30. Mai 2012

Jennewein in GES 2012, 167

Im Beitrag vom 14.3.2012 habe ich mich mit der Entscheidung des OGH vom 21.12.2011, 6 Ob 242/11y, befasst.

Als Reaktion darauf wurde mir von der Schriftleitung der GES angeboten, dazu auch in der Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Stellung zu nehmen. Ich habe mich darüber sehr gefreut und das Angebot gerne angenommen.

Mein Artikel ist in GES 2012, 167 ff, unter der Überschrift "Vereinbarung über den Ausschluss der Erwerberhaftung gemäß § 38 Abs 4 UGB - Anmerkungen aus firmenbuchrichterlicher Sicht" vor Kurzem erschienen.

29. Mai 2012

Kapitalistische Personengesellschaften sind unternehmerisch tätig. Praktisch immer.

Nur die unternehmerisch tätige kapitalistische PersGes (PersGes ohne natürliche Person als unbeschränkt haftende Gesellschafterin) ist gem § 189 Abs 1 Z 1 UGB wie die Kapitalgesellschaft bilanzierungs- (und offenlegungs-)pflichtig.

Ein Rechtssatz, der vertraut ist und kaum Widerspruch hervorrufen wird. Aber (ab) wann ist eine solche Personengesellschaft unternehmerisch tätig?

