24. März 2011

Behandlung nicht voll geleisteter Stammeinlagen bei Verschmelzungsvorgängen (§§ 99 GmbHG, 224, 225a AktG)

Die H** A** GmbH ist jeweils Alleingesellschafterin der B** GmbH und der A** M** H** GmbH, deren Stammkapital jeweils € 35.000 beträgt. Zur Eintragung angemeldet wird die Verschmelzung der B** GmbH als übertragende auf die A** M** H** GmbH als übernehmende Gesellschaft; es handelt sich somit um einen side-stream-merger. Eine Gewährung von Anteilen an die Alleingesellschafterin unterbleibt im Hinblick auf § 224 Abs 2 Z 1 AktG.
Das Stammkapital der übertragenden B** GmbH ist lediglich zur Hälfte einbezahlt, während das Stammkapital der übernehmenden A** M** H** GmbH zur Gänze geleistet ist.
Die Alleingesellschafterin hat in den jeweiligen Generalversammlungen der Verschmelzung zugestimmt.

Wie sind die nicht voll eingezahlten Stammeinlagen bei dieser Verschmelzung zu behandeln?

Gemäß § 99 Abs 5 GmbHG bedarf die Verschmelzung der Zustimmung aller Gesellschafter der anderen beteiligten Gesellschaften, wenn bei einer Gesellschaft die Stammeinlagen nicht voll einbezahlt sind (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG § 99 Rz 9; Schindler/Brix in Straube, GmbHG § 99 Rz 12).
Diese Zustimmung wurde im konkreten Fall erteilt. Der Grund für diese Zustimmungspflicht liegt im Umstand, dass die betreffenden Gesellschafter mit der Verschmelzung die Last der Deckungshaftung gemäß § 70 GmbHG auf sich nehmen. Die Regelung gilt nicht nur, wenn die übernehmende GmbH noch ausstehende Einlagen hat, sondern auch, wenn bei einer übertragenden Gesellschaft die Geschäftsanteile nicht voll eingezahlt sind (Kalss, Verschmelzung/Spaltung/Umwandlung, § 99 GmbHG Rz 31; Schindler/Brix in Straube, aaO § 99 Rz 13; Kalss, GesRZ 1995, 260; Reich-Rohrwig, EU-GesRÄG 47; Hügel, Verschmelzung und Einbringung 82; Hügel/Zib, JAP 1996/97, 194; Winter in Lutter, UmwG § 51 Rz 4).

Ungeachtet der erteilten Zustimmung ist allerdings im vorliegenden Fall darauf hinzuweisen, dass diese Zustimmungspflicht dann nicht besteht, wenn die übernehmende Gesellschaft nach § 224 AktG keine Anteile gewährt (Kalss aaO, § 99 GmbHG Rz 34; in diesem Sinne auch Koppensteiner/Rüffler aaO, § 99 Rz 3).

Mit der Klärung der Zustimmungsfrage der beteiligten Gesellschafter bezüglich nicht voll einbezahlter Stammeinlagen allein ist es allerdings nicht getan.

Mit Eintragung der Verschmelzung erlischt die übertragende Gesellschaft. Im selben Zeitpunkt geht das Vermögen dieser Gesellschaft einschließlich der Verbindlichkeiten auf die übernehmende Gesellschaft über. Das gilt auch bezüglich noch ausstehender Stammeinlageansprüche der übertragenden Gesellschaft (Koppensteiner/Rüffler aaO, § 96 Rz 23)

Einlageforderungen der übertragenden Gesellschaft aus nicht voll einbezahlten Aktien (Namensaktien) gehen im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über, und zwar unabhängig davon, ob die übernehmende Gesellschaft Anteile gewährt oder nicht. Gemäß § 224 Abs 2 Z 1 AktG darf das Unterbleiben der Anteilsgewähr nicht zur Befreiung von Einlagepflichten führen (Kalss aaO, § 225a AktG Rz 32; § 224 AktG Rz 23).

