1. Februar 2010

Stiftungsbeirat mit Begünstigten; Vorlage der Stiftungszusatzurkunde

Bei einer seit Jahren im Firmenbuch registrierten Privatstiftung wird die Neufassung der Stiftungsurkunde (auf Grundlage eines in der Stiftungsurkunde geregelten Änderungsvorbehalts gemäß § 33 Abs 2 PSG) zur Eintragung angemeldet.

Die Regelung des § 7 Abs 4 der neu gefassten Stiftungsurkunde lautet in den hier interessierenden Punkten wie folgt:

Die Mitglieder des Stiftungsvorstands werden vom Beirat bestellt und abberufen. Sollte eine Bestellung durch den Beirat unwirksam sein, so möge das Gericht bei seiner Entscheidung über die Bestellung (§ 27 Abs 1 PSG) die Bestellungsbefugnis des Beirats wie ein Nominierungsrecht berücksichtigen. Die Bestellung zum Mitglied des Stiftungsvorstands (…) kann vorzeitig nur aus wichtigem Grund widerrufen werden; als wichtige Gründe gelten die in § 27 Abs 2 PSG genannten Gründe.

Die Bestimmungen über den Beirat finden sich in § 9 der Stiftungsurkunde; dieser lautet in den wesentlichen Punkten wie folgt:

Die Privatstiftung hat einen Beirat. Der Beirat hat die Aufgabe, die Einhaltung des Stiftungszwecks zu überwachen und den Stiftungsvorstand zu beraten. Nach Maßgabe von § 7 der Stiftungsurkunde bestellt er den Stiftungsvorstand und beruft diesen ab. Die Stiftungszusatzurkunde kann die Vornahme einzelner Geschäfte und Rechtshandlungen durch den Stiftungsvorstand der Zustimmung des Beirats vorbehalten.

Der Beirat besteht aus vier Mitgliedern.

Jeder der von zwei Stiftern begründeten Familienstämme bestellt jeweils zwei Mitglieder des Beirats, wobei mindestens ein Mitglied der von jedem der Familienstämme zu bestellenden Mitglieder nicht dem in § 15 Abs 2 PSG beschriebenen Personenkreis angehören darf. Die Bestellung in den Familienstämmen geschieht durch Beschluss der Mehrheit der jeweiligen Begünstigten des bestellungsberechtigten Familienstamms.

Aus der Regelung des § 9 der Stiftungsurkunde folgt zunächst, dass – auch wenn dies aus der Stiftungsurkunde hinsichtlich der Regelung über die Begünstigten nicht zu ersehen ist – die Mitglieder der bestellungsberechtigten Familienstämme zugleich Begünstigte der Privatstiftung sind, da die Beschlussfassung über die Bestellung der Beiratsmitglieder durch die Mehrheit der Begünstigten des jeweiligen Familienstammes erfolgt.

Der OGH hat in 6 Ob 42/09 h zur Besetzung eines Beirates mit Begünstigten folgende Grundsätze formuliert:

  • Die Frage, ob ein Beirat als weiteres Organ im Sinne des § 14 Abs 2 PSG ein dem Aufsichtsrat vergleichbares Organ ist, bestimmt sich vorrangig nach dem in § 25 Abs 1 PSG dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgabenkreis.
  • Nach § 23 Abs 2 Satz 2 PSG dürfen Begünstigte oder deren Angehörige nicht die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder stellen. Diese Unvereinbarkeitsbestimmung ist auch auf einen aufsichtsratsähnlichen Beirat anzuwenden.
  • Will der Stifter den Begünstigten eine besondere Funktion in der Stiftung einräumen, kann er einen Beirat mit kontrollierender oder sogar bis zu einem gewissen Grad auch weisungsgebender Funktion einrichten; von einem solchen weiteren Organ wären Begünstigte nicht ausgeschlossen.
  • Wenn der Beirat nicht auf Kontrolle und bis zu einem gewissen Grad auf Weisung beschränkt ist, gilt das zuvor Gesagte allerdings nicht.
Zwar hat im konkreten Fall der Stiftungsbeirat laut Stiftungsurkunde „nur“ eine Überwachungs- und Beratungsfunktion, allerdings kann in der Stiftungszusatzurkunde die Vornahme einzelner Geschäfte und Rechtshandlungen durch den Stiftungsvorstand der Zustimmung des Beirats vorbehalten werden. Ohne Kenntnis der diesbezüglichen Regelungen in der Stiftungszusatzurkunde kann daher im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden, dass der Beirat über das zulässige Maß („kontrollierende und bis zu einem gewissen Grad auch weisungsgebende Funktion“) hinaus Einfluss auf den Vorstand nehmen kann.