Im Beitrag vom 10.2.2012 beschäftigte ich mich bereits mit diesem Thema, ich berichtete über eine einschlägige Entscheidung des OLG Innsbruck (3 R 207/11g). In dieser wurden zahlreiche Aspekte herausgestellt, die für die Beantwortung der einschlägigen Fragestellungen entscheidend seien:
  • Der Unternehmensbegriff des § 1 Abs 2 KSchG versteht das Unternehmen als Organisation einer Vielzahl wirtschaftsbewegender Güter, die zu einem organischen Ganzen vereinigt wird.
  • Maßgebliche Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs 2 UGB sind eine selbständige, wirtschaftliche Tätigkeit und das Vorliegen einer auf Dauer angelegten Organisation. „Wirtschaftliche Tätigkeit" wird definiert als das nach außen für die Allgemeinheit erkennbare Anbieten wirtschaftlich werthafter Leistungen auf einem Markt gegen Entgelt.
  • Die Größe oder Vielfältigkeit des Marktes ist nicht entscheidend. Kennzeichnend für einen Markt ist eine Vielzahl potentieller Vertragspartner. So liegt eine nach außen sichtbare Tätigkeit beispielsweise erst dann vor, wenn eine größere Zahl von Mietverträgen abgeschlossen wird, sodass eine auf Dauer angelegte Organisation erforderlich wäre. Mit der Zahl der vorhandenen Objekte (allenfalls Beteiligungen) steigt die Erforderlichkeit einer Organisation zur Erfüllung jener Aufgaben, die etwa eine Gesellschaft im Rahmen der Verwaltung des Vermögens zu erfüllen hat.
  • Das Kriterium der Ausrichtung „auf Dauer“ dient zur Abgrenzung gegenüber der gelegentlichen Tätigkeit. Der Wille und der Plan müssen auf eine Vielzahl von Geschäften gerichtet sein. Einmalige Geschäfte begründen ebenso wenig eine Unternehmereigenschaft wie einmalige Abschlüsse. Das Tatbestandsmerkmal der Organisation hängt insbesondere mit dem Element der Dauerhaftigkeit zusammen.
  • Das immer wieder erwähnte Handeln „einer Personengruppe“ stellt bloß ein typisches, aber nicht unabdingbares Merkmal der Organisation dar, sodass auch einzelne Personen eine „Organisation“ einrichten können. Von sonstigen Organisationen unterscheidet sich das „Unternehmen“ insbesondere durch das zentrale Merkmal der wirtschaftlichen Tätigkeit. Der Organisationsbegriff beruht auf mehreren objektiven, subjektiven und funktionalen Elementen, die in verschiedener Gewichtung auftreten können (auch ein Nachhilfelehrer oder Verfasser wissenschaftlicher Werke, der in größerem Umfang und planmäßig tätig wird, kann trotz möglicherweise geringer Sachausstattung ein Unternehmen betreiben).
  • Keine Voraussetzung ist ein bestimmtes Mindestkapital oder eine Mindestgröße, doch kann der Umfang der Tätigkeit in einzelnen Fällen als Abgrenzungskriterium dienen.
  • In jedem Fall ist eine Einzelfallprüfung der Erforderlichkeit einer Organisation unverzichtbar.
  • Neben der Umsatzgröße sind auch der Wert der Geschäftsvorgänge, der Gewinn, das Investitionsvolumen, die Trennung von Anlage- und Umlaufvermögen, Art und Wert des Anlagevermögens, Inanspruchnahme von Krediten, Kontokorrentverkehr, Rechnungsverkehr, Zahl der Betriebsstätten, Zahl und Art der Beschäftigten, Betriebseinrichtung und ähnliche wirtschaftliche und kaufmännische Kriterien maßgeblich. Entscheidend ist das Gesamtbild des Unternehmens, das seiner Art nach unternehmerische Einrichtungen tatsächlich erfordert oder nicht (OGH 6 Ob 18/95).
  • Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände in Millionenhöhe sowie ein Kassenbestand, Schecks und Guthaben bei Kreditinstituten in beträchtlicher Höhe deuten auf unternehmerische Tätigkeit hin.
  • Ein von der Gesellschaft bekanntgegebener Geschäftszweig der Entwicklung, Nutzung und Verwertung von Immobilien steht der Annahme einer rein verwaltenden Tätigkeit der Gesellschaft entgegen.
  • Freiwillig eingereichte Jahresabschlüsse in der Vergangenheit deuten darauf hin, dass in den entsprechenden Jahren eine Offenlegungspflicht bestand, die Gesellschaft sohin unternehmerisch tätig war (§§ 2, 1299 ABGB der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH).
  • Nur eine rein (das heißt ausschließlich) vermögensverwaltende Tätigkeit, die die Tatbestandselemente des Unternehmensbegriffes nach § 1 UGB nicht erfüllt, beseitigt unternehmerische Tätigkeit.
Demnach ist in jedem Einzelfall eine genaue inhaltliche Prüfung der Frage erforderlich, ob eine kapitalistische Personengesellschaft einer unternehmerischen Tätigkeit nachgeht oder nicht. Eine Rechnungs- und Offenlegungspflicht bestünde dann nicht, wenn die Gesellschaft ausschließlich und bloß mit der Verwaltung eigenen Vermögens befasst wäre.

Der OGH erspart den Rechtsanwendern diese Prüfung. In der - interessanterweise bislang kaum beachteten (Ergänzung: aktuell aber ecolex 2012/168, 390 [Wilhelm]) - Entscheidung 6 Ob 203/11p kommt der OGH - kurz gesagt - zum Ergebnis, dass eine kapitalistische Personengesellschaft praktisch immer unternehmerisch tätig ist.

In dem vom OGH entschiedenen Fall (es ging um die Verhängung einer Zwangsstrafe gem § 283 UGB) war Unternehmensgegenstand der dortigen GmbH & Co KG die Vermögensverwaltung sowie der Erwerb, die Veräußerung und die Verwaltung von Beteiligungen an in- und ausländischen Gesellschaften und Unternehmungen, gleichgültig in welcher Gesellschaftsform, sowie die Verwaltung und der An- und Verkauf von Immobilien.

