7. November 2011

Elektronischer Rechtsverkehr für Kredit- und Finanzinstitute (§ 89c Abs 6 GOG)

[HINWEIS: Beachten Sie bitte den neuen Beitrag vom 29.10.2012 in diesem Blog]

Gemäß § 89c Abs 6 GOG idF BGBl I Nr 111/2010 sind seit 1.10.2011 Eingaben und im Original vorzulegende Beilagen im Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren, welche elektronisch eingebracht werden dürfen, von Kredit- und Finanzinstituten nach § 1 Abs 1 und 2 BWG und inländischen Versicherungsunternehmen nach § 1 Abs 1 VAG nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen.

Gemäß § 7 Abs 1 GenG kann bei allen Anmeldungen zur Eintragung in das Firmenbuch die gerichtliche oder notarielle Beglaubigung entfallen, wenn die Anmeldung mit der firmenmäßigen Zeichnung der Genossenschaft versehen ist und die Unterschriften der Zeichnenden bei den Akten des Gerichtes bereits in beglaubigter Form erliegen.
Zum Nachweis eines Beschlusses der Generalversammlung genügt (sofern der Genossenschaftsvertrag nichts anderes bestimmt) die Vorlage einer von der Genossenschaft unter ihrer frmenmäßigen Zeichnung als richtig bestätigten Protokollabschrift, wenn die Unterschriften der Zeichnenden bei den Akten des Gerichtes bereits in beglaubigter Form erliegen (§ 7 Abs 2 GenG).

Jede Abänderung des Genossenschaftsvertrages muss gemäß § 9 Abs 1 GenG schriftlich erfolgen und dem Firmenbuchgericht unter Beilegung einer Abschrift des Genossenschaftsbeschlusses angemeldet werden.

Gemäß § 8a Abs 1 ERV können Eingaben und Beilagen im Firmenbuchverfahren elektronisch eingebracht werden. Die elektronische Übermittlung von Urkunden, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen im Original vorzulegen sind, hat gemäß § 8a Abs 2 ERV so zu erfolgen, dass auf die Einstellung in einem Urkundenarchiv einer Körperschaft öffentlichen Rechts hingewiesen und unter Bekanntgabe eines eindeutigen Urkundenidentifizierungsbegriffs wirksam die Ermächtigung zum Zugang zu den Daten der gespeicherten Urkunde erteilt wird.
Bedarf eine Anmeldung der beglaubigten Form (§ 11 UGB), ist sie gemäß § 8a Abs 3 ERV nach Beglaubigung der Eingabe in ein Urkundenarchiv einer Körperschaft öffentlichen Rechts einzustellen und dem Gericht elektronisch zu übermitteln (Abs 2). Bedarf eine Anmeldung oder Einreichung nicht der beglaubigten Form, so ist auch die Übermittlung als PDF-Anhang nach § 5 Abs 1 ERV zulässig.

Mir liegt ein Antrag auf Eintragung von Satzungsänderungen einer Bankgenossenschaft (einem Kreditinstitut gemäß § 1 BWG) vor.

Die Anmeldung ist vom Vorstand der Genossenschaft firmenmäßig gezeichnet und unbeglaubigt. Die Unterschriften der beiden Vorstandsmitglieder erliegen in beglaubigter Form in der Urkundensammlung.

Vorgelegt wurde außerdem eine Abschrift der Einladung zur Generalversammlung, ein Auszug aus dem Protokoll der Generalversammlung mit den einstimmigen Beschlüssen über die Satzungsänderungen, eine aktuelle Fassung des Genossenschaftsvertrages sowie die Zustimmungserklärung des Revisionsverbandes zur Änderung des Genossenschaftsvertrages im Unternehmensgegenstand (§ 27 Abs 1 GenRevG).

Sowohl die Anmeldung als auch sämtliche Beilagen wurden von der Bankgenossenschaft im elektronischen Rechtsverkehr als PDF-Anhänge übermittelt.

Die Überreichung der Anmeldung als PDF-Anhang ist im Hinblick auf § 8a Abs 3 ERV nicht zu beanstanden, zumal die Anmeldung gemäß § 7 Abs 1 GenG weder der gerichtlichen noch der notariellen Beglaubigung bedarf und die beglaubigten Musterzeichnungen bereits Teil der Urkundensammlung sind.

Im Firmenbuchverfahren sind jedenfalls jene Urkunden, die gemäß § 12 Abs 1 FBG in die Urkundensammlung aufzunehmen sind (also Urkunden, auf Grund deren eine Eintragung in das Hauptbuch vorgenommen wird), im Original vorzulegen. Das bedeutet demnach, dass solche Beilagen generell unter Beachtung der Formvorschrift des § 8a Abs 2 ERV vorgelegt werden müssen, also in ein Urkundenarchiv einzustellen und unter Verweis auf diese Einstellung zu übermitteln wären.

Die Verpflichtung zur Vorlage von Beilagen im Wege des § 8a Abs 2 ERV besteht nur dann nicht, wenn die Beilagen als bloße Bescheinigungsmittel für ein Antragsvorbringen dienen. Das betrifft im konkreten Fall die Abschrift der Einladung zur Generalversammlung und die Zustimmungserklärung des Revisionsverbandes.

Das Generalversammlungsprotokoll mit den Satzungsänderungen sowie die aktuelle Fassung des Genossenschaftsvertrages sind demgegenüber als Original vorzulegen, wären demnach in ein Urkundenarchiv einer Körperschaft öffentlichen Rechts einzustellen unter gleichzeitiger Erteilung der Ermächtigung zum Zugang zu den gespeicherten Urkundendaten. Weder Kredit-/Finanzinstitute noch inländische Versicherungsunternehmen (§ 89c Abs 6 GOG) betreiben ein derartiges Urkundenarchiv iSd § 91c GOG.

Damit sind die beiden genannten Urkunden im Original in Papierform einzureichen, zumal zum Einen die Übermittlung als PDF-Anhang unzulässig ist und zum Anderen eine elektronische Übermittlungsverpflichtung nicht vorgeschrieben ist, zumal sich Kreditinstitute zur Vornahme von Firmenbuchanmeldungen weder eines Rechtsanwalts noch eines Notars bedienen müssen. Nur die beiden letztgenannten berufsmäßigen Parteienvertreter sind im Rahmen von Körperschaften öffentlichen Rechts organisiert, die gemäß § 91c GOG Urkundenarchive eingerichtet haben (cyber-doc der Notare; Archivium der Rechtsanwälte).

Über die Sinnhaftigkeit einer derartigen Regelung diskutiere ich gerne.