Obwohl also die nicht voll eingezahlten Anteile der übertragenden Gesellschaft untergehen und an Stelle der Forderung der übertragenden Gesellschaft jene der übernehmenden Gesellschaft tritt (Forderungssurrogat), ist das Verbot des Forderungsverzichts gemäß § 63 Abs 3 GmbHG auch für die übernehmende Gesellschaft anzunehmen, da ansonsten das Gebot der effektiven Kapitalaufbringung einfach ausgehebelt werden könnte. Die Verschmelzung löst allerdings keine automatische Zahlungspflicht aus. Vielmehr ist davon auszugehen, dass – soweit die Anteile der übertragenden Gesellschaft nicht voll eingezahlt sind – die als Gegenleistung neu ausgegebenen Anteile der übernehmenden Gesellschaft im selben Umfang als nicht voll eingezahlt zu behandeln sind. Ist dies wegen des geringeren Nominales der auszugebenden Anteile oder wegen der gesetzlichen Mindesteinzahlungspflichten nicht möglich, sind die Anteile vor der Verschmelzung einzuzahlen. Ausstehende Einlagen der übertragenden Gesellschaft machen also eine Verschmelzung grundsätzlich nicht unmöglich oder unzulässig. Erste Konsequenz ist lediglich, dass die Anteile an der übernehmenden Gesellschaft im Umfang der ausstehenden Einlageforderungen als nicht voll einbezahlt zu behandeln sind und korrespondierend dazu die Einlageforderungen der übertragenden Gesellschaft erlöschen (Kalss aaO, § 99 GmbHG Rz 32; § 225a AktG Rz 32, § 224 AktG Rz 23).

Die Regelung in § 224 Abs 2 Z 1 AktG führt dazu, dass die übernehmende Gesellschaft im Austausch für nicht voll eingezahlte Anteile ihrerseits nicht voll eingezahlte Anteile auszugeben hat, sofern die Anteile nicht vor der Verschmelzung voll eingezahlt werden. Werden keine Anteile ausgegeben, müssen die alten Anteile vor der Verschmelzung voll eingezahlt werden (Kalss aaO, § 224 AktG Rz 23).

Letzteres scheint mir in dieser Absolutheit nicht zu gelten. Jedenfalls stellt sich aus meiner Sicht für das konkrete Beispiel der geschilderten Schwesternverschmelzung mit Unterbleiben der Anteilsgewähr die Frage bezüglich der Einzahlung ausstehender Stammeinlagen nicht. Das Stammkapital der übernehmenden Gesellschaft war schon vor der Verschmelzung voll geleistet, auch die fusionierte Gesellschaft weist daher ein voll einbezahltes Stammkapital auf, weshalb sich aus Gläubigersicht keine Benachteiligungen ergeben.

Dies belegt folgende Überlegung: Das übergehende Vermögen der übertragenden Gesellschaft unterliegt bei der übernehmenden Gesellschaft nach Wirksamwerden der Verschmelzung keiner Kapitalbindung (eine kapitalherabsetzende Wirkung der Verschmelzung tritt im Hinblick auf die identen Nennkapitalien nicht ein), weshalb die unterlassene Volleinzahlung bei der übertragenden Gesellschaft durch die (idente) Alleingesellschafterin keine Schlechterstellung der Gläubiger mit sich bringen kann. Der einbezahlte Betrag geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über und erhöht damit den Wert des übertragenen Vermögens, es besteht jedoch keine Verpflichtung, gerade diesen Betrag in irgendeiner Weise bei der fusionierten Gesellschaft zu binden. Aus welchen Gründen demnach die Verpflichtung statuiert werden sollte, einen ausschüttbaren Betrag vorweg einzubezahlen, erschließt sich nicht.

Klar ist, dass im Fall von § 224 Abs 1 Z 1 AktG (up-stream-merger) die Einlagen nicht geleistet werden müssen, da die Vermögen von Einlageschuldner und Gesellschaft ohnehin vereinigt werden (Kalss aaO, § 225a AktG Rz 32). Nicht voll eingezahlte Stammeinlagen bei der übernehmenden Gesellschaft sind in diesem Kontext also irrelevant.

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