Die Rechtsmittelwerber argumentierten, dass die Unternehmereigenschaft einer ausschließlich durch vermietende und verpachtende Tätigkeit im Wirtschaftsleben in Erscheinung tretenden kapitalistischen KG nur dann gegeben sei, wenn sie aufgrund einer Vielzahl von Bestandobjekten einer dauerhaften Organisation bedürfe. Gebe eine solche Kommanditgesellschaft nicht mehr als fünf Objekte in Bestand, ergebe sich in der Regel auch keine Rechnungslegungspflicht nach dem UGB. Die Gesellschaft sei nicht als Unternehmer anzusehen, da sie seit Beginn ihrer Tätigkeit bis heute lediglich ein Objekt angekauft und vermietet habe. Auch der Organisationsgrad der Gesellschaft sei nicht als unternehmerisch anzusehen, da sie keine Mitarbeiter habe.

Der OGH erspart sich ein näheres Eingehen auf diese Argumentation mit einer verblüffend simplen und gleichzeitig überzeugenden Begründung:

Nach § 1 Abs 1 UGB ist Unternehmer, wer ein Unternehmen betreibt. Ein Unternehmen ist gemäß § 1 Abs 2 UGB jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.

Der Gesetzgeber hat mit diesem Unternehmerbegriff bewusst auf die gleichlautende Legaldefinition des Unternehmens in § 1 Abs 2 KSchG zurückgegriffen (ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 6). Zur Beurteilung der Unternehmereigenschaft im UGB kann grundsätzlich die einschlägige Rechtsprechung zum KSchG herangezogen werden. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu § 23 EStG ist hingegen irrelevant, weil sie sich nur mit steuerrechtlichen Fragen auseinandersetzt, die im Unternehmensrecht nicht maßgeblich sind.

Als Unternehmer im Sinne des KSchG wird nach der Rechtsprechung der Vermieter angesehen, wenn die Beschäftigung von dritten Personen (zB Hausbesorger) notwendig ist, eine Mehrzahl dauernder Vertragspartner (Mehrzahl von Mietverträgen, die eine nach kaufmännischen Grundsätzen geführte Buchhaltung erfordert) besteht und somit die Einschaltung von anderen Unternehmen oder Erfüllungsgehilfen erforderlich ist und auch längerfristige Vertragsbindungen bestehen (RIS-Justiz RS0065317). Als annähernde Richtzahl für die Mehrzahl von Vertragspartnern wurde angenommen, dass der private Hauseigentümer (noch) als Verbraucher anzusehen sei, wenn in seinem Haus nicht mehr als fünf Mietgegenstände in Bestand gegeben werden (RIS-Justiz RS0065317 [T1]).

Aus dieser Rechtsprechung kann für die hier zu lösende Frage, ob die Gesellschaft unternehmerisch tätig ist, allerdings nichts gefolgert werden. Es ging nämlich in sämtlichen Entscheidungen, die sich mit der Frage der Unternehmereigenschaft von Vermietern nach § 1 KSchG befassten (RIS-Justiz RS0065317), nur um natürliche Personen als Vermieter. Weiters setzt nach der zitierten Rechtsprechung die (noch gegebene) Verbrauchereigenschaft des Vermieters von nicht mehr als fünf Mietgegenständen in seinem Haus voraus, dass es sich beim Vermieter um einen privaten Hauseigentümer handelt (RIS-Justiz RS0065317 [T1]).

Eine eingetragene Personengesellschaft kann aber mangels Privatlebens nicht privat vermieten.

Die zitierte Rechtsprechung zur Unternehmereigenschaft natürlicher Personen betrifft lediglich die Frage der Notwendigkeit des Vorliegens eines gewissen Mindestmaßes an Organisation. Ein derartiges Erfordernis hat der Oberste Gerichtshof bei natürlichen Personen aus der Zahl der vermieteten Objekte abgeleitet.

Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, dass der idente Geschäftszweig sowohl der Gesellschaft als auch ihrer Komplementärgesellschaft nach dem Firmenbuchstand „An- und Verkauf sowie Verwaltung von Beteiligungen und Immobilien“ ist. Hier ist nach Auffassung des erkennenden Senats eine auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit iSd § 1 Abs 2 UGB bei der Gesellschaft bereits in dem Umstand verwirklicht, dass zur Ausübung eben dieser Tätigkeit eine eigene Kapitalgesellschaft, nämlich die Komplementärin, gegründet wurde.

