle der Insolvenz dieses Gesellschafterdarlehen einen Eigenkapitalersatz dar. Aus diesem Grund kommt es durch die Verschmelzung zu keinem Verbot der Rückgewähr von Einlagen im Sinne des § 224 Abs 2 Z 1 letzter Satz AktG, da in diesem Fall das Gesellschafterdarlehen dem Eigenkapital zuzurechnen wäre, was zu einem positiven Eigenkapital von € 17.966,71 führen würde."

Die zuletzt eingereichte Schlussbilanz der übernehmenden Gesellschaft zum 31.3.2011 weist einen Bilanzverlust von € 4.035,41 aus, diese Gesellschaft hat demnach ein positives Eigenkapital von € 30.964,59.

Gemäß § 1 EKEG ist ein Kredit, den ein Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise gewährt, Eigenkapital ersetzend. Eine Gesellschaft befindet sich ua dann in der Krise, wenn sie überschuldet iSd § 67 IO ist (§ 2 Abs 1 Z 2 EKEG). Vom Gesellschaftsbegriff des § 1 sind Kapitalgesellschaften erfasst (§ 4 Z 1 EKEG).

Gesellschafter im Sinne des § 1 ist, wer an einer Gesellschaft kontrollierend beteiligt ist (§ 5 Abs 1 Z 1 EKEG), was dann gegeben ist, wenn dem Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte zusteht (§ 5 Abs 2 Z 1 EKEG).

Dass die Anwendungsvoraussetzungen des EKEG bei der übertragenden Gesellschaft gegeben sind, steht somit außer Frage.

Gemäß § 14 Abs 1 EKEG kann der Gesellschafter einen Eigenkapital ersetzenden Kredit samt den darauf entfallenden Zinsen nicht zurückfordern, solange die Gesellschaft nicht saniert ist und, wenn das Insolvenzverfahren nach einem bestätigten Sanierungsplan aufgehoben ist, soweit der Rückzahlungsanspruch die Sanierungsplanquote übersteigt; die Gesellschaft ist nicht saniert, solange sie zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder Reorganisationsbedarf besteht oder einer dieser Umstände durch Rückzahlung des Eigenkapital ersetzenden Kredits eintreten würde. Dennoch geleistete Zahlungen hat der Gesellschafter der Gesellschaft rückzuerstatten. Dasselbe gilt, wenn sich der Gesellschafter durch Aufrechnung, Pfandverwertung oder in anderer Weise Befriedigung verschafft.

Mit der Frage der Auswirkungen eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen auf den für die Zulässigkeit einer Verschmelzung grundsätzlich notwendigen positiven Verkehrswert der beteiligten Gesellschaften (bzw der aus der Fusion hervorgehenden Gesellschaft) befasste sich bereits die Entscheidung des OLG Wien vom 15. 11. 2004, 28 R 111/04f (NZ 2005/75). Dort war die Qualität einer Rückstehungserklärung zu beurteilen, und zwar vor dem Hintergrund der seinerzeitigen (nicht mehr in Geltung stehenden) Regeln des EKEG. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage erübrigt sich hier, zumal der Gesellschafter selbst davon ausgeht, dass er der übertragenden Gesellschaft ein Eigenkapital ersetzendes Darlehen gewährt hat.

Damit ist für die Beteiligten aber nichts gewonnen. Die Qualität der Forderung des Gesellschafters als Eigenkapital ersetzend hat nämlich gemäß § 14 Abs 1 EKEG nur für den Insolvenztatbestand Bedeutung, nicht aber für den hier maßgeblichen positiven Verkehrswert der übertragenden Gesellschaft. Der Verkehrswert einer Sache bestimmt sich danach, welcher Preis sich für eine Sache auf dem Markt bildet, im vorliegenden Fall also, wieviel jemand bereit wäre, für den Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile der übertragenden Gesellschaft zu bezahlen. Wer Geschäftsanteile an einer GmbH erwerben will, wird dies im Regelfall deshalb tun, um aus der Gesellschaft Gewinn zu ziehen, was er nur kann, wenn ein ausschüttbarer Bilanzgewinn vorhanden ist (§ 82 GmbHG). Beim gegenwärtigen Stand der buchmäßigen Überschuldung der übertragenden Gesellschaft kann daher der Gesellschafter erst dann einen ausschüttbaren Bilanzgewinn lukrieren, wenn soviel an Gewinnen erzielt worden ist, dass nicht nur die Überschuldung beseitigt ist, sondern auch der buchmäßige Wert der Gesellschaft das Stammkapital übersteigt. Der Umstand, dass eine Forderung gegen die Gesellschaft Eigenkapital ersetzend ist, besagt aber lediglich, dass dieser Gläubiger in der Krise die Rückzahlung des Darlehens nicht verlangen kann. Kommt die Gesellschaft aber aus der Krise heraus, ist ein Eigenkapital ersetzendes Darlehen als offene Verbindlichkeit dennoch zu befriedigen. Der Eigenkapital ersetzende Charakter einer Forderung gegen die Gesellschaft hat daher auf einen ausschüttbaren Bilanzgewinn keinen Einfluss. Erst ein Verzicht auf die Eigenkapital ersetzende Forderung würde zum Ausbuchen dieser Verbindlichkeit in der Bilanz der Gesellschaft berechtigen, wodurch in Höhe dieser Verbindlichkeit ein Bilanzgewinn früher oder höher ausgewiesen werden könnte. Ein Kaufinteressent an der Gesellschaft wird daher bei Vorhandensein der Eigenkapital ersetzenden Forderung nur entsprechend weniger für die Geschäftsanteile der Gesellschaft zu zahlen bereit sein, als wenn die Forderung überhaupt nicht existiert. Auch eine Eigenkapital ersetzende Forderung gegen die Gesellschaft hat daher Einfluss auf deren Verkehrswert (so auch OGH 26. 8. 2004, 6 Ob 165/04i sowie 6 Ob 166/04m). Die Einstufung der Verbindlichkeit als Eigenkapital ersetzend ist daher nicht geeignet, maßgeblichen positiven Einfluss auf den Verkehrswert der Gesellschaft zu haben (OLG Wien vom 15. 11. 2004, 28 R 111/04f).

Für die Zulässigkeit der zur Eintragung angemeldeten Verschmelzung ist daher ein Verzicht des Gesellschafters gegenüber der übertragenden Gesellschaft auf die Geltendmachung dieser Forderung erforderlich, zumal die übernehmende Gesellschaft nicht einmal annähernd über ausreichendes Vermögen verfügt, diese Verbindlichkeit zu decken.

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