1. Juni 2011

Zur Aufsichtsratsähnlichkeit eines Beirats nach der PSG-Nov (BGBl I 2010/111 - BBG 2010)

Die folgenden Überlegungen sind meine persönlichen Schlussfolgerungen aus den Diskussionen im Rahmen eines Firmenbuch-Workshops am 12.5.2011 an der WU Wien. Sie sind somit kein mit den weiteren Teilnehmern abgestimmtes Ergebnis des Diskussionsprozesses.

Der Workshop unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. Susanne Kalss stand unter dem Thema „Aktuelle stiftungsrechtliche Fragen aus der Firmenbuchpraxis“.

Die Gesetzesmaterialien zum BBG 2011 liefern Hinweise dafür, dass der “Budgetbegleitgesetzgeber” auch die Aufsichtsratsähnlichkeit “beseitigt” hat (Kalss, Stiftungsbeirat und Vorstand nach der Novelle des PSG 2010, Kathrein-Stiftungsletter Ausgabe 16, 4 f; Briem, Die Novelle zum Privatstiftungsgesetz, PSR 2011/3, wenn auch mit Vorbehalten).

Die Gesetzesmaterialien führen idZ aus:
Zur Klarstellung sei an dieser Stelle festgehalten, dass diese neuen Regelungen nichts an den sonstigen Befugnissen eines Beirates ändern. Insbesondere kann einem (auch mit Begünstigten besetzten) Beirat weiterhin das Recht zur Bestellung des Stiftungsvorstands eingeräumt werden. Auch Zustimmungsrechte zu Geschäftsführungsmaßnahmen können ihm vorbehalten werden.

Die OGH-Judikatur zur AR-Ähnlichkeit eines Beirats knüpfte an der einem Beirat eingeräumten Abberufungskompetenz von Vorstandsmitgliedern an. Kalss wies darauf hin, dass der OGH damit an eine Befugnis angeknüpft habe, die einem PSG-Aufsichtsrat ex lege gar nicht zukomme. Nachdem diese Kompetenzfrage durch die PSG-Novelle 2010 nunmehr geklärt ist, verbleibt die Frage, ob es noch einen Anwendungsbereich für eine AR-Ähnlichkeit eines Beirates gibt.

Die Überwachung des Vorstandshandelns ist die zentrale Aufgabe eines Aufsichtsrates. Ihm steht daher das Auskunftsrecht über sämtliche Angelegenheiten der Privatstiftung sowie das Recht auf Einsicht und Prüfung der Unterlagen und Vermögensgegenstände der Privatstiftung sowie das Zustimmungserfordernis zu bestimmten wichtigen Geschäften zu. Von den in § 95 Abs 5 AktG genannten Geschäften bedürfen nur die in § 25 Abs 1 letzter Satz PSG angeführten Geschäfte der Zustimmung des Aufsichtsrats.

Briem stellt zur Frage der Aufsichtsratsähnlichkeit eines Beirats auf eine Beurteilung seiner Aufgaben und Kompetenzen ab, was funktional zu betrachten sei. Demnach habe auch ein Stiftungsbeirat, welchem nach der Stiftungsurkunde primär Beratungsaufgaben zukommen, dem jedoch das Recht auf Auskunft und Einsicht eingeräumt werde und dessen Zustimmung Maßnahmen bedürften, die in § 95 Abs 5 AktG genannt sind, habe Kontrollaufgaben zu erfüllen, die ansonsten nur einem Aufsichtsrat zukommen würden. Auch die Regelung, dass die Festlegung der Höhe der Zuwendungen an die Begünstigten der Zustimmung des Beirats bedürfe, könne eine Aufsichtsratsähnlichkeit des Beirats begründen.
Demgegenüber sei ein bloßes Anhörungsrecht oder Recht zur Stellungnahme zwar ein mögliches Kontrollinstrument, doch sei dieses so schwach ausgeprägt, dass ein derartiger Beirat nicht mehr als aufsichtsratsähnlich zu qualifizieren sei.
In gleicher Weise seien bloße Auskunfts- und Einsichtsrechte nicht ausreichend, um die Aufsichtsratsähnlichkeit des Beirats zu begründen. Würden dem Stiftungsbeirat, abgesehen von Beratungsrechten und allfälligen Anhörungsrechten, keine Kontrollrechte zukommen, sei ein solcher Stiftungsbeirat somit noch nicht aufsichtsratsähnlich. Würden ihm jedoch Zustimmungsrechte eingeräumt, sei der Stiftungsbeirat bereits als aufsichtsratsähnlich im Sinne der Judikatur zu beurteilen (Briem, Auswirkungen der jüngsten OGH-Judikatur auf die Gestaltung von Stiftungserklärungen, PSR 2010/12, 60)

Unstrittig ist somit, dass einem Beirat jedenfalls (bloße) Beratungs-, Auskunfts- und Einsichtsbefugnisse eingeräumt werden können, ohne dass dadurch AR-Ähnlichkeit entsteht. Als „potentiell gefährlich“ verbleiben daher Zustimmungsrechte gemäß dem Verweiskatalog in § 25 Abs 1 PSG (§ 95 Abs 5 Z 1, 2 und 4 – 6 AktG).