Dass bei bislang einem erworbenen und vermieteten Objekt die „Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit“ iSd § 1 Abs 2 UGB bescheiden sein mag, hindert die Qualifikation als unternehmerisch tätig nicht, weil für den Unternehmerbegriff des KSchG (und somit grundsätzlich auch des UGB) kein bestimmtes Mindestmaß an geschäftlicher Tätigkeit erforderlich, sondern nur die Regelmäßigkeit und Methodik der ausgeübten Tätigkeit maßgeblich ist (5 Ob 155/10w = RIS-Justiz RS0065380 [T12]). Eine bestimmte Betriebsgröße der Unternehmen des § 1 KSchG, ein Mindestkapital oder eine sonstige Mindestorganisation ist nicht erforderlich (5 Ob 155/10w; Kathrein in KBB § 1 KSchG Rz 3; zum UGB vgl Krejci/Haberer in Zib/Dellinger, UGB § 1 Rz 59, 160 ff; Artmann/Herda in Jabornegg/Artmann, UGB § 1 Rz 35). Auch dass die Gesellschaft keine Mitarbeiter hat, steht einer Qualifikation der Gesellschaft als unternehmerisch tätig nicht entgegen (RIS-Justiz RS0065317 [T2]).

Zudem erfordern die Akquisition geeigneter Liegenschaften, das Aufspüren günstiger Gelegenheiten zum allfälligen Verkauf von Liegenschaften und die Suche nach geeigneten Mietern üblicherweise eine erhebliche Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit iSv § 1 Abs 2 UGB. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, träfe im Übrigen entsprechend der zum KSchG ergangenen Rechtsprechung die Beweislast dafür die Gesellschaft (vgl 5 Ob 155/10w; RIS-Justiz RS0065394).

Dass der geplante Erwerb weiterer Liegenschaften erst dem Aufbau des Unternehmens dienen könnte, würde die Beurteilung dieser Tätigkeiten als unternehmerisch nicht hindern, weil man Unternehmer mit Aufnahme des Geschäftsbetriebs wird, womit nicht nur der bereits routinemäßig laufende Betrieb, sondern auch sein Aufbau gemeint ist (Krejci/Haberer in Zib/Dellinger, UGB § 1 Rz 50; Straube in Straube UGB § 1 Rz 27 mwN; vgl auch § 343 Abs 3 UGB, wonach nur Vorbereitungsgeschäfte natürlicher Personen nicht als unternehmensbezogene Geschäfte gelten).

Auf das Erreichen der Schwellenwerte an Umsatzerlösen gemäß § 189 Abs 1 Z 2 UGB kommt es nach dem klaren Gesetzeswortlaut bei der Beurteilung der Offenlegungspflicht einer unternehmerisch tätigen Personengesellschaft nicht an (6 Ob 239/11g mwN).

Daraus folgt für die Praxis:

Meines Erachtens ist damit wohl in allen Fällen bei kapitalistischen Personengesellschaften davon auszugehen, dass sie unternehmerisch tätig sind. Erhebungen zum Vorliegen einer unternehmerischen Struktur, Organisation und Ausrichtung gemäß den vom OLG Innsbruck in 3 R 207/11g dargelegten Kriterien erübrigen sich. Das vom OGH primär ins Treffen geführte Argument, dass schon die Tatsache der Gründung eines eigenen Rechtsträgers als Komplementärgesellschaft unternehmerische Tätigkeit indiziert, ist eigentlich nicht zu widerlegen und liegt quasi auf der Hand. Dass die Gründung einer Kapitalgesellschaft ureigene unternehmerische Initiative darstellt, wird niemand bestreiten. Dass dieser bestechend einfache Umstand bislang in der Rechtsanwendung nicht zur Geltung kam, überrascht. Umso deutlicher werden Leitfunktion des OGH und die Qualität seiner Entscheidungen sichtbar. Erfreulich.