7. Juni 2010

Auflösung der Privatstiftung aufgrund Wegfalls des Stiftungszwecks (§ 35 Abs 1 Z 4, Abs 2 Z 2 PSG)

[Hinweis: Beachten Sie zum folgenden Artikel meine Bezugnahme darauf im Beitrag vom 11.7.2013]

Im Firmenbuch ist die Werner K** Privatstiftung eingetragen.

Zweck dieser Stiftung ist (a) die wirtschaftliche Sicherung des Fortbestandes und des Wachstums der vom Stifter Werner K** gestifteten Gesellschaftsanteile samt Rechtsnachfolgern und (b) die Versorgung und Unterstützung der jeweiligen Begünstigten, insbesondere die Sicherung ihres angemessenen Lebensunterhaltes, die Förderung der Berufsausbildung und Erziehung, die Altersvorsorge sowie die wirtschaftliche Förderung der Begünstigten im weitesten Sinn.

Der Stiftungsvorstand meldet die Auflösung der Privatstiftung gemäß § 35 Abs 1 Z 4 PSG aufgrund des Vorstandsbeschlusses vom 1.6.2010 zur Eintragung in das Firmenbuch an. Der entsprechende einstimmige Beschluss des Stiftungsvorstandes lautet wie folgt:

Die Privatstiftung wird im Sinne des § 35 Abs 1 Z 4 PSG aufgelöst, da der Stiftungszweck infolge Insolvenz der A** St** K** GmbH und Co. KG mit dem Sitz in Innsbruck weggefallen ist.

Unbeschränkt haftende Gesellschafterin dieser KG ist die K** Beteiligungs GmbH, Kommanditist der KG ist der Stifter Werner K**.
Alleingesellschafter der K** Beteiligungs GmbH ist ebenfalls der Stifter Werner K**.

Nach § 35 Abs 1 Z 4 PSG wird die Privatstiftung durch einstimmigen Auflösungsbeschluss des Stiftungsvorstands aufgelöst, der nach Abs 2 Z 2 einen solchen zu fassen hat, sobald der Stiftungszweck erreicht oder nicht mehr erreichbar ist; darunter wird auch der Fall subsumiert, dass die Privatstiftung nicht (mehr) über ein zur Verwirklichung des Stiftungszwecks ausreichendes Vermögen verfügt (Riel in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 35 Rz 24 mwN; OGH 6 Ob 19/06x, NZ 2006, Ps 13; N. Arnold, PSG² § 35 Rz 20). Die Beurteilung dieser Frage ist in jedem Einzelfall vorzunehmen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das zur Zweckerreichung erforderliche Vermögen weggefallen oder aufgebraucht ist oder keine Begünstigten mehr vorhanden sind, weil etwa die Familie ausgestorben ist und sonst keine "Ersatzprojekte" gefördert werden können bzw sollen (Marschner in ZfS 2006, 101 mwN).

Diese Prüfung hat zunächst der Stiftungsvorstand selbst vorzunehmen (Berger in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 34 Rz 6; Riel, ebendort § 35 Rz 19) und danach zu entscheiden, ob er einen einstimmigen Auflösungsbeschluss fasst oder nicht.

Kommt ein Beschluss nach § 35 Abs 2 PSG trotz Vorliegens eines Auflösungsgrundes nicht zustande, kann gemäß § 35 Abs 3 PSG jedes Mitglied eines Stiftungsorgans, jeder Begünstigte oder Letztbegünstigte, jeder Stifter und jede in der Stiftungserklärung dazu ermächtigte Person die Auflösung durch das Gericht beantragen.
Hat der Stiftungsvorstand einen einstimmigen Auflösungsbeschluss gefasst, obwohl ein Auflösungsgrund nicht vorliegt, kann gemäß § 35 Abs 4 PSG jede der in Abs 3 genannten Personen beim Gericht die Aufhebung des Beschlusses beantragen.

In letzterem Fall hat das Gericht dann die inhaltliche Richtigkeit des Auflösungsbeschlusses und damit das Vorliegen eines der in § 35 Abs 2 PSG aufgezählten Gründe zu prüfen (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 45 mwN). Ob der Stiftungsvorstand also richtig entschieden hat, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle in dem auf Antrag (§ 35 Abs 3 und 4 PSG) eingeleiteten Verfahren nach § 40 PSG (Riel aaO; OGH 6 Ob 120/02v, GeS 2003, 21).

Der Stiftungszweck wird grundsätzlich als vom Stifter vorgegebenes Stiftungsziel in der Stiftungserklärung verankert. Dabei wird auch der Stiftungsgegenstand - iSd auszuübenden Tätigkeiten der Stiftung - regelmäßig einen derartigen Einfluss auf den Stiftungszweck ausüben, dass der Gegenstand selbst Teil des Zwecks wird und bei Beurteilung der Frage, ob ein Auflösungsgrund nach § 35 Abs 2 Z 2 PSG vorliegt, entsprechend zu berücksichtigen ist. Ist ein in der Stiftungserklärung genannter Gegenstand weggefallen, etwa weil eine Tätigkeit aufgrund faktischer Gegebenheiten nicht mehr ausgeübt werden kann, und kann der Gegenstand der Privatstiftung nicht derart ausgetauscht werden, dass der Zweck der Privatstiftung unangetastet bleibt, sind die Voraussetzungen für die Auflösung der Privatstiftung mangels Erreichbarkeit des Stiftungszwecks gegeben. Der Stiftungszweck kann eben in der vom Stifter vorgegebenen Form nicht mehr erreicht werden. Dabei ist der Einfluss des Gegenstands auf den Stiftungszweck umso größer, je unschärfer das eigentliche Stiftungsziel durch den Stifter vorgegeben wurde.
Ob jedoch aufgrund des Wegfalls einer vorgegebenen Tätigkeit, der Missachtung einer Auflage, Bedingung bzw Vorbehalts oder des Wegfalls eines Begünstigten tatsächlich der Zweck der Privatstiftung nicht mehr erreichbar ist, ist stets sorgfältig anhand des gesamten Inhalts der Stiftungsurkunde mittels objektiver Auslegung zu beurteilen. So ist etwa zu prüfen, ob eine bestimmte in der Stiftungserklärung vorgesehene Tätigkeit tatsächlich Teil des Zwecks geworden ist oder etwa austauschbar ist und den Stiftungszweck daher nicht in einer verändernden Weise berührt und folglich der Auflösungstatbestand des § 35 Abs 2 Z 2 PSG nicht verwirklicht wird (Jud/Zierler in NZ 2007/51).

Auch wenn sich im Hinblick auf den eingangs geschilderten Sachverhalt gewichtige Bedenken hinsichtlich des tatsächlichen Wegfalls des Stiftungszwecks aufgrund der Insolvenz der Kommanditgesellschaft ergeben (so ist die Privatstiftung etwa nirgends Gesellschafterin der von der Insolvenz betroffenen Gesellschaften), ist dem Firmenbuchgericht im Zusammenhang mit der Eintragung des angemeldeten Auflösungsbeschlusses des Stiftungsvorstandes eine inhaltliche Prüfung des tatsächlichen Vorliegens des Auflösungsgrundes verwehrt. Eine Prüfung der Richtigkeit des Auflösungsbeschlusses würde nämlich einen Antrag einer hiezu berechtigten Person gemäß § 35 Abs 4 PSG voraussetzen.

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