Die Mitgliedschaft eines Begünstigten in einem Beirat mit den oben dargestellten Kompetenzen ist iSd E 6 Ob 42/09h einer schädlichen Mitgliedschaft im Stiftungsvorstand gleichzusetzen, ansonsten die Unvereinbarkeitsbestimmung des § 15 Abs 2 PSG unterlaufen werden würde.

Gemäß § 9 der Stiftungsurkunde wählen die zwei Familienstämme je zwei der vier Mitglieder des Beirats. Hierbei darf mindestens je ein Mitglied der von den Familienstämmen zu bestellenden Mitglieder nicht dem in § 15 Abs 2 PSG beschriebenen Personenkreis angehören. Daraus folgt, dass jedenfalls zwei der vier Mitglieder des Beirats begünstigte Personen im Sinne des § 15 Abs 2 PSG sein können. Aufgrund der fehlenden Einsichtnahmemöglichkeit in die Stiftungszusatzurkunde – die gemäß § 10 Abs 2 letzter Satz PSG dem Gericht grundsätzlich nicht vorzulegen ist - kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Stimmgewichtung des Beirats so vereinbart wurde, dass die zwei begünstigten Mitglieder ohne Zustimmung der anderen Beiratsmitglieder die notwendige Mehrheit im Beirat erzielen können, um den Vorstand in unzulässigem Maße zu kontrollieren.

Zur Klärung dieser Frage ist es daher notwendig, im Rahmen der materiellen Prüfbefugnis des Firmenbuchgerichts die Einsichtnahme in die Stiftungszusatzurkunde zu verlangen (vgl. Arnold, PSG², § 10 Rz 10).

Diese wird insoweit zu gewähren sein, um folgende Fragen zu beantworten:
  • Welche Geschäfte und Rechtshandlungen bedürfen der Zustimmung des Beirats?
  • Wie ist die Stimmgewichtung im Beirat: Können die nicht begünstigten durch die begünstigten Beiratsmitgliedern überstimmt werden?

1 Kommentar:

RP hat gesagt…

ME sollte hier noch ein zusätzlicher Punkt diskutiert werden:
Es stellt sich hier doch bereits die Frage, ob die Regelung des § 7 Abs 4 der Stiftungsurkunde, wonach der von begünstigten dominierte Beirat die Mitglieder des Stiftungsvorstands abberufen kann, nicht bereits iSd der E 6 Ob 42/09h unzulässig ist, da es dort ua heißt „Dass eine Abberufung von Vorstandsmitgliedern hier (lediglich) aus wichtigen Gründen möglich ist, ändert daran [an der Aufsichtsratsähnlichkeit des Beirats] nichts; diese objektiv wichtigen Gründe müssen nämlich nicht wichtige Gründe im Sinne des § 75 Abs 4 AktG sein, sondern sind „insbesondere" zumindest grob fahrlässiges, stiftungsschädigendes Verhalten, Verstöße gegen den Stiftungszweck und ungerechtfertigte Prozessführung gegen die Stifter, die Stiftung oder gegen Gesellschaften, an denen die Stiftung oder Stifter beteiligt sind, also eher unbestimmte Abberufungsgründe, die dem Beirat einen weiten Spielraum einräumen.“

Nun wird im hier zu betrachtenden Fall die Abberufung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSd § 27 Abs 2 PSG geknüpft, der die „wichtigen Gründe“ ebenfalls nur demonstrativ aufzählt und daher ebenfalls „eher unbestimmte Abberufungsgründe“ darstellt. Meiner Meinung nach zählt zwar auch der § 75 Abs 4 AktG nur beispielhafte und daher "eher unbestimmte Abberufungsgründe" auf, jedoch ist dies nach der neuesten Rspr wohl differenziert zu betrachten. Man mag die Entscheidung unterschiedlich lesen können (wie hier Arnold, GesRZ 2009, 248 mwN auch anderer Interpretationen) und va anderer Meinung sein, falls sie aber im hier aufgezeigten Sinn zu verstehen ist, wäre wohl bereits die Bestimmung über die Abberufung des Stiftungsvorstands unzulässig.
RP