21. Januar 2009

Nachträgliche Einräumung von Sonderrechten im GmbH-Vertrag

Bei einer bestehenden GmbH soll nachträglich ein Sonderrecht auf Geschäftsführung eingeräumt werden – genügt hier ein Mehrheitsbeschluss oder bedarf es der Einstimmigkeit?

Diese heute an mich herangetragene Frage beantworte ich wie folgt:

Zum Personengesellschaftsrecht wird die aus § 879 ABGB entwickelte Kernbereichslehre vertreten. Demnach können Mehrheitsbeschlüsse nur insoweit vorgesehen werden, als dadurch nicht eine sittenwidrige Abhängigkeit eines Gesellschafters von der Willkür der Mitgesellschafter entsteht. Deshalb besteht ein so genannter Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte, in die grundsätzlich nur mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters eingegriffen werden kann. Die Frage, welche Rechte dem Kernbereich angehören, ist umstritten, es sei auf die Struktur der jeweiligen Gesellschaft und die Stellung des einzelnen Gesellschafters darin Bedacht zu nehmen, wobei bei der typischen personalistischen Gesellschaft jedenfalls Eingriffe in das Stimmrecht, über den Gewinnverteilungsschlüssel, die Höhe der Liquidationsquote ebenso in den Kernbereich fallen wie Änderungen der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes sowie die Schaffung oder Beseitigung von Sonderrechten (U.Torggler/H.Torggler in Straube, HGB online § 119 HGB Rz 23a).

Die Regelung der besonderen Zustimmungserfordernisse in § 99 GmbHG bietet ebenfalls Anknüpfungspunkte zur Fragestellung. Danach ist klar, dass neben den dort ausdrücklich genannten Rechten auch die Beeinträchtigung von anderen Rechten, wie Veto-, Zustimmungs-, Dirimierungs- und Mehrstimmrechte, das Zustimmungsrecht des betroffenen Gesellschafters auslösen (Kalss, Verschmelzung-Spaltung-Umwandlung § 99 GmbHG Rz 4). Demnach kann das Recht der Beschlussfassung über die Bestellung eines Geschäftsführers hier auch darunter fallen.
Gemäß § 50 Abs 4 GmbHG kann eine Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Vertrag obliegenden Leistungen oder eine Verkürzung der einzelnen Gesellschaftern durch den Vertrag eingeräumten Rechte nur unter Zustimmung sämtlicher von der Vermehrung oder Verkürzung betroffenen Gesellschafter beschlossen werden. Dieser Begriff der Leistungsvermehrung ist weit zu fassen, weshalb die Einführung oder Erweiterung aller gesellschaftsvertraglich überhaupt regelbaren Pflichten erfasst ist. Tatbestandsmäßig ist danach auch die Neueinführung von Sonderrechten zu Gunsten anderer Gesellschafter (Koppensteiner/Rüffler, § 50 GmbHG Rz 11).

Zweifellos ist das einem Gesellschafter eingeräumte Recht auf die Geschäftsführung ein derartiges Sonderrecht, das in die Entscheidungskompetenz der Mitgesellschafter (§ 15 Abs 1 GmbHG) eingreift, womit meiner Meinung nach bei nachträglicher Einführung eines solchen Sonderrechts durch ändernden Satzungsbeschluss für diesen gemäß § 50 Abs 4 GmbHG Einstimmigkeit zu verlangen ist.

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