Das führt also dazu:
Zulässig ist ein Beirat mit

  • Bestell- und Abberufungskompetenzen für den Vorstand, soweit eine mit § 14 Abs 2 und 3 PSG idF BBG 2011 kompatible Konstruktion gewählt wird;
  • bloßen Mitwirkungs-, Einsichts- und Kontrollrechten.
Problematisch bzw. unsicher bleibt ein Beirat mit
  • Zustimmungsrechten, die den Katalog des § 95 Abs 5 Z 1, 2 und 4 – 6 AktG berühren (arg. § 25 Abs 1 PSG).
Eine AR-Ähnlichkeit wird auch in diesem Fall wohl nur dann verwirklicht sein, wenn einem Beirat alle Zustimmungsrechte, die § 25 Abs 1 PSG nennt, eingeräumt werden. So wäre mE etwa die bloße Verankerung von Zustimmungsrechten zur Veräußerung und zum Erwerb von Liegenschaften und Beteiligungen (Z 1 und 2) unschädlich, wenn dem Beirat weitere wesentliche Zustimmungsrechte des § 25 Abs 1 PSG nicht zugeordnet werden.


In diesen Überlegungen manifestiert sich gleichzeitig die Grundproblematik der “Ähnlichkeits-Argumentation”, weil deutlich wird, dass eine Grenzziehung zwischen “noch nicht ähnlich” und “gerade schon ähnlich” in Wahrheit nicht befriedigend gezogen werden kann. Soll es etwa an den Betragsgrenzen für Investitionen liegen (Z 6), die den Rubikon überschreiten lassen?

Kalss plädierte im Rahmen des genannten Workshops überhaupt für ein Wahlmodell des Stifters und begründete dies damit, dass ein solches im PSG von Anfang an so angelegt gewesen sei.
§ 14 Abs 2 PSG hätte ja immer schon die Einrichtung von weiteren Stiftungsorganen “zur Wahrung des Stiftungszweckes” erlaubt. Es sei also nie unzulässig gewesen, statt eines Aufsichtsrates einen Beirat zu installieren. Außerdem sehe das PSG ausdrücklich nur einen obligatorischen Aufsichtsrat vor, die Bildung eines fakultativen Aufsichtsrates sei – im Gegensatz zum GmbHG – nicht ausdrücklich geregelt.
Somit lasse sich argumentieren, dass die Grenze der Zuordnung von Beiratskompetenzen nur in den dem Aufsichtsrat zwingend zugewiesenen Kompetenzen liege, was dazu führe, dass nur die Kompetenzen zur Bestellung des Stiftungsprüfers und zur Genehmigung von § 17 Abs 5 PSG-Geschäften für einen Beirat tabu wären.


Das Regelungsmodell von Kalss läuft also auf die Freiheit des Stifters hinaus, die gerichtliche Kontrolle eingreifen zu lassen entweder
bei der Auswahl der Personen (dann: Aufsichtsrat) oder
bei der inhaltlichen Prüfung der Kompetenzausübung (dann: Beirat).

Beide Modelle lassen sich im gesetzlichen Regelungsmodell des PSG bezüglich der Organe einordnen, insbesondere arg. § 14 Abs 2 PSG.

Für den Praktiker muss aber klar sein, dass – unabhängig von der Firmenbucheintragung “gefährlicher” Stiftungsurkunden mit den geschilderten Beiratskompetenzen – das Damoklesschwert der Unzulässigkeit eines solchen Organs mit all den unliebsamen Folgeproblemen hängen bleibt. Sollte der OGH die AR-Ähnlichkeit fortschreiben, würden diese Organe wieder – quasi über Nacht – zu ex-tunc fehlerhaften Organen werden; mit den diesbezüglich zu führenden Diskussionen wären die Betroffenen dann zumindest schon vertraut (auf Basis von 6 Ob 145/09f).

Für diesen Fall der Fortschreibung durch den OGH wage ich aber folgende Prognose:

Das gesamte Thema wird so enden, wie schon die “Beirats-” und die “Berater-Entscheidung” geendet haben. Der Gesetzgeber wird reagieren und die „unerwünschten Auswüchse“ beseitigen bzw. abmildern. Dem OGH wird dann wiederum die Feststellung verbleiben, dass “nach der Novellierung der §§ ...... PSG durch das BGBl ...... die zugrunde liegende Wertung auch schon auf Altfälle anzuwenden ist, wenngleich das BGBl ...... insoweit keine Übergangsbestimmung enthält” (so 6 Ob 195/10k zur aktuellen Novelle).

Warum ich mich als Firmenbuchrichter vor diesem Hintergrund stark exponieren sollte, sehe ich nicht ein, zumal nach der Novellierung vertretbar ist, die Aufsichtsratsähnlichkeit als “PSG-fremd” einzustufen. Sollte man also überhaupt noch damit ins Feld ziehen, wird eine AR-Ähnlichkeit wohl nur mehr bei einer exzessiven Zuweisung von Zustimmungsrechten angenommen werden können und mE jedenfalls dann nicht (mehr) vorliegen, wenn nur eine einzige der einem AR zugewiesenen Kompetenzen in einer Beiratsausgestaltung fehlen sollte.

Das Risiko solcher Beiratseinrichtungen tragen im Ergebnis jene Privatstiftungen, die einen solchen "Beirat im Grenzbereich" ausbilden. Dieses Risiko liegt dann aber nicht beim Firmenbuchrichter, der sich im Hinblick auf die in der Literatur dargelegten Argumente von der Zulässigkeit derartiger Gestaltungen nach der Novellierung im BBG 2011 überzeugen lässt.

Ich werde also “großzügig” sein.

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