14. März 2011

Diverse Fragen zu einer Exportverschmelzung gemäß EU-VerschG

Im Vorfeld einer beabsichtigten Exportverschmelzung einer österreichischen GmbH auf eine niederländische SE wurde ich um Klärung mehrerer Fragen ersucht, deren Beantwortung ich im Folgenden wieder allgemein zugänglich machen will.

Zur Einhaltung der Formvorschriften für die Errichtung des Verschmelzungsplans:

Gemäß § 5 Abs 5 EU-VerschG bedarf der Verschmelzungsplan der notariellen Beurkundung. Diese Pflicht ist wie in § 222 AktG als Pflicht zur Errichtung eines Notariatsaktes zu verstehen. Wenn der Verschmelzungsplan im Ausland beurkundet werden soll, ist eine einheitliche Beurkundung nur dann möglich, wenn im anderen Staat die jeweilige Beurkundungsform anerkannt wird. Sowohl die Urkundsperson als auch das Verfahren müssen gleichwertig sein; dies ist etwa bei der deutschen notariellen Beurkundung ebenso der Fall wie bei einer Beurkundung durch einen Schweizer Notar (Frotz in Frotz/Kaufmann, Grenzüberschreitende Verschmelzungen, § 5 EU-VerschG Rz 34 und 35).

Gemäß § 5 Abs 1 EU-VerschG haben die Vorstände bzw. Geschäftsführer der sich verschmelzenden Gesellschaften einen gemeinsamen Plan für die grenzüberschreitende Verschmelzung aufzustellen. Um den gleich lautenden Inhalt des gemeinsamen Verschmelzungsplans zu gewährleisten und den Erfordernissen der Prüfbarkeit und Beurkundung zu entsprechen, sollte der Verschmelzungsplan in mehreren Spalten in den jeweiligen Amtssprachen der Sitzstaaten der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften aufgestellt werden. Dabei sollte die verbindliche Fassung des Verschmelzungsplans jene in der Amtssprache des Mitgliedsstaats sein, in dem die aus der Verschmelzung hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz hat (Frotz aaO, Rz 5).

Laut Eckert kommt die Formvorschrift des § 5 Abs 5 nach allgemeinen kollisionsrechtlichen Grundsätzen nicht jedenfalls zur Anwendung, weil gemäß § 8 IPRG die Form einer Rechtshandlung nach demselben Recht zu beurteilen ist wie die Rechtshandlung selbst, jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Staates genügt, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wird. Eine Nichtanwendung des § 8 IPRG könnte nur damit gerechtfertigt werden, dass man die inländische Formvorschrift als Eingriffsnorm qualifiziere, wofür im Fall des § 5 Abs 5 aber jedes Argument fehle. Wenn demnach der Verschmelzungsplan im Ausland aufgestellt werde, reiche die nach ausländischem Recht vorgesehene Form aus.
(Eckert in Kalss, Verschmelzung/Spaltung/Umwandlung, § 5 EU-VerschG Rz 8; Eckert, Internationales Gesellschaftsrecht, 716).

Regelmäßig werden bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen mehrsprachige Fassungen erstellt werden, wobei entscheidend ist, welche Sprachfassung die für die Auslegung maßgebliche (authentische) ist. Zweckmäßigerweise wird dies die Sprache des Landes sein, in dem die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz hat. Im Hinblick auf die Verpflichtung der Einreichung des Verschmelzungsplans zum Firmenbuch (§ 8 EU-VerschG) ist für den Fall einer fremdsprachigen Fassung des Verschmelzungsplans jedenfalls eine beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache nötig, was aber nicht bedeutet, dass die authentische Fassung in deutscher Sprache abgefasst sein müsste (Eckert in Kalss aaO, § 5 EU-VerschG Rz 7; Eckert aaO, 717).

Die Frage der beglaubigten Übersetzung stellt sich aber dann nicht, wenn - wie hier - eine deutsch-niederländische Fassung des Verschmelzungsplans geplant ist, zumal diese Urkunde von beiden beteiligten Gesellschaften gefertigt ist. Damit liegt eine einheitliche Urkunde vor, die als solche nicht noch einmal übersetzt zu werden braucht bzw. gar nicht übersetzt werden kann. Dass unabhängig davon eine Klausel aufgenommen werden kann, welche der beiden im Verschmelzungsplan verwendeten Sprachen bei Zweifelsfragen maßgeblich sein soll, ist keine Frage der Übersetzung, sondern der damit zum Ausdruck gebrachten Parteienabsicht.

Da eine österreichische und eine niederländische Gesellschaft beteiligt sind, wird meines Erachtens zu verlangen sein, dass die jeweiligen Amtssprachen der beteiligten Gesellschaften verwendet werden. Auch die Variante einer deutsch-englischen Fassung für Österreich und einer niederländisch-englischen Fassung für die Niederlande wäre wohl zulässig (§ 12 Abs 2 FBG). Nachdem ein gemeinsamer gleichlautender Verschmelzungsplan aufzustellen ist, wären aber in diesem Fall beide Fassungen zum Firmenbuch einzureichen und zu regeln, dass die (jeweils idente) englische Fassung die authentische Version ist.

Unstrittig ist, dass das österreichische Firmenbuchgericht nur die Anforderungen des österreichischen Rechts zu überprüfen hat. Damit ist grundsätzlich nur auf die auf österreichischer Seite beteiligte Gesellschaft abzustellen. Eine wechselseitige Überprüfung der Anforderungen auch des ausländischen Rechts wollte der europäische Gesetzgeber vermeiden (Erwägungsgrund 3 der 10. RL; Eckert in Kalss aaO, § 14 EU-VerschG Rz 32).
Somit muss der Anmeldung der beabsichtigten Verschmelzung ein von der Geschäftsführung der österreichischen Gesellschaft gültig und formwirksam aufgestellter, den inhaltlichen Anforderungen gemäß § 5 entsprechender Verschmelzungsplan beigelegt sein (Eckert in Kalss aaO, § 14 EU-VerschG Rz 35).
Daher ist, ungeachtet der von Eckert aufgezeigten Überlegungen nach IPRG, im konkreten Fall ein in Notariatsaktsform aufgestellter Verschmelzungsplan erforderlich, der gemäß § 8 EU-VerschG beim Firmenbuchgericht einzureichen sein wird. Dies ergibt sich in der konkreten Konstellation schon aus dem Umstand, dass offenkundig ein den Formvorschriften des niederländischen Rechts (§ 8 IPRG) entsprechender Verschmelzungsplan gar nicht mit der Anmeldung vorgelegt werden könnte, weil mit der Errichtung des niederländischen „notarial deed“ das österreichische Firmenbuchverfahren „überholt“ werden würde.

Zur Frage des Verzichts auf die Verschmelzungsprüfung:

Eckert vertritt die Meinung, dass § 7 Abs 1 EU-VerschG teleologisch dahin zu reduzieren sei, dass nur ein Verzicht der auf österreichischer Seite beteiligten Gesellschafter vorliegen müsse. Allerdings weist er darauf hin, dass bei der nationalen Verschmelzung ein Verzicht aller Anteilsinhaber aller an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften erforderlich ist, was nach dem Gesetzeswortlaut und nach dem Wortlaut der 10. Richtlinie auch für die grenzüberschreitende Verschmelzung gelte. Dies stelle auch die herrschende Meinung dar (Eckert in Kalss aaO, § 7 EU-VerschG Rz 5).
Diese herrschende Meinung (v.a Wenger in Frotz/Kaufmann aaO, § 7 EU-VerschG Rz 5 und 6) verweist wohl zutreffend darauf, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des § 7 Abs 1 EU-VerschG geboten sei, da Art. 8 Abs 4 der Richtlinie ausdrücklich den Entfall der Prüfung an die Zustimmung aller Gesellschafter aller an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften knüpft.
Es wird demnach bezüglich der Verschmelzungsprüfung auch eine Verzichtserklärung der Gesellschafter der übernehmenden niederländischen SE erforderlich sein.

Zum Verzicht auf die Zusendung der Unterlagen:

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 EU-VerschG gilt für eine an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligten GmbH § 97 GmbHG mit der Maßgabe, dass zwischen dem Tag der Aufgabe der gemäß § 221a Abs 2 AktG erforderlichen Unterlagen zur Post und der Beschlussfassung mindestens ein Zeitraum von einem Monat liegen muss. Demnach sind die Unterlagen den Gesellschaftern, ohne dass es eines Verlangens der Gesellschafter bedürfte, direkt zuzusenden (Wenger aaO, § 8 EU-VerschG Rz 11b). Auch diese Regelungen gelten nur für die auf österreichischer Seite beteiligten Gesellschaften, weil die ausländischen Gesellschaften ihren eigenen Informationspflichten nachzukommen haben, deren Einhaltung durch die österreichischen Gerichte nicht überprüft wird (Eckert in Kalss § 8 EU-VerschG Rz 2).

Damit kann die Zusendung entfallen, wenn der berechtigte Gesellschafter der österreichischen GmbH darauf verzichtet. Es ist also ein individueller Verzicht möglich, naturgemäß gilt die Verzichtswirkung nur für den Gesellschafter, der die entsprechende Erklärung abgibt (Eckert in Kalss aaO, § 8 EU-VerschG Rz 27; Kalss aaO, § 97 GmbHG Rz 13).

Zur Negativerklärung gemäß § 225 Abs 2 AktG:

Gemäß § 14 Abs 2 Z 1 EU-VerschG haben sämtliche Mitglieder des Vorstands/der Geschäftsführung dem Gericht gegenüber zu erklären, dass eine Klage auf Anfechtung oder Feststellung der Nichtigkeit des Verschmelzungsbeschlusses innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung nicht erhoben oder zurückgezogen worden ist oder dass alle Gesellschafter durch notariell beurkundete Erklärung auf eine solche Klage verzichtet haben.

Auch diese Erklärung bezieht sich nur auf den Vorstand/die Geschäftsführung der österreichischen übertragenden Gesellschaft. Sinn und Zweck dieser Negativerklärung bestehen nämlich darin, sicherzustellen, dass die grenzüberschreitende Verschmelzung erst dann durchgeführt werden kann, wenn der Gesellschafterbeschluss der übertragenden österreichischen Gesellschaft nicht mehr bekämpft werden kann (Kaufmann in Kaufmann/Frotz aaO, § 14 EU-VerschG Rz 22 und 23; Eckert in Kalss aaO, § 14 EU-VerschG Rz 